4. Vorratsgründung und Mantelkauf
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Eine Vorratsgründung liegt vor, wenn sich aus dem Unternehmensgegenstand schließen lässt, dass die GmbH nur gegründet wurde, um sie später mit einem dann zu bestimmenden anderen Unternehmensgegenstand zu verwenden.[10]
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Bei der offenenund damit zulässigen[11] Vorratsgründungist Gegenstand der GmbH die Verwaltung eigenen Vermögens. Wird diese Vorrats-GmbH später verwendet, wird der Unternehmensgegenstand im Wege einer Satzungsänderung neu definiert. Gleichzeitig sind die der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbHG anzuwenden, weil die spätere Verwendung einer Vorratsgründung wirtschaftlich eine Neugründung darstellt.[12] Die gem. § 54 GmbHG eintragungspflichtigen Änderungen des Unternehmensgegenstandes, der Firma, des Gesellschaftssitzes sowie die Neubesetzung der Organe sind Indizien für das Registergericht, dass es sich um eine wirtschaftliche Neugründunghandelt.[13]
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Zudem ermöglicht es die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft,[14] Gesellschaften mit einem Stammkapital von nur einem EUR zu gründen, vorzuhalten und auf das gesetzliche Mindeststammkapital von 25 000 EUR zu erhöhen, sobald die Gesellschaft eine wirtschaftliche Verwendung findet.
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Bei einem Mantelkauf werden sämtliche Geschäftsanteile einer GmbH, die ihren Geschäftsbetrieb noch nicht aufgenommen („Vorratsgesellschaft“) oder eingestellt hat, erworben. Die Gesellschaft verfügt in der Regel über kein nennenswertes Vermögen.[15]
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Für die Trennung der Mantelverwendung von der „bloßen“ Umorganisation bzw. Sanierung einer (noch) aktiven GmbH ist entscheidend, ob die Gesellschaft noch ein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs in irgendeiner wirtschaftlichen Weise anknüpft (Umorganisation). Handelt es sich tatsächlich um einen leer gewordenen Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb, der nur dazu dient, ohne rechtliche Neugründung einer Kapitalgesellschaft eine neue Geschäftstätigkeit aufzunehmen, liegt eine Mantelverwendung vor.[16]
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Der rechtlich zulässige[17] Mantelkauf kann zu einer Umgehung der Gründungsvorschriftenführen, wenn die übernommene GmbH nicht mehr über ausreichendes Haftkapital verfügt und ihre neuen Gesellschafter kein frisches Kapital zufügen. Die Gläubiger sind dann stärker gefährdet und daher schutzbedürftiger als bei der Verwendung einer Vorrats-GmbH. Deshalb sind auch bei der Verwendung eines Mantels die Gründungsvorschriften einschließlich der registerlichen Kontrolle anzuwenden.[18]
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Der neue Geschäftsführer hat entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG bei der Anmeldung der Veränderungen zum Handelsregister zu versichern, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und sich weiterhin in seiner freien Verfügung befinden. Bei erheblichen Zweifeln hieran kann der Registerrichter Nachweise verlangen (§ 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG), z.B. dass die Hälfte des Mindeststammkapitals (§ 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG) noch vorhanden ist.[19]
4.3 Rechtsfolgen der wirtschaftlichen Neugründung
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Wird ein GmbH-Mantel verwendet oder eine Vorratsgesellschaft aktiviert ohne Beachtung des Gründungsrechts, bestehen nach der Rechtsprechung des BGH folgende Haftungsrisiken:[20]
– |
Die reale Kapitalaufbringung muss gesichert sein durch Anwendung der Unterbilanzhaftung. Stichtag ist der Tag der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister. |
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Wenn die Geschäfte vor der Offenlegung aufgenommen werden, ohne dass alle Gesellschafter zugestimmt haben, greift die Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG. Diese endet erst, wenn sämtliche die Umgründung ausmachenden eintragungspflichtigen Tatsachen (Änderung des Unternehmensgegenstandes und der Firma, Verlegung des Gesellschaftssitzes und Neubestimmung der Organmitglieder) in das Handelsregister eingetragen sind. Wegen dieser Haftungsrisiken sollte folgendes beachtet werden: – Der Vermögensstatus der GmbH sollte vor Anmeldung der Satzungsänderung zum Handelsregister ermittelt werden. Fehlendes Kapital muss neu eingezahlt werden. – In der Anmeldung zum Handelsregister ist auf die Übernahme von Vorratsgesellschaft bzw. Mantel hinzuweisen. Gleichzeitig ist die Versicherung abzugeben, dass im Zeitpunkt der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung ein Viertel des statutarischen Stammkapitals und zugleich die Hälfte des Mindeststammkapitals unversehrt vorhanden ist (§ 8 Abs. 2 GmbHG). |
[1]
RGZ 63, 57 (62); 67, 86 (88); Römermann/ Picot Münchener Anwaltshandbuch GmbH, § 21 Rn. 35-38.
