[43]
Zurückhaltender Satzger Handbuch des Fachanwalts Strafrecht, Teil H, Kap. 3 Rn. 66 ff.; Ignor/Matt/Weider in MAH Strafverteidigung, Teil C, § 13 Rn. 86 unter Berufung u. a. auf Schünemann : Den Amtsträgern seien (Haupt-)Taten nach §§ 339 oder 258a StGB kaum einmal nachzuweisen. Bei den im Text geschilderten Beispielen dürfte das nicht so klar sein.
[44]
Vgl. insbesondere Teil 3 ( Rn. 417 ff.).
[45]
Um nicht zu sagen: technokratische.
[46]
Das klingt bei manchen Autoren in der Tat an, so z.B bei Fischer NStZ 2007, 433 oder Weßlau StV 2006, 357 ff., 358 f. Bedenken kommen demgegenüber bezeichnenderweise in vielen Veröffentlichungen von Strafverteidigern zum Ausdruck, vgl. z. B. Gatzweiler NJW 1989, 1903 ff.; ders. StraFo 2001, 187 ff.; Weider StraFo 2003, 406 ff., 409, letzterer u. a. mit dem völlig zutreffenden Hinweis, dass für Verteidiger eine große Versuchung etwa darin bestehen kann, Absprachen durchzuführen, um die eigenen Nerven und Ressourcen zu schonen; vgl. zur Verantwortung des Verteidigers auch Widmaier StV 1986, 357 ff.
[47]
Zutreffend Meyer-Goßner StraFo 2001, 73. Das sachgerechte Verhalten im konkreten Fall wird im Schrifttum relativ selten näher eigens thematisiert, wirft aber zahlreiche Probleme und Zweifelsfragen auf, auf die im Text noch vielfach zurückzukommen sein wird.
[48]
Die Alternative zur aus Sicht des Verteidigers unvertretbaren Absprache besteht nicht darin, zum Schaden des Mandanten entsprechende Angebote auszuschlagen, sondern den Mandanten umfassend zu informieren und, strebt dieser den „Deal“ trotzdem an, das Mandatsverhältnis zu beenden sowie ihm ggf. einen weniger skrupulösen Kollegen zu empfehlen. Das wird merkwürdigerweise oft übersehen. Möglicherweise halten manche Autoren es für unrealistisch, dass Verteidiger diese Konsequenz tatsächlich ziehen. An sich handelt es sich aber um einen wirtschaftlich im Einzelfall zwar zuweilen schmerzhaften, aber dennoch unspektakulären Vorgang, der in anderen Konstellationen, in denen die Fortführung des Mandats rechtliche Probleme aufwirft, gang und gäbe ist; so z. B. beim Auftreten von (auch kanzleiweiten) Interessenkollisionen.
[49]
Eine solche findet sich beispielsweise bei Rückel NStZ 1987, 297 ff. Zumindest in der Tendenz potentiell missverständlich insoweit auch Satzger Handbuch des Fachanwalts Strafrecht, Teil H, Kap. 3 Rn. 3, wo sich eine tabellarische Übersicht über „mögliche Abspracheinhalte und Beteiligte“ findet, die beispielsweise den Rechtsmittelverzicht oder die „Zusage einer konkreten Strafhöhe“ beinhaltet. Im weiteren Text wird zwar deutlich, dass Satzger die rechtliche Problematik solcher Inhalte sieht. Es ist aber zu befürchten, dass zumindest der oberflächliche Leser bei der Übersicht zu den „möglichen“ Gesprächsinhalten stehen bleibt. Auch dies soll durch die hier gewählte Form vermieden werden.
[50]
Manche meinen allerdings, auch die Vereinbarung einer Verfahrenserledigung per Strafbefehl sei anrüchig. So sprach Fischer in der 6. Auflage des Karlsruher Kommentars zur Strafprozessordnung (§ 407 Rn. 8b) davon, dies schade „dem Ansehen des Rechtsstaats mehr, als ein geringfügiger Entlastungseffekt positiv bewirken kann“. Das wird allerdings explizit nur auf Freiheitsstrafen bezogen und vor allem damit begründet, die für die Bewährungsaussetzung notwendigen Prognoseentscheidungen passten schlecht zu dem summarischen Charakter des Strafbefehlsverfahrens. Diese Position überzeugt nicht: Erstens stellt der Hinweis auf das „Ansehen des Rechtsstaats“ kein rechtliches Argument dar. Zweitens hat der Gesetzgeber die als problematisch angesehene Rechtsfolge für das Strafbefehlsverfahren vorgesehen, nicht die Rechtspraxis. Drittens besteht der Vorteil nicht nur in der Verfahrensbeschleunigung, sondern u. a. auch in der Schaffung von Rechtsfrieden und der Vermeidung für viele Beschuldigte äußerst belastender öffentlicher Verfahren. Viertens und letztens ist das Konsenselement der Sache nach im Gesetz angelegt und trägt – bei realistischer Betrachtung – zumindest mit zur materiellen Rechtfertigung des Schuldspruchs bei. In der Neuauflage des Karlsruher Kommentars findet sich in der Kommentierung von Maur die vorstehend zitierte Passage nicht wieder.
