GYGES ( erhebt sich, wie ermüdet ): Nun bin ich müde, laß mich gehn.
CANDAULES ( hält ihn am Gewand zurück ): Gyges … verlangt es Dich, die Königin zu sehn?
GYGES ( macht sich los ): Nein.
CANDAULES: Gyges, ich will Dir Nyssia zeigen.
GYGES ( wendet sich heftig zu Candaules ): Aber ich will sie nicht sehn.
CANDAULES ( leise ): Ach! Wenn Du sie angesehen hättest …!
GYGES: Liebst Du sie denn nicht?
CANDAULES: Oh – mehr als mich selbst! Sie dürfte es auch nicht wissen … Und wie sie mich liebt …! Das soll Dir ihre Schönheit sagen – doch hör's ganz leise: ( Er neigt sich Gyges ans Ohr. ) Niemals, niemals hab' ich nach anderen Frauen begehrt … Ihr Antlitz, was ist ihr Antlitz … Wenn Du wüßtest, Gyges!… Und ihre Wollust … Und wenn Du sie da hörtest … Ich leide, hör' ich ein andres Weib loben und sag' zu mir: das ist nur, weil sie Nyssia nicht kennen. – Gyges … willst Du Nyssia kennen?
GYGES: Du willst mich auf die Probe stellen? – Ich versteh' Dich nicht.
CANDAULES: So schlimmer. Lassen wir's. Das Kleinod, das ich Dir um den Nacken legte, – alle meine Diener kennen es und gehorchen dem, der es trägt. Es ist des Königs Halsband und ich schenk' es Dir. Zweifelst Du noch an meiner Freundschaft?
GYGES: So lange Du es bist, der immer gibt: ja … Entlaß mich nun, ich möchte schlafen.
CANDAULES ( ein wenig erregt ): Später, später! – Bleib, Gyges. Hör: – Du hast mir auch etwas gegeben.
GYGES: Ich?
CANDAULES: So setz' Dich doch!… Bleib noch ein wenig. ( Gyges setzt sich halb. ) Siehst Du den Ring? Gestern noch, da machte ich nicht viel daraus. Nur, weil ich seinen Wert nicht kannte. Doch waren da zwei Worte eingegraben, die machten mich, wie auch die sonderbare Herkunft unruhig. Er war im Fleisch des Fisches, den Du gestern fingst. Einer fand ihn in einem Bissen und gab ihn mir. Ich aber war erstaunt, verwirrt, und tat den Schwur, nicht früher den Ring an meine Hand zu stecken, bevor ich nicht den Fischer sprach, dem wir den Fisch auf unserer Tafel dankten. – Du kamst. Wir sprachen. Und des Mahles blutiges Ende ließ mich den Ring vergessen, bis heute Morgen – ich war mit meinen Gästen – da steckt' ich ihn gedankenlos an meinen Finger. Auf einmal: «Wohin entfloh Candaules?» sprach einer. Ein anderer: «Er war im Augenblick noch unter uns», «Wo ist er? Wo steckt er denn? Er ist verschwunden, fort!» Und doch hatt' ich mich nicht vom Fleck gerührt. Ich sah die Herren neben mir, ganz nah, wie ich bei Dir … doch sie, sie sahn mich nicht. Und voll Entzücken ward ich betäubend so gewahr, daß mich der Ring unsichtbar machte. Stark genug, kein Wort zu sagen, schlich ich mich leise aus ihrer Mitte, und dachte gleich: der Ring, der ist von Gyges, meinem Freund, dem ich ihn schulde. – Da ist er!
GYGES: Wär' ich so Dein Freund, Candaules?
CANDAULES: Da – sieh mich an. ( Er steckt sehr deutlich auffallend den Ring an den Finger. )
GYGES: Oh! Wie ein Körnchen Salz, so schmilzst Du weg. – Die Luft, sie schließt sich über Dich – – Du verschwandest … Candaules? Bist Du da? – Wo bist Du denn?… Candaules … ( Sehr deutlich auffallend zieht Candaules den Ring vom Finger. – Es ist völlig unnütz, daß Candaules durch irgendwelche Maschinerie auch immer aus dem Blick der Zuschauer verschwindet. Worte und Gesten des Gyges genügen, anzuzeigen, daß er Candaules nicht mehr sieht. – Da Candaules seinen Ring wieder abgezogen hat, wirft sich Gyges vor dem König zu Füßen und zeigt so, daß er ihn wieder sieht. ) Ah! meine Augen!… Da bist Du! – Du verschwandest und erschienest wieder wie ein Gott, Candaules.
