Eine Berichtigungdes im Zeitpunkt des Leistungsbezugsgeltend gemachten Vorsteuerabzugshat nach § 15a UStG dann zu erfolgen, wenn die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind:
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ein Wirtschaftsgut muss dem Unternehmen auf eine gewisse Dauer dienen, |
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für die Anschaffung oder Herstellung dieses Wirtschaftsgutes müssen insgesamt Vorsteuern nach § 15 Abs. 1 UStG in Höhe von mehr als 250 EUR angefallen sein, |
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innerhalb des Berichtigungszeitraums muss eine vorsteuerrelevante Nutzungsänderung erfolgt sein.[57] |
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Gem. § 18 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 S. 2 UStG ist die Vorsteuerberichtigungnach § 15a UStG für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, für den sich eine Änderung der Verhältnisse ergibt. Sofern in der Vergangenheit bei wesentlichen Investitionen Nutzungsänderungen innerhalb des maßgeblichen Berichtigungszeitraums eingetreten sind und eine Vorsteuerberichtigung unterblieben ist, führt dies möglicherweise zu Diskussionen mit dem Betriebsprüfer. Daraus können eine rückwirkende anteilige Versagung des Vorsteuerabzugs ab dem Zeitpunkt der Nutzungsänderung sowie die Verzinsung des Steueranspruchs gem. § 238 AO mit 6 % p.a. folgen.
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Gerade bei größeren Investitionen mit hohem Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezugs können sich aus einer geänderten Verwendung steuerliche Konsequenzen ergeben, die mit der steuerlichen Due Diligence aufgedeckt und quantifiziert werden müssen. Ausgangspunkt der Analyse kann die Zugangsliste für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögenssein. Für wesentliche Zugänge sind Informationen über die Höhe des Vorsteuerabzugs einzuholen, also entsprechende Buchungsbelege im Jahr des Zugangs einzusehen. Schließlich sind Nutzungsänderungenim Vergleich zur beabsichtigten Nutzung im Zeitpunkt des Zugangs zu hinterfragen.
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Steuerliche Risiken und eine Versagung des Vorsteuerabzugs können aber auch aus der Verletzung der Dokumentationspflichtennach § 22 UStG resultieren. Falls die dort genannten Nachweise nicht oder nicht vollständig erbracht werden, drohen Umsatzsteuernachzahlungen, wenn die Aufzeichnungen nicht nachprüfbar sind. Folglich sollte im Rahmen der Tax Due Diligence auch die Qualität der vorhandenen Dokumentationen beurteilt werden.
5. Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben
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Die Prüfung dieses Gebietes ist im Wesentlichen eine „Compliance“-Prüfung, deren Umfang sich maßgeblich nach dem Umfang des Personalbestandes der Zielgesellschaft richtet.
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Für den Erwerber können sich in diesem Bereich insbesondere dann steuerliche Risiken ergeben, wenn in der Vergangenheit den Anmeldepflichten nicht nachgekommen wurde oder wenn lohnsteuerlich relevante Sachverhalte nicht zutreffend gewürdigt wurden. Werden im Rahmen von Lohnsteueraußenprüfungen, die i.d.R. nicht mehr als drei Besteuerungszeiträume umfassen, Unregelmäßigkeiten festgestellt, können sich hieraus Risiken für den Erwerber ergeben. Grundsätzlich haftet der Arbeitgeber nach § 42d EStG für die korrekte Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer an den Fiskus.
Schwerpunkte der Lohnsteueraußenprüfungsind regelmäßig
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Besteuerung aller lohnsteuerpflichtigen Bezüge, |
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zutreffende Berechnung und Einbehaltung der Lohnsteuer, |
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Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer, |
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Erfüllung von Anzeige- und Bescheinigungspflichten, |
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Einhaltung von Mindestlohnvorschriften, |
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Scheinselbstständigkeit. |
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Im Rahmen der Tax Due Diligence sind die elektronisch vorzunehmenden Lohnsteueranmeldungeneinzusehen. Zudem ist die zeitnahe Abführung der Steuer zu überprüfen. Der Anmeldezeitraum für die Lohnsteuer richtet sich nach dem jeweiligen Lohnsteueraufkommen des Vorjahres, ebenso die Meldung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Hierbei sollte ein besonderes Augenmerk auf den Umfang von berichtigten Anmeldungen gelegt werden. Der Umfang der Korrekturen bereits einmal eingereichter Anmeldungen kann ein Indiz für Fehleranfälligkeit und fehlende Kompetenz sein.
