ARCHELAOS: Schon?
SEBAS ( klagend ): Archelaos, ich werde fett.
ARCHELAOS: Iß weniger.
SEBAS: Da könnt' ich mager werden.
ARCHELAOS: Dann kannst Du nachher um so mehr essen.
SEBAS: Glaubst Du? Du dürftest wahrhaftig Recht haben. Ich lege diese Feige wieder zurück und kann dann mehr davon zu Mittag essen.
PHILEBOS ( sehr schnell von rechts ): Habt Ihr Pharnaces und Syphax gesehen?
ARCHELAOS: Sie waren –
SEBAS ( unterbrechend ): Da sind sie.
(Nicomedes, Syphax und Pharnaces kommen von links. Philebos läßt sich auf eine Bank fallen und hält sich erschöpft die Seiten.)
NICOMEDES: Hast Du Candaules gesehen, Philebos? Wir suchen ihn überall.
PHILEBOS: Grad hab' ich ihn verlassen.
SYPHAX: Wo ist er denn?
PHILEBOS: Überall und nirgends. Er streift umher, gehetzt, gejagt … Ach, meine Freunde, Laßt mich lachen! – Was eine köstliche Geschichte, ah – ( Wie außer Atem von Lachen. )
PHARNACES und SEBAS: Was ist? Was soll's?
PHILEBOS: Ihr wißt doch, dieser Ring, an dem Sebas fast erstickt wäre –
ARCHELAOS: Verzeiht, ich wär' beinah' daran erstickt.
PHILEBOS: Das ist ja gleich.
ARCHELAOS: Mir ist das gar nicht gleich.
PHILEBOS: Um so schlimmer. – Laßt mich erzählen: Du erinnerst Dich doch, Pharnaces, an die griechischen Worte, die Du in dem Ring geschrieben fandest?
SEBAS: Verzeiht, verzeiht! Die hat Phedros gefunden.
PHILEBOS: Aber – unterbrecht mich doch nicht immer.
NICOMEDES: Erzähl! |
} |
( Gleichzeitig! ) |
PHARNACES: Erzähl' nur! |
SYPHAX: Wir sind ganz Ohr! |
PHILEBOS: Ich weiß nicht, wie und wodurch es geschah, daß der König, der erst noch so beunruhigt von den eingeritzten Worten war, den Ring in seiner Hand vergessen konnte. Ich glaube, Gyges, der Fischer, war die Schuld. Ach, Freunde! wünscht Ihr die Fortsetzung? Es ist zu komisch …
DIE ANDEREN: Erzähl! So sprich doch!
PHILEBOS: Ich weiß gar nicht, gar nicht, wie ich's erzählen soll.
NICOMEDES und PHARNACES: Ach was! Fang einmal an. Erzähl!
PHILEBOS ( den das Lachen schüttelt. ): Nein … wenn Ihr den König hättet sehen können.
SYPHAX: Weshalb? Was macht er denn?
PHILEBOS: Er sucht.
SYPHAX und PHARNACES: Er sucht? Was sucht er denn?
PHILEBOS: Den Ring! – – Hört zu, hört zu … Es ist das tollste aller Abenteuer. ( Die Anderen haben sich alle um Philebos gruppiert, der immer auf der Bank sitzen bleibt. ) Es scheint, daß gestern – Morgen – wozu? Das weiß ich nicht, und wie? Das weiß ich auch nicht – kurz, daß gestern Morgen Candaules diesen Ring an seinen Finger steckte. Er war mit uns. Ihr wißt doch noch, er war mit uns. Und plötzlich war er verschwunden und wie wir ihn da suchten –
ARCHELAOS: Ja, ja. Weshalb ging er denn weg?
PHILEBOS: Er ging nicht weg.
PHARNACES, NICOMEDES: Erklär' doch deutlich. Erzähl doch weiter.
PHILEBOS: Scheint, daß der König – doch Ihr werdet's mir nicht glauben!
DIE ANDEREN: So erzähl' doch! Was war's?
PHILEBOS: Und dieses war der Sinn der beiden griechischen Worte … ( Ernst. ) Man sieht den nicht mehr, der den Ring am Finger trägt.
NICOMEDES: Was sagst Du da?
PHILEBOS: Der Ring macht seinen Träger unsichtbar.
DIE ANDEREN ( lachend ): Die Geschichte ist nicht übel.
PHILEBOS: Hört doch das Ende. Und das ist nicht das Hübsche der Geschichte. – Candaules überrascht, sprach nichts. Und da er selber es kaum glauben wollte – so wenigstens hat er mir es gesagt – wollt' er sich von der Macht des Ringes an irgend Einem überzeugen: Der Gyges war gerade da, und ohne weiter nach einem Anderen zu suchen, gibt er ihm den Ring. Gyges nahm ihn … nichts mehr!
SEBAS und ARCHELAOS: Wieso? Wieso nichts mehr?
