CANDAULES: Die schönste, sagst Du, Nyssia? – die schönste?
NYSSIA: Was erstaunt Ihr? Was hab' ich denn gesagt? Was habt Ihr?
CANDAULES: Die schönste … weshalb?
NYSSIA ( errötend ): Oh, Ihr macht Euch lustig über mich … Weshalb erhebt Ihr Euch? – Ihr geht? Was habt Ihr?
CANDAULES ( für sich ): Du, Candaules, eifersüchtig? – Schweig, schlechte Leidenschaft. ( Er macht eine Geste des sich Bezähmens. ) Verzeiht …
NYSSIA ( will ihn auf die Bank ziehen, faßt ihn am Kleid. )
CANDAULES: Nein, – lass' mich. ( Er befreit sich. ) – ( Für sich. ) Die schönste!… Die … Ich muß den Gyges sehn. ( Zu Nyssia, von der er sich etwas nach links entfernt hat. ) Da unten seh' ich Phedros … Verzeiht – gleich bin ich wieder bei Euch. Nein! Folgt mir nicht. – Laß mich, Nyssia.
NYSSIA: So wart' ich hier auf Euch. –
GYGES ( hat sich während des Letzten nach und nach aufgerichtet ).
Inhaltsverzeichnis
GYGES ( leise ): Die schönste aller Nächte!… Genug! Mein Ring – genug! ( Er reißt den Ring von seinem Finger. ) Und wenn ich daran sterben muß –! ( Er nähert sich der Königin. ) Königin!
NYSSIA ( läßt überrascht den Schleier über das Gesicht fallen ): Ach! Habt Ihr mich doch erschreckt! – Ich hörte niemand kommen.
GYGES ( vor ihr gebeugt ): Königin …
NYSSIA: Was wollt Ihr?
GYGES ( reicht ihr den Ring ): Der Ring, den der König sucht – hier ist er.
NYSSIA: Da Ihr es wußtet, daß er ihn sucht, was gabt Ihr ihn nicht früher?
GYGES: Euch wollt' ich ihn zuerst geben.
NYSSIA: Doch – wie kommt Ihr zu dem Ring?
GYGES: Der König gab mir ihn.
NYSSIA: Und wenn er Euch ihn gab, was sucht er ihn?
GYGES: Nicht, um den Ring zu sehen, doch mich, der ihn trug.
NYSSIA: Ich versteh Euch nicht … Wer seid Ihr? Ihr war't nicht, glaub ich, gestern bei dem Fest?
GYGES: Ich kam erst spät … als es zu Ende ging … Ich bin Gyges: – Erinnert Ihr Euch nicht des Fischers Gyges, um den Ihr letzte Nacht Candaules fragtet: «Der arme Fischer – was ist aus ihm geworden?». Der bin ich.
NYSSIA ( zuerst etwas verwirrt ): Wie sollte ich Euch wieder erkennen, so reich gekleidet? – Des Königs Güte gab Dir das?
GYGES ( verwirrt ): Ja, Königin; er gab mir alles das … alles das – und diesen Ring hier. ( Er beugt sich wieder vor ihr und reicht ihr den Ring. )
NYSSIA: Ich will ihn dem König wiedergeben.
GYGES: Ein Wort noch, Königin, ich bitt' Euch … dieser Ring …
DIE KÖNIGIN ( betrachtet den Ring und will ihn anstecken. )
GYGES: Ah! Steckt diesen Ring nicht an!
NYSSIA: Weshalb nicht?
GYGES ( ängstlich vor dem, was er sagen will ): Der Ring …
NYSSIA: So sprich doch, sprich –
GYGES: Macht unsichtbar den, der ihn trägt.
NYSSIA ( lächelnd ): Ein ganz kostbarer Ring und ich verstehe nun, weshalb Candaules ihn so suchte.
GYGES: Und auch vielleicht, warum er ihn nicht fand.
NYSSIA ( wird unruhig ): Du verbargst Dich, Gyges?
GYGES: Der Ring verbarg mich.
NYSSIA: Doch, sag … weshalb denn gab der König Dir den Ring?
GYGES: Um selber ungesehen zu sehen.
NYSSIA: Und was … was konnte denn der König so zeigen wollen?
GYGES ( fällt vor Nyssia auf die Knie ): Euch Nyssia! – ( Gleichzeitig hält er ihr einen Dolch hin, den Nyssia instinktiv ergreift. ) Stecht zu! Stecht zu!… Ich war's, der diese Nacht … ich ließ Euch schlafend diesen Morgen … Ach! Ich hätte schweigen können und Ihr, Ihr hättet's nie erfahren, doch war ich da, als Ihr es sagtet, daß diese Nacht der Liebe von allen Euren Nächten …
NYSSIA ( deren Verwirrung mit jedem Wort des Gyges zunimmt und die mit jedem Wort zu verstehen anfängt, schreit auf ): Candaules! – ( Sie schreit wild auf. ) Ich hielt mich für geliebt.