[2]
Vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf BT-Drucks. 14/6040, 242: Unternehmenskauf = „sonstiger Gegenstand“; Römermann /Picot Münchener Anwaltshandbuch GmbH, § 21 Rn. 35-38.
[3]
Ist hingegen eine Gesellschaft Erwerberin des Unternehmens, bieten die §§ 2 ff. UmwG eine Vereinfachung gegenüber der Singularsukzession.
[4]
Hiddemann ZGR 1982, 435, 438; MünchKomm BGB/ Westermann § 433 Rn. 14.
[5]
Zur Definition des Unternehmenskaufs zuletzt BGH NJW 2002, 1042, 1043.
[6]
So schon RGZ 129, 283; BGH WM 1969, 67 und WM 1970, 819.
[7]
Im Fall eines 60 %igen Beteiligungserwerbs hat der BGH mangels satzungsändernder Mehrheit einen reinen Rechtskauf angenommen, BGH NJW 2019, 145; vgl. auch die Ausführungen im 9. Kap. Rn. 53 ff.
[8]
Vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG (Anteilsvereinigung).
[9]
Zu den Steuern beim Unternehmenskauf vgl. 8. Kap.
[10]
Scholz/Cziupka § 3 Rn. 21.
[11]
Grundlegend BGHZ 117, 323, 331 = ZIP 1992, 689; BGH GmbHR 2003, 226; vgl. die Entscheidung zur Vorrats-AG BGHZ 117, 323 ff. = NJW 1992, 1824.
[12]
BGH BB 2003, 324 = ZIP 2003, 251 = GmbHR 2003, 227 und auch OLG Schleswig-Holstein GmbHR 2002, 1135. Das befreit allerdings die Vorratsgesellschaft selbst bei deren Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister nicht von der Einhaltung der Kapitalaufbringungsvorschriften: OLG Schleswig GmbHR 2003, 1058.
[13]
BGH ZIP 2011, 1761 Rn. 7; BGH GmbHR 2003, 1125, 1127.
[14]
Vgl. oben Rn. 25 ff.
[15]
Maier Beck‘sches Steuer und Bilanzrechtslexikon, Rn. 1.
[16]
BGH GmbHR 2003, 1125, 1127.
[17]
BGHZ 155, 318 = NZG 2003, 972; OLG Karlsruhe DB 1978, 1219 (1220); OLG Frankfurt GmbHR 1992, 456.
[18]
BGH GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1698 = DB 2003, 2055.
[19]
BGH GmbHR 2003, 1125, 1127, Stichtag ist dann der Tag der Offenlegung gegenüber dem Handelsregister.
[20]
BGH GmbHR 2003, 1125, 1127 und 1128; dazu Heyer/Reichert-Clauß NZG 2005, 193 f.
1. Kapitel Vorbereitung und Ablauf des Unternehmenskaufs bei der GmbH› B. Ablauf und Beteiligte
B. Ablauf und Beteiligte
I. Phasen des Unternehmenskaufs
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Den typischen Unternehmenskauf gibt es in der Praxis nicht. In jeder Transaktion führt eine Vielzahl von Besonderheiten dazu, dass kein Unternehmenskauf dem anderen vollständig gleicht. Gleichwohl haben sich in der Praxis folgende typische Phasen einer Akquisition herausgebildet:
Phase 1erfasst den Zeitraum vor dem Kontaktzwischen dem potenziellen Erwerber und den Veräußerern des potenziellen Zielunternehmens. Jede Seite bestimmt hier für sich die rechtlichen, wirtschaftlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für die geplante Transaktion. Der Verkäufer legt die Voraussetzungen fest, unter denen er bereit ist, sein Unternehmen zu veräußern, insbesondere natürlich den angestrebten Verkaufserlös. Der Kaufinteressent dagegen sondiert in dieser Phase geeignete Zielunternehmen und prüft die Möglichkeiten ihres Erwerbs. Hat der Veräußerer den Entschluss, das Unternehmen zu verkaufen, endgültig gefasst, wird er sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit erforderlichen Umstrukturierungen befassen. Solche Umstrukturierungen können notwendig sein, um den Verkaufsgegenstand später leichter aus der Unternehmensgruppe des Veräußerers herauslösen zu können oder ihn auch attraktiver für potenzielle Erwerber zu machen.[1]
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