[51]
Vgl. dazu auch Altenhain/Haimerl JZ 2010, 327, 332 f.
[52]
Dass der „Erhalt einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege“ zunächst einmal eine „Staatspflicht“ ist (so Landau NStZ 2007, 121 ff., 128) trifft natürlich zu und wird zu selten betont, steht zu der im Text aufgestellten Behauptung aber nicht notwendig im Widerspruch.
[53]
Vgl. dazu Teil 3 (Rn. 239 ff.).
[54]
Treffend Weider StraFo 2003, 406 ff., 407: „Die Form ist der natürliche Feind der Willkür!“
[55]
Im weitesten und untechnischen Sinne verstanden und also beispielsweise auch die Reduktion der eigenen Arbeitsbelastung oder die Aufbesserung der Erledigungsstatistik umfassend.
[56]
Die Begriffe sind von Schünemann NJW 1989, 1895 entlehnt.
[57]
Wenn der Mandant es nicht ausdrücklich wünscht. Das ist aber bei vernünftiger Beratung selten der Fall. Wenn doch, stellt sich die Frage, ob der Verteidiger das ihm angesonnene Vorgehen vertreten kann.
[58]
Schünemann StraFo 2003, 293.
[59]
Zutr. Gatzweiler NStZ 1989, 1903 ff., 1905.
Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache
Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache
Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache› A. Vorbemerkungen zur Stärkung des dialogischen Elements in der StPO: §§ 160b, 202a, 212, 257b
A. Vorbemerkungen zur Stärkung des dialogischen Elements in der StPO: §§ 160b, 202a, 212, 257b
Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache› A› I. Übersicht
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Wie bereits oben[1] betont, befasst sich die gesetzliche Regelung der Verständigung im Strafprozess zentral mit der Urteilsabsprache. Die bereits früher bestehenden und praktisch enorm bedeutsamen Möglichkeiten konsensualer Verfahrensbeendigung, namentlich die §§ 153 ff., die Diversion im Jugendstrafverfahren und auch das Strafbefehlsverfahren, das zumindest der Sache nach Wahrheitsfindung durch Unterwerfung des Beschuldigten ersetzt, sind davon im Grundsatz nicht berührt.
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Allerdings hat der Gesetzgeber es für richtig gehalten, noch zusätzliche Vorschriften in die StPO aufzunehmen, die die Urteilsabsprache nicht unmittelbar betreffen und durch die die Möglichkeit konsensualer Verfahrensweisen im deutschen Strafprozessrecht nunmehr ausdrücklich vorgesehen wird.
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Der Regelungsgehalt ist allerdings sehr begrenzt:
Regelungsgehalt der §§ 160b, 212, 257b
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§ 160b und § 202a bestimmen im Grunde nur, dass im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft, im Zwischenverfahren das Gericht, mit den Verfahrensbeteiligten „den Stand des Verfahrens erörtern“ kann, „soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern“, und dass „der wesentliche Inhalt“ jeweils aktenkundig zu machen ist. |
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§ 212 verweist für das Stadium nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf § 202a und |
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§ 257b betrifft die Erörterung des Verfahrensstandes während der Hauptverhandlung. |
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Analysiert man die Vorschriften genauer, so zeigt sich, dass sie im Wesentlichen deklaratorischen Charakter haben: Dass man miteinander sprechen darf, hatte noch nie jemand bezweifelt, und dass niemand dies tun wird, wenn es aus seiner Sicht nicht „geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern“, liegt auf der Hand. Auch die Einschränkung in § 202a, eine Erörterung dürfe nur stattfinden, sofern das Gericht „erwägt“, das Hauptverfahren zu eröffnen, ist keine: Zum einen kann das Gericht nach wie vor Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufnehmen, um eine Nachbesserung der Anklageschrift anzuregen.[2] Zum anderen wird diese Vorschrift nie praktisch werden, weil das Gericht dann, wenn es ohnehin schon sicher weiß, wie es sich verhalten will, kaum Gespräche mit den anderen Verfahrensbeteiligten als förderlich ansehen wird. Dementsprechend entspricht es der h.M., dass das Gericht jedenfalls dann i.S.d. § 202a die Eröffnung erwägt, wenn es auch die Nichteröffnung erwägt.[3]
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