Weiterführende ausländische Literatur:
Blume , Legal Method in Danish Law, 2011; Dahl/Melchior/Rehof/Tamm , Danish Law in a European Perspective, 2. Aufl., 2002; Gammeltoft-Hansen/Gomard/Philip (Hrsg.), Danish Law. A general survey, 1982; Koktvedgaard , National Reports, in: IntEncCompL, Loseblattsammlung; Tamm , The History of Danish Law, Selected Articles and Biography, 2011.
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Das Königreich Dänemark ist eine konstitutionelle Erbmonarchie, die Dänemark, die Färöer und Grönland umfasst, mit einer Bevölkerung von rund 5,5 Mio. Einwohnern. Den Färöern wurde 1948, Grönland 1979 Selbstverwaltung (hjemmestyre) im Rahmen der Monarchie eingeräumt. 2009 wurde auf Grönland eine erweiterte Selbstverwaltung (selvstyre) eingeführt (dazu Rn. 13). Dem Monarchen, augenblicklich Margrethe II, kommen ausschließlich formelle und zeremonielle Funktionen im Rahmen des parlamentarischen Regierungssystemszu. Das Parlament (Folketinget) besteht aus einer Kammer mit 179 Abgeordneten, von denen jeweils zwei auf Grönland und den Färöern gewählt werden. Die Regierung, d.h. Ministerpräsident (statsministeren) und Ressortminister, wird vom Monarchen ernannt (und darf im Parlament keine Mehrheit gegen sich haben). Das Parteienspektrum im Folketing ist wegen der relativ niedrigen Sperrgrenze von 2 % recht breit. Die dänischen Regierungen sind meist Minderheitsregierungen gewesen, weswegen die Politik stark auf Kompromisse und Konsens ausgerichtet ist. Seit Herbst 2011 regiert eine sozialdemokratisch geführte Koalition unter Führung der Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Helle Thorning Schmidt.
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Die Wohnungspolitikist u.a. vom Gedanken geprägt, dass Wohnraum, der für ein ganzjähriges privates Wohnen (im Unterschied zu Ferienhäusern) bestimmt ist, nicht leer stehen darf. Damit soll der immer noch bestehenden Wohnungsknappheit entgegengewirkt werden. Aus dem Wohnungseigentum folgt somit eine seitens der Gemeinden anordenbare Pflicht, die Wohnung selbst zu bewohnenbzw. anderen zu Wohnzwecken zu überlassen (dazu Rn. 90 ff.). In den letzten Jahren werden vereinzelt (vor allem teurere) Wohnungen gebaut, die von der Wohnpflicht ausdrücklich ausgenommen werden. Umgekehrt darf eine Ferienwohnung grundsätzlich nicht als fester Wohnsitz dienen. Mit dem Ziel, die dänische „Sommerhauskultur“ zu schützen und befürchteten Preissteigerungen auf dem Markt durch Immobilienkäufe seitens kapitalkräftiger Ausländer entgegenzuwirken, gilt ein (durch ein Protokoll zum Maastrichter Vertrag von den Bestimmungen dieses Vertrags ausgenommenes) grundsätzliches Verbotfür in Dänemark nicht wohnhafte Personen Ferienwohnungen zu erwerben(dazu Rn. 305).
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Die Gesetzgebungvollzieht sich im Zusammenspiel von Folketing und Regierung. Gesetzentwürfe werden im Folketing in dreimaliger Lesung beraten. Sie beinhalten neben dem Gesetzestext auch Motive. Diesen kann neben den Berichten der Parlamentskommissionen (betænkninger) und den Gesetzesberatungen im Folketing erhebliche Bedeutung für die spätere Auslegung des verabschiedeten Gesetzes zukommen. Somit spielt bei der Auslegung von Gesetzesbestimmungen der teleologisch-historische Blickwinkel eine entscheidende Rolle.
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Das GrundgesetzDänemarks stammt aus dem Jahre 1848 und basiert auf dem Prinzip der Gewaltenteilung. Mit seinen weniger als 4.000 Wörtern zählt es zu den kürzesten Verfassungen der Welt und behandelt deshalb nicht alle verfassungsrechtlich relevanten Fragen der Gegenwart mit der gebotenen Ausführlichkeit. Die Regelungen des Grundgesetzes haben zum großen Teil einen unbestimmten Inhalt. Es besteht ein wachsendes Spannungsfeld zwischen der historischen Tradition und den Erfordernissen eines modernen Verfassungsstaates. Seit einigen Jahren finden Diskussionen über den Reformbedarf der Verfassung statt. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen vor allem die Grundrechte. Der Grundrechtekatalog der Verfassung ist aus heutiger Sicht unvollständig (so wird in der Praxis bspw. die Europäische Menschenrechtskonvention ergänzend herangezogen) und spiegelt vor allem jene Grundrechtsgewährleistungen wider, die am Ende des absolutistischen Zeitalters als zentral erachtet wurden. Eine Grundgesetznovellierung wird aber wahrscheinlich noch lange Zeit auf sich warten lassen. Das Verfahren zur Verfassungsänderung (mit plebiszitären Elementen) fordert nämlich eine erhebliche Mobilisierung der Wählerschaft, die bei dem Thema „Präzisierung der Menschenrechte“ schwerlich zu erwarten steht.
