4.5 Bewertung der Binding Offers
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Die Hauptaufgabe des Veräußerers und seiner Berater in dieser Phase liegt in der systematischen Bewertungder eingegangenen Angebote. In vielen Fällen zeigt sich, dass der gebotene Kaufpreis sich in einer recht engen Bandbreite befindet. In solchen Fällen kommt anderen kaufpreisrelevanten Teilen, wie dem Kaufpreisanpassungsverfahren (Purchase Price Adjustment) und den Definitionen der relevanten Kaufpreisdefinitionen (Cash, Debt, Working Capital) eine wichtige Bedeutung zu. Daneben steigt auch die Bedeutung anderer vertraglicher Bestimmungen, insbesondere der Haftungsregelungen. Hier spielt es für den Verkäufer eine wichtige Rolle,
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welche vertraglichen Garantien der Käufer zusätzlich zu den angebotenen Garantien einfordert, |
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welche Beschränkungen der Haftung sich der Bieter vorstellen kann (im Hinblick auf De-minimis-Regelungen, Freigrenzen, Haftungshöchstbeträge, aber auch Anrechnungsmechanismen bei der Schadensberechnung), |
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welche Wissenszurechnung für den Käufer akzeptabel ist (beispielsweise, ob der Inhalt des Datenraums als bekannt gilt und daher die Haftung des Verkäufers ausschließt), |
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ob der Käufer spezielle Freistellungen für bekannte Sachverhalte (in der Regel für Steuersachverhalte und umweltrechtliche Sachverhalte) wünscht, |
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ob es Aspekte gibt, die einen schnellen Vollzug der Transaktion gefährden können (Verzögerungen bei gesellschaftsrechtlichen Genehmigungen des Käufers, Verzögerungen bei der Finanzierung) und schließlich, |
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ob es Unterschiede im Zusammenhang mit den relevanten Kartellfreigaben gibt (insbesondere, ob es bei einem Bieter materielle Probleme gibt, die es bei anderen Bietern nicht gibt; eine solche Situation kann insbesondere in der Abgrenzung zwischen strategischen und Finanzinvestoren auftreten). |
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Während dieser Phase wird mit einem oder mehreren Bietern (zeitgleich) verhandelt, im Idealfall bis zum Signing des SPA mit einem der Bieter. Verbleibende Bieter werden hier regelmäßig die Gewährung einer (teilweise auch sehr kurzen) Exklusivitätsperiode verlangen. Für den Veräußerer stellt sich dann regelmäßig die Frage, ob er den Wettbewerb zwischen mehreren Bietern aufrecht erhalten möchte oder sich für den aus seiner Sicht attraktivsten Bieter entscheidet und diesem eine Exklusivitätsfrist einräumt. Das gleichzeitige Verhandeln mit mehreren Bietern ist schon logistisch vielfach ein Problem. Verhandlungen können entweder nacheinander (an verschiedenen Orten?) erfolgen. Alternativ bietet sich die Bildung mehrerer Verhandlungsteams an. Auch dieses Verfahren bringt jedoch erhebliche logistische Herausforderungen mit sich, da sich die Verhandlungsteams zu einem gewissen Zeitpunkt abstimmen müssen. Wird eine Exklusivität gewährt, besteht andererseits die Gefahr, dass sich verbleibende Bieter zurückziehen und der ausgewählte Bieter versucht, die bislang angebotenen Konditionen nachzuverhandeln.
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Bei grundsätzlicher Gewährung einer Exklusivität stellt sich die Frage, ob die Exklusivität lediglich den Abschluss der gleichen Transaktion mit einem Dritten verbietet (sog. „No Shop“) oder ob während dieser Zeit keinerlei Verhandlungen mit Dritten über den Kaufgegenstand stattfinden (Standardfall, sog. „No Talk“). Schließlich ist zu entscheiden, ob Vertragsstrafen (Breakup-Fees) für den Nichtabschluss der Transaktion vereinbart werden.[11] Die Zulässigkeit von Breakup-Fees hängt im Grundsatz von ihrer Höhe ab. In Käufermärkten wird hin und wieder auch über Klauseln gesprochen, die einen Kostenersatz für die Bieter bei Abbruch der Verhandlungen durch den Veräußerer vorsehen.
