»Durchkämmen wir einmal die Station«, sagte er. »Nimm dir Faulkner und Lieder und drehe draußen ein paar Runden. Sichere das Gelände. Ich werde mit Snowdon und McVicar das Innere der Basis absuchen.«
»In Ordnung.« Cotronis klang unsicher, beinahe labil.
»Sara?«
Sie sah ihn von der Seite an.
»Du hast gut gekämpft. Das haben wir alle. Wir haben zwei Soldaten verloren, aber auch zwei von denen erwischt. Du weißt, dass das bei diesen Bastarden ein guter Schnitt ist.«
»Ich wusste gar nicht, dass wir jetzt Strichlisten führen.«
Er streckte die Hand aus und drückte durch den Kampfanzug hindurch ihren Oberarm. Sie lächelte. Dann verschwand Cotronis, um die Truppe zusammenzutrommeln, und ließ Mains neben der Leiche des Yautja zurück.
Sein linkes Bein schien zu flackern und verschwand immer wieder für ein paar Sekunden. Der dritte Schuss aus Mains Lasergewehr hatte ihm die Hand abgetrennt, und aus dem Kontrollinstrument an seinem Unterarm stoben Funken. Sie hatten seine Waffensysteme deaktiviert – genau genommen war es Snowdon gewesen, der sich mit der Technik der Yautja besser als jeder andere von ihnen auskannte – aber die Tarnvorrichtung des toten Außerirdischen war noch immer aktiv, so als würde sie krampfhaft versuchen, ihren Meister dem Tod zu entreißen.
Mains stieß ihn mit seinem Stiefel an und die Fangzähne in seinem insektenartigen Kiefer klackerten über den Boden, als sein Kopf zur Seite fiel.
Die 5th Excursionist-Einheit, von Mains nach ihrem ersten Tag an einem der Sprungtore im Outer Rim VoidLarks getauft, patrouillierten seit etwas mehr als drei Standardjahren im Weltraum jenseits des Outer Rim. In all der Zeit hatten sie nur bei drei Gelegenheiten Kontakt mit anderen Menschen gehabt. Das war jetzt das dritte Mal … und bei Weitem das traumatischste Zusammentreffen.
Die genauen Opferzahlen unter den Wissenschaftlern der Southgate Station 12 und deren Stab mussten noch ermittelt werden, aber erste Berichte deuteten darauf hin, dass die beiden Yautja während der zwei Tage am Boden mindestens siebzehn von ihnen beobachtet, gejagt und schließlich getötet hatten. Zehn davon waren Indies, Söldner, die von den Befehlshabern der Station angeheuert wurden, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Mains wusste, dass man noch mehr Leichen finden würde. Schließlich waren sie noch nicht auf eines der Nester der Yautja gestoßen.
Wenn sie das taten, dann würden sie dort ihre Trophäen vorfinden.
Und doch hätten es noch so viele mehr sein können. Die Forschungsstation wurde von etwa einhundert Menschen bewohnt, und beinahe achtzig von ihnen hatten sich in der Kantine versammelt, bewacht von dem Commander und den verbliebenen Indies. Völlig unter Schock, traumatisiert, und ohne wirklich zu wissen, was vorgefallen war, oder warum, bereitete man sie auf ihre Evakuierung tiefer in die Menschliche Sphäre hinein vor. Wohin genau wusste Mains nicht, und es interessierte ihn auch nicht. Von hier wegzukommen war alles, was zählte. Dieser Ort war jetzt vergiftet, und obwohl es im allgemeinen nicht Weyland-Yutanis Art war, wertvolle Ressourcen ungenutzt zurückzulassen, würde die Southgate Station 12 wohl für einige Zeit unbewohnt bleiben.
Mains sah nach dem Status seines Kampfanzuges. Er hatte keine Schäden davongetragen. Der Ladezustand seiner Laserpistole war niedrig. Munition und Energiestatus seiner Com-Rifle lagen bei achtzig Prozent und an seinem Rücken spürte er das beruhigende Gewicht seiner Schrotflinte. Die Waffe war eine vollständig restaurierte Antiquität, aber sie hatte ihm vor zehn Jahren auf Addison Prime den Hintern gerettet, als man seine Einheit gegen ein abtrünniges Platoon von Marines losschickte. Damals war er noch ein Corporal, und es war sein erstes Feuergefecht gegen andere trainierte Soldaten gewesen. Er hatte sich wacker geschlagen, aber als die CSU seines Anzugs den Geist aufgab und sich damit alle seine Waffen abschalteten, war es die Schrotflinte, die ihm das Leben rettete.