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Neben der Prüfung der Einhaltung des Meldeverfahrens sollten besondere Risikobereiche analysiert werden. Dazu gehören die Lohnsteuerpauschalierung bei Teilzeitkräftennach § 40a EStG oder Beschäftigungsverhältnisse im Grenzbereich zwischen Selbstständigkeit und Anstellung. Nach § 40a EStG kann der Arbeitnehmer bei kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissendie Lohnsteuer mit einem Pauschalsteuersatz von 25 % des Arbeitslohns erheben. An die Pauschalierung werden jedoch Dokumentations- und Nachweispflichten geknüpft, die regelmäßig Gegenstand von Lohnsteuer-Außenprüfungen sind. Deren Einhaltung ist ebenso zu überprüfen wie die Einhaltung der steuerlichen und ggf. sozialversicherungsrechtlichen Pauschalierungs- bzw. Geringfügigkeitsgrenzen.
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Die Prüfung von Beschäftigungsverhältnissen im Grenzbereich zwischen Selbstständigkeit und Anstellung zielt darauf ab, Risikenzu identifizieren, die sich aus Scheinselbstständigkeitenergeben. Insbesondere dann, wenn ein Unternehmen verstärkt mit Freiberuflern zusammenarbeitet, z.B. Ingenieuren oder Architekten, können die Kriterien für eine Scheinselbstständigkeit erfüllt sein. Hierfür sprechen Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber, Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und Einbeziehung in den betrieblichen Ablauf. Der Scheinselbstständige trägt keine Unternehmerinitiative und kein Unternehmerrisiko und erhält ein festes Entgelt.
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Aus einer Scheinselbstständigkeit resultiert für den Erwerber das Risiko, dass fürScheinselbstständige Sozialabgaben abzuführen sind. Lohnsteuerliche Konsequenzen können sich dann ergeben, wenn die Arbeitnehmereigenschaft[58] zu bejahen ist. Der Arbeitgeber haftet dann für die abzuführende Lohnsteuer.
[1]
Fluck/Roos S. 11.
[2]
IDW (Hrsg.) WPH Edition, Kap. H, Rn. 182.
[3]
Trimborn S. 477.
[4]
Trimborn S. 482.
[5]
Zur gewerbesteuerlichen Organschaft Rn. 174; zu den rechtlichen Voraussetzungen der Organschaft sowie die Instrumente der Konzernbildungskontrolle vgl. die Ausführungen im 5. Kap. Rn. 46 ff. und Rn. 70 ff.
[6]
Hierzu ausführlich Rotthege Rn. P 41 ff. sowie 5. Kap. Rn. 44 ff.
[7]
Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon/ Leicht Rn. 1.
[8]
§ 14 Abs. 1 S. 1 KStG.
[9]
Blümich /Krumm § 17 KStG, Rn. 23 f.
[10]
BFH DStR 2010, 1777; Rödder DStR 2010, 1218 f.
[11]
IDW (Hrsg.) WPH Edition, Kap. H, Rn. 219 f. Erforderlich ist ein dynamischer Verweis auf § 302 AktG („in der jeweils gültigen Fassung“).
[12]
Rüsken § 73, Rn. 7.
[13]
IDW (Hrsg.) WPH Edition, Kap. H, Rn. 207.
[14]
KStR R 8.5 Abs. 1 und R 8.9 Abs. 1.
[15]
KStR R 8.9 Abs. 2.
[16]
Trimborn S. 485.
[17]
Gosch § 8 Rn. 312.
[18]
KStH H 8.5 III „Rückwirkende Vereinbarung“.
[19]
KStH H 8.5 IV „Darlehensgewährung“.
[20]
BFH BStBl II 1990, 645.
[21]
BFH BStBl II 1985, 345.
[22]
Krüger/Kalbfleisch DStR 1999, 179; Gosch § 8 Rn. 858.
[23]
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