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In dieser Phase, die mit dem Vollzug der Transaktion endet, gibt es keine Besonderheiten im Vergleich zu Transaktionen zwischen zwei Parteien. Die Auktion hat mit dem Signing ihr Ende gefunden.
[1]
Gran NJW 2008, 1409, 1410; Picot Handbuch Mergers & Acquisitions, I. 6., S. 30.
[2]
Geyrhalter/Zirngibl/Strehle DStR 2006, 1559, 1562.
[3]
Picot Handbuch Mergers & Acquisitions, I. 6., S. 31; Gran NJW 2008 1409, 1410.
[4]
Münchener Vertragshandbuch/ von Hoyenberg Bd. 2 S. 22 f.
[5]
Picot Mergers & Acquisitions, I.6., S. 32.
[6]
Holzapfel/Pöllath Rn. 690; Gran NJW 2008, 1409, 1411.
[7]
Picot Mergers & Acquisitions, VII. 3., S. 188 f.
[8]
Semler/Volhard/ Dietzel § 9 Rn. 173; Spill DStR 1999, 1786, 1787.
[9]
Kolb/Görtz M&A Review 1999, 469, 470; Gran NJW 2008, 1409, 141.
[10]
MünchKomm BGB/ Westermann § 442 Rn. 4.
[11]
Hilgard BB 2008, 286 ff.; Picot Mergers & Acquisitions, X. 17., S. 362.
1. Kapitel Vorbereitung und Ablauf des Unternehmenskaufs bei der GmbH› C. Aufgaben der Berater
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Unternehmenskäufe bedürfen einer umfassenden Beratung, Planung und Koordination. Frühere Konstellationen, in denen der Hausnotar, assistiert von dem zumeist langjährigen persönlichen Steuerberater des Unternehmers, eine Transaktion vorbereitete und durchführte, sind nicht mehr state of the art. Die rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen sind zu komplex, als dass man sie einzelnen Beratern übertragen könnte. Ausnahmen mögen diese Regel bestätigen. Auch im mittelständischen Bereich erweist es sich fast immer als notwendig und auch sachgerecht, ein Beraterteam zu formieren, dessen Mitglieder ihr Fachwissen beisteuern. Bei größeren Transaktionen müssen anwaltliche Projektteams gebildet werden, deren Mitglieder sich zum einen mit Spezialfragen(z.B. Steuerrecht, Kartellrecht, Arbeitsrecht) und zum anderen mit projektbezogenen Einzelfragen befassen, die sich häufig erst im Rahmen der Transaktion als Problem herausstellen. Die Delegation solcher Spezialfragen auf Mitglieder des Beraterteams hilft, die Transaktion in dem geplanten Zeitrahmen umzusetzen.
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Werden Tochtergesellschaften aus einem Konzern veräußert, agiert zumeist ein Mitglied der Geschäftsführung als Verhandlungspartner. Hat das Tochterunternehmen eine eher untergeordnete Bedeutung im Konzern, handelt häufig die untergeordnete Führungsebene.
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Berater müssen mit den zuständigen Stellen des Unternehmens eng zusammenarbeiten; auf deren Zuliefer-Arbeit sind sie angewiesen. Um diese Managementaufgabe zu bewältigen, wird häufig sowohl auf Käufer- wie auch auf Verkäuferseite ein sog. Steering Committeegebildet, dessen Leitung dem Hauptverantwortlichen für die Transaktion obliegt. Bei mittelständischen Unternehmen ist dies fast immer ein Geschäftsführer. Neben weiteren zuständigen Mitarbeitern aus dem Unternehmen gehören dem Steering Committee typischerweise der Vertreter einer etwa eingeschalteten Investmentbank, ein akquisitionserfahrener Anwalt sowie ein in diesem Bereich qualifizierter Wirtschaftsprüfer/Steuerberater an.
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Das Steering Committee begleitet die Transaktion von der Planung bis zur Umsetzung. Seine Aufgabe besteht darin, alle im Rahmen der Transaktion auftauchenden Sachfragen in einem Kreis kompetenter Ansprechpartner zu erörtern und einer Entscheidung zuzuführen. Dem Steering Committee obliegt die Gesamtverantwortung für die Transaktion, Detailfragen kann es an spezialisierte Unternehmenseinheiten oder externe Berater delegieren.[1]
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