»L-T?« Die Stimme drang aus dem Kommunikationsimplantat in seinem Ohr.
»Ja, Snowdon.«
»Sir, der Befehlshaber der Basis möchte mit Ihnen sprechen. Er verlangt, darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, wie es mit ihnen weitergehen wird, Sir.«
Mains lächelte. Er konnte die nervöse Anspannung und den Humor in Snowdons Stimme hören. Sie war eine gute Kämpferin und eine erfahrene Soldatin, aber sie ließ sich nichts gefallen. Besonders nicht von denen, deren Schutz gerade zwei ihrer Freunde das Leben gekostet hatte.
»Sagen Sie ihm doch, dass er mich als Nächstes am Arsch lecken kann.«
Snowdon prustete los. »Okay, also machen wir die Basis dicht?«
»Ja, das sollten wir. Sag ihm, er soll die Abriegelung der Station einleiten. Was auch immer die hier treiben, die Station soll in … sagen wir einem Tag soweit sein, dass sie von hier verschwinden können.«
»Verstanden, Sir. Und wir verlassen sie kurz nach ihnen ebenfalls?«
Mains nahm den Blick von der Leiche des Yautja, den Einschusslöchern in der Wand und den Schmauchspuren der Lasergeschosse an der Decke, und sah sich um. Er befand sich in einer großen Wohneinheit, die für eine einzelne Familie konzipiert war, bestehend aus einem Schlafbereich, einem Esszimmer und einem Aufenthaltsbereich mit einem Holo-Schirm, Spielekonsolen, deren Stand der Technik einigen technischen Geräten auf seinem Schiff ebenbürtig war, und gemütlichen Sesseln.
Die Umgebungskontrollen sorgten für angenehme Temperaturen und durch das gedämpfte Licht wirkte es beinahe behaglich. Wie Zuhause, wenn auch das Zuhause von jemand anderes.
Diese Wohneinheit war beinahe so groß wie der gesamte Aufenthaltsraum an Bord ihres Schiffes, der Ochse , und auch der Rest der Basis war ähnlich luxuriös ausgestattet, mit eigens angebauter Nahrung in einem Gewächshaus und einer Freizeitanlage, zu der ein Swimmingpool und ein Fitnessstudio gehörten. Er konnte nachvollziehen, dass man sich hier gern noch etwas länger aufhalten würde. Er konnte es nachvollziehen … und hasste es. Mains Aufmerksamkeit ließ bereits nach, seine Alarmbereitschaft schwand, und die Versuchung, sich für unbestimmte Zeit entspannen zu können, war überaus groß.
»Du weißt, dass wir das müssen«, erklärte er Snowdon. »Das war eine ungewöhnliche Attacke, und ich will so schnell wie möglich wieder auf die Station. Die Yautja bereiten sich vielleicht auf etwas vor. Etwas Größeres.«
»Die haben noch nie etwas Größeres als das hier durchgezogen«, sagte Snowdon. Sie senkte die Stimme ein wenig. Er konnte hören, wie sich im Hintergrund die verängstigten Überlebenden unterhielten. »Komm schon, L-T, nur ein Tag, nachdem sich die Zivilunken hier verpisst haben. Ein bisschen Schwimmen, was Gutes essen und ein wenig die Füße hochlegen.«
»Das würde dir gefallen, nicht wahr? Mir beim Nacktbaden zusehen.«
»Das weißt du doch, L-T.«
»Sag dem Commander, er soll bleiben, wo er ist. Ich komme runter und rede mit ihm. Du und McVicar, ihr riegelt den Rest der Station ab. Platziert Überwachungsdrohnen und sorgt dafür, dass wir hier vorerst sicher sind.«
»Ja, Sir! Schon unterwegs, Sir!«
»Und wenn du noch da unten bist, wenn ich ankomme, trete ich dir in den Arsch.«
»Du und welche Armee gleich noch mal, Sir?«
Mains grinste. Er mochte Snowdon. Er mochte alle von seinen VoidLarks – sie waren wie eine Familie, Freunde, und deshalb waren sie auch so gut in dem, was sie taten. Nur wenige Menschen hielten es so lange ohne nennenswerten Kontakt mit anderen aus. Alle Excursionists waren aus dem gleichen Holz geschnitzt, aber Mains hielt sein fünftes Platoon, die VoidLarks, natürlich für die beste Truppe von allen.
Den herben Verlust von zwei ihrer Familienmitglieder würde sie erst in den nächsten Tagen so richtig spüren.
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