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Dänemark ist seit einer großen Gemeindereform im Jahre 2007 verwaltungsmäßigin fünf Regionen (regioner) aufgeteilt, deren Aufgaben im Wesentlichen auf das Krankenhauswesen, den öffentlichen Nahverkehr sowie die Regionalentwicklung beschränkt ist. Daneben bestehen 98 Gemeinden (kommuner). Repräsentativorgan auf Gemeindeebene sind die gewählten Regional- und Gemeindevertretungen (regionalråd und byråd), in der Hauptstadt Kopenhagen die Bürgervertretung (borgerrepræsentationen). In den einzelnen Stadtteilen der Hauptstadt existieren Lokalausschüsse (lokaludvalg), die als Bindeglied zwischen den Bürgern der jeweiligen Stadtteile und der Bürgervertretung Kopenhagens fungieren, der Bürgervertretung Vorschläge vorlegen können und u.a. bei der Ausarbeitung von Plänen zur Stadtteilentwicklung mitwirken. Auf lokaler Ebene werden staatliche Aufgaben durch Staatsverwaltungen (statsforvaltningerne), die selbstständige regionale Institutionen sind, aber organisatorisch dem Innen- und Gesundheitsministerium unterstehen, ausgeübt. Die Staatsverwaltungen üben die staatliche Kontrolle zusammen mit den Gemeinden aus und sind in einer Reihe von Bereichen, etwa auch in Bezug auf Entscheidungen der Gemeinden nach dem Baugesetz, Beschwerdeinstanz. Die Staatsverwaltung ist außerdem in familienrechtlichen Angelegenheiten tätig.
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Gegenwärtig werden konkrete Überlegungen zu einer Neustrukturierung der Verwaltung angestellt. Es wird erwogen, die – erst 2007 eingeführten – Regionen wieder abzuschaffen, vor allem um das Gesundheitswesen in staatlicher Regie zu steuern.
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Der Gerichtsaufbauist im Prozessgesetz geregelt. Zum 1.1.2007 fand eine umfassende Gerichtsreform statt. Gericht erster Instanzist das Stadtgericht (byretten). Daneben urteilt in Kopenhagen ein Fachgericht für See- und Handelsrecht (sø- og handelsretten), das neben See- und Handelssachen auch in Konkursstreitigkeiten und in Fällen der Schuldensanierung sowie in gewissem Umfang in Immaterialrechtsstreitigkeiten zu befinden hat. Gegen Entscheidungen des See- und Handelsgerichts kann unmittelbar der Oberste Gerichtshof angerufen werden. Gerichte der zweiten Instanzsind die beiden Landgerichte – das „Vestre Landsret“ in Viborg mit Jurisdiktion über die Gerichte erster Instanz in Jütland, und das „Østre Landsret“ in Kopenhagen mit Jurisdiktion für den Rest des Landes. Die Landgerichte können als Rechtsmittelgericht gegen Entscheidungen der Stadtgerichte angerufen werden. Dritte und letzte Instanz ist der Oberste Gerichtshof (højesteret) mit Sitz in Kopenhagen. Obwohl das Grundgesetz die Errichtung von Verwaltungsgerichteninzident erlaubt, kennt Dänemark kein Verwaltungsgerichtssystem. Alle Klagen gegen die Verwaltung oder die Regierung werden vor den allgemeinen Gerichten verhandelt, es sei denn, entsprechende Klagen sind ausdrücklich gesetzlich für unzulässig erklärt worden. Den Gerichten als Justizorgan vorgeschaltet sind in vielen Fällen übergeordnete Verwaltungsorgane, bisweilen ein gerichtsähnlicher Beschwerdeausschuss. Des Weiteren kann ein vom Parlament bestellter Ombudsmannauf Beschwerden hin – oder aus eigenem Entschluss heraus – untersuchen, ob die Verwaltung geltendes Recht verletzt hat bzw. andere Fehler oder Versäumnisse vorliegen.
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