PHILEBOS: Nichts mehr. Hat Gyges seine schnelle Macht verstanden? Fest steht, daß er stillschweigend verschwand. Gyges trägt den Ring, der Ring verbirgt den Gyges. Er ist verschwunden, ohne Spur verschwunden … Candaules hat gut suchen. So dumm ist Gyges nicht. Er ist durchaus verborgen.
GYGES ( ist währenddem von rechts ganz langsam gekommen, so daß er am Ende von Philebos Erzählung diesem direkt gegenüber und inmitten der Zuhörer steht; er bleibt unbeweglich, den Rücken gegen das Publikum. )
PHILEBOS: Der, ohne zu sehen, zu finden weiß, muß gar geschickt sein. Candaules irrt umher und ruft und frägt: Habt Ihr Gyges nicht gesehn? Habt Ihr meinen Ring gesehn? Doch – wer kann die Beiden sehen? Nun hat Candaules seinen Herrn gefunden. Wo immer Gyges sein will, dort kann er sein.
DIE ANDEREN: Wunderbar! Ganz wunderbar!
PHILEBOS: Aber nichts weniger als angenehm. Vor ihm ist jeder von uns ohne Augen. Was kann man gegen einen, den man nicht sieht? Was tun wir, frag ich Euch? Wenn plötzlich seine Stimme da unter uns sagt, daß er da ist, daß er da unter uns ist, hört was wir sagen und uns Dummköpfe nennt?
GYGES ( laut ): Dummköpfe!
(Beim Ton von Gyges' Stimme zerstieben die Herren nach allen Seiten. Im Eifer der Flucht rennt Archelaos an einen Baum, und in der Meinung, an Gyges gerannt zu sein.)
ARCHELAOS: Oh … verzeiht …
(Kaum ist Gyges allein, stürzt er wie von Schande und Verzweiflung vernichtet zu Boden, gegen die Bank hin, auf der Philebos saß.)
GYGES: Mein Ring! Mein Ring! ( Er drückt ihn an die Lippen. ) Ach! Verbirg mir mein Denken!… Allen jagst Du Furcht und Angst ein, unsichtbarer Gyges. Ring! Was kannst Du mich mir selber nicht unsichtbar machen! Gyges hat Angst vor Gyges. ( Er verhüllt sein Gesicht in den Händen und schauert. ) Hab' ich Dir weh getan mit meinen allzuwilden Küssen? – Von Liebe voll und von Entsetzen floh ich. Schlafend ließ ich sie auf ihrem Bette hingestreckt, lief in die Nacht, lief wie ein Dieb, im Morgentau der kalten Wiesen das Fieber meinen Händen abzuwaschen, das Grauen von meinem Denken, die Schande von meiner Stirn und das Verbrechen meines Herzens … Da kommt wer … Nyssia! ( Er bleibt auf der Erde und drückt sich an die Bank, da er Nyssia hört. )
Inhaltsverzeichnis
NYSSIA ( an Candaules gelehnt. Sie kommen näher und setzen sich beide auf die Bank ): Wie, mein Gebieter, das ist Eure Sorge? Was hat doch dieser Ring, daß sein Verlust Euch so bewegt? Ist's deshalb, daß Ihr mich heut' morgen so früh verließet? Im Morgendämmer, ermattet noch und kaum erwacht, da suchten meine Hände Euch und fanden nichts sonst, als eine kalte Stelle. Konntet Ihr mich so verlassen? Ah! Ihr wußtet nicht, was mein Erwachen Euch noch aufbewahrte!… – Und dann, nachher, als ich Euch wiedersah im Garten, da waret Ihr nicht mehr so voller Liebe, wie in dieser Nacht. Da waret Ihr unruhig; – was habt Ihr? – Ihr geht fort? Ich bin eifersüchtig auf den Ring; er ist Euch wichtiger als ich. Ihr sagt mir nichts? Wie undankbar ist Euer Mund! Was liegt mir an dem Ring? Ihr habt doch andere genug!… Ihr, die Ihr immer schenkt, denkt einfach, Ihr hättet ihn verschenkt.
CANDAULES: Nur sehen möcht' ich ihn.
NYSSIA: Das werdet Ihr. Doch scheucht die Falten da von Eurer Stirn. Der Morgen ist so schön! – Seht, in dieser klaren Luft scheint alles mir verliebt und lachend wie wir selber … Fast bin ich müd' von dieser Nacht … Ach, mein Gebieter, schöner als der Tag ist mir Eure Liebe, und diese Nacht war mir …
CANDAULES ( unterbricht ): Sprich mir nicht mehr von dieser Nacht, mein Weib.
NYSSIA: Ich kann sie auch verschweigen, doch sagt sich Eure Nyssia die Küsse alle wieder, einen um den andern. – Oh, von allen unsern Nächten diese Nacht der Liebe schönste! –
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