GYGES ( erhebt sich ein wenig ): Ihr seid es, Königin …
NYSSIA ( in jähem Zorn ): Was sagst Du?
GYGES: Ihr seid geliebt, Nyssia.
NYSSIA ( gibt ihm, wie von diesem Worte zu einem plötzlichen Entschluß gebracht, den Dolch in die Hand ): Geh! Erschlag' ihn!
GYGES ( in tiefer Ergriffenheit ): Wen?… Ihn?
NYSSIA: Erschlag ihn!
GYGES ( läßt den Dolch zur Erde fallen ): Ich kann nicht. Mein Freund!…
NYSSIA: Und er war mein Gemahl! Töte ihn.
GYGES: Ich kann nicht … er war's, der mir es gab.
NYSSIA: Er war's, der mich verriet. ( Sie zerreißt ihren Schleier. ) Einer von Euch Beiden muß es sein, der stirbt … Nimm den Ring!
GYGES ( bestürzt ): Wie? Ohne mich zu zeigen?
NYSSIA: Für mich hast Du Dich gut verborgen!
GYGES: Er hat mir den Ring gegeben –
NYSSIA ( verzweifelt vor diesem Widerstand ): Es muß doch Einer von Euch Beiden eifersüchtig sein! ( Sie stürzt Gyges um den Hals und küßt ihn in wilder Wut. ) Oh! Du wirst ihn erschlagen, Gyges, nicht wahr? Du wirst ihn erschlagen! – Den Ring! Nimm doch den Ring. ( Sie steckt ihm den Ring an den Finger. ) Und da … den Dolch. Verbirg Dich! Der König!
CANDAULES ( kommt im Gespräch mit Phedros ).
NYSSIA und GYGES ( ziehen sich nach rückwärts zurück ).
Inhaltsverzeichnis
CANDAULES ( leise zu Phedros ): Nein, Phedros, wenn Du mich liebst, so bleibst Du noch zu diesem Mahl. Es ist das letzte, sag' ich Dir; das letzte … Sie werden mit dem Trinken noch nicht fertig sein, da sag ich: Nun laßt mich. Das Haus, die Feste sind nun für mich allein, für mich und Nyssia … Und Nyssia, Du weißt: nun halt' ich sie für mich und fern von Allen im Schatten wohlverschlossen, wie ein Parfüm, das allzu leicht verduftet … Genug davon. Du bleibst zum Fest?
PHEDROS: Ich bleibe.
CANDAULES: Laß mich nun.
PHEDROS ( ab ).
CANDAULES ( zu Nyssia ): Das Festmahl ist bereitet … Bald ist's Mittag, die Zeit, da meine Gäste kommen. Nyssia – bis zu Eurem Gemach begleit' ich Euch. ( Er nähert sich ihr, sie weicht zurück. )
GYGES ( ist ein Weniges hinter ihr ).
NYSSIA: Nein. – Ich bleibe bei Eurem Fest.
CANDAULES: Wie? Ihr wollt? ( Er bemerkt die Erregung der Königin. ) Was habt Ihr, Nyssia?
NYSSIA ( geht weiter zurück und gegen das Unsichtbare gewandt ): Stoß zu! Stoß zu, Gyges! – Gib Acht, Candaules … ( Ängstlich. ) Stoß zu! – So stoß doch zu!… Ah!
GYGES ( erdolcht Candaules, da dieser unruhig wird ).
CANDAULES: Wie! Du bist's, mein Gyges?! Warum erschlägst Du mich? – Nichts fühlt' ich sonst in mir als Güte, Nyssia!… Gyges, ich hab Dir auch den Dolch gegeben. Gib den Ring fort … ich möcht' Dich sehen.
(Gyges zaudert einen Augenblick und wirft den Ring weit von sich).
( Gyges erdrückt vor Schrecken und Verzweiflung, kniet hin und beugt sich über Candaules ): Candaules! mein Freund …
CANDAULES ( stirbt ).
NYSSIA ( zieht ihn am Kleide ): Erhebt Euch, König Gyges.
GYGES ( verstört ): Ich! Gyges … König.
NYSSIA: Ihr seid mein Gemahl und ich die Königin. Da kommen unsre Gäste. Steht auf! ( Sie nimmt das Diadem vom Haupte des Candaules. ) Nehmt die Krone. – Ah! Der Schleier erstickt mich. ( Sie reißt ihn völlig ab. )
DIE GÄSTE ( kommen etwas näher. Bewegung. ): Candaules! Oh! wie schrecklich!
SYPHAX ( hält Phedros zurück und zeigt ihm Gyges ): – Gebt Acht!
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