CANDAULES: Nicht wie ein Gott, Gyges – wie Du selber, wenn Du diesen Ring an Deinen Finger steckst … da …
GYGES ( besieht furchtsam den Ring und wagt es, ihn an den Finger zu stecken. )
CANDAULES: Wunder! Ein Traum entflieht nicht schneller den Augen des aufgewachten Schläfers … Geheimnisvoller Ring, verschwunden mit dem, den Du verschwinden läßt, schütze das Glück meines Freundes Gyges und verbirg es! – Bleib verborgen, Gyges!… Still! – Ich höre Nyssia! ( Er wendet sich auf ungefähr gegen den Platz, auf dem er Gyges gelassen und der leer ist, da Gyges, wie erfüllt von Entsetzen, zurückgewichen ) Bleib verborgen, Gyges. – Halt fest den Ring an Deinem Finger. Sei still! Sei wie die Luft unsichtbar. ( Er löscht noch eine Fackel. Der Saal ist nur noch ganz schwach erleuchtet von einer Fackel und dem Dämmer der Nacht, der von der Terrasse kommt. ) Seid Ihr es, Nyssia?
NYSSIA ( draußen: ) Geliebter?
CANDAULES: Kommt Ihr?
NYSSIA: Langsam. – Die Nacht ist schön … Komm, Candaules, sieh, was eine Süßigkeit hier draußen …
CANDAULES ( horcht auf die Worte, bleibt unbeweglich, wie bebend in trauriger Lust … Wie zu sich spricht er und wie in Tränen ): Nyssia? Meine Liebe – Nyssia, meine Geliebte! – Halte Dich, halte Dich, schwankender Gedanke!… Wein! Ist noch genug?… ( Er trinkt. ) Ich wurde schwach … ( Dann – ins Unbestimmte, Leere. ) Bleib' still! – Ich tu' Unsinniges …
Inhaltsverzeichnis
Nyssia kommt langsam, doch bleibt sie noch auf der Terrasse, die nur der Mond beleuchtet. Im Gemach selber nur eine Fackel. Ihr unsichtbar und instinktiv erschauert Gyges, da er Nyssia auf die Terrasse treten sieht; er geht ganz leise nach links und bleibt während der ganzen Szene halb im Dunkel verborgen. Candaules ist Nyssia entgegengegangen.
NYSSIA: Ich wär' schon lang bei Euch, doch glaubte ich Euch nicht allein. Es kam mir vor von Weitem, als hörte ich Euch sprechen.
CANDAULES: Ich sprach laut Verse von Syphax.
NYSSIA: Weshalb ließt Ihr die Gäste heut' allein?
CANDAULES: Sie fingen an, mich zu ermüden.
NYSSIA: Seit sie hier sind, sah ich Euch fast kaum … Ihr wißt nicht mehr allein zu sein. Liebt Ihr die Einsamkeit nicht mehr?
CANDAULES: Nein.
NYSSIA: Und fühlt Euch einsam auch mit mir?
CANDAULES: O Nyssia!
NYSSIA: Horcht! – Eure Musikanten in den Gärten – weshalb habt Ihr sie denn hinabgeschickt?
CANDAULES: Nur, um mit Euch allein zu sein …
NYSSIA: Von ferne so ist die Musik sehr schön – der Abendwind bringt sie uns her und trägt sie fort – horcht! – – nun hört man nichts sonst als die Stille. ( Am Arm des Candaules und immer zärtlicher an ihn geschmiegt. ) Wie waren diese Tage, diese Nächte mir ohne Euch so lang!
CANDAULES: Und mir nicht anders. Ich bin der Worte müd', des Singens, Lachens und warte nicht das Ende ab, zu Euch zu kommen.
NYSSIA: Und meine Liebe hungert, da Ihr fern seid, und ich leide, nicht mehr mit Euch allein zu sein. Ihr habt mich so an's Glück verwöhnt, Geliebter, so viel Ihr für mich tatet.
CANDAULES: Meine Nyssia, für Dich zu viel? Mehr jeden Tag und jeden Tag verliebter. Manchmal erschreck' ich, daß ich so wenig Deiner Lust zu finden weiß. Ach Alles, was Verliebtes diese Erde schuf, ich wollt', es sei von mir erschaffen. Doch – was tun?…
NYSSIA: Mich lieben.
CANDAULES: Ich bete zu Dir, Nyssia. Komm – es wird kühl hier. ( Er nimmt, nachdem er einen schweren Vorhang vor die Terrasse so gezogen, daß nur ein schmaler Streifen Licht von draußen hereinfällt, Nyssia den Königsmantel von den Schultern. )
NYSSIA ( wie sich hingebend ): Lösch' dieses Licht.
CANDAULES ( hält die Bewegung auf, die sie gegen die eine Fackel hin macht ): Laß – ich will Dich sehen.
NYSSIA: Eure Blicke wollen mich glauben machen, daß Ihr an mir nur meine Schönheit liebt. ( Sie lacht und will selbst die Fackel löschen. )
Читать дальше