»Ich sehe es nicht auf diese Art«, antwortete sie. »Ich denke da einfach in größeren Dimensionen. Es ist immer noch eine großartige Zeit für Abenteurer.«
»Das sollten Sie sich auf ein T-Shirt drucken lassen.«
»Sie sind wirklich eine beeindruckende Spezies«, fuhr Palant fort und ignorierte seinen Einwand. Wie so oft, wenn sie sich von ihrem Labor entfernt hatte, konnte sie es kaum erwarten, wieder dorthin zurückzukehren. Ihr Leben schien von Gegensätzen beherrscht zu sein. Sie schätzte diese zeitlich begrenzten Zerstreuungen, und doch sehnte sie sich wieder zurück. Sie dürstete nach Wissen und träumte von einer Art friedlichem, für beide Seiten gewinnbringenden Austausch, arbeitete aber zugleich für eine Firma, deren erklärtes Ziel die Förderung dessen war, was sie die »Wissenschaft des Krieges« nannten.
Ihr Vater hatte es ihr einmal zu erklären versucht, damals, als sie noch ein verträumter Teenager war.
Die Company hat Angst , hatte er gesagt. Wir dringen in die Galaxie vor, unglaublich langsam zwar, und doch wissen wir bereits jetzt, dass wir alles andere als allein dort draußen sind. Wir trafen auf andere intelligente Lebensformen, traten mit ihnen in Kontakt. Hin und wieder kam es zum Kampf. Da sind die Yautja, die uns vielleicht bereits seit Jahrhunderten besuchen, und je weiter wir in den Weltraum vorstoßen, umso mehr erregen wir ihre Aufmerksamkeit. Die Xenomorphs stellen das düstere Extrem des Alls dar. Und es ist unvermeidlich, dass wir noch auf andere, vielleicht sogar noch todbringendere Zivilisationen treffen werden. Je weiter wir vordringen, umso mehr werden wir entdecken, und umso mehr wird man uns bemerken .
Das weiß Weyland-Yutani, und sie tun ihr Möglichstes, um die Menschheit vor jeder Art von Gefahren zu beschützen. Das einzige Problem dabei ist, dass … selbst gute Absichten schnell korrumpiert werden können. Wenn so viel auf dem Spiel steht, und man gleichzeitig enorme Gewinne daraus ziehen kann, bleiben Wohltätigkeit und Güte schnell auf der Strecke .
Sie hatte seine Worte und die Lektion in ihnen nie vergessen. Und jetzt, wo sie für Weyland-Yutani arbeitete, bedeuteten sie ihr noch mehr.
»Und da sind wir auch schon wieder«, sagte Rogers. Sie näherten sich der Love Grove Basis und Isa konnte die mit schweren grauen Schilden verkleideten Fenster und Türen erkennen. Die Basis, die in einem kleinen Tal etwa eine Meile vom nächsten Atmosphärenwandler entfernt lag, und von der aus man weitere Ableger anbauen und versorgen konnte, war vor etwa fünfzig Jahren errichtet worden. Nach der Fertigstellung der Umwandler war der Stützpunkt in den letzten zwanzig Jahren von ArmoTech erweitert und umgebaut worden, einer Abteilung von Weyland-Yutani, die sich mit der Erforschung außerirdischer Waffen und Technologien befasste. Die Basis war dabei nur ein weiteres Beispiel für effektive Kostenersparnis. Sie lag nur ein Sprungtor vom Outer Rim entfernt, und galt damit als idealer Ort für die Erforschung der Yautja.
Der Name der Basis stammte von einem der Vorarbeiter, der beim Bau der Umwandler-Anlagen dabei gewesen war. Eine bittersüße Erinnerung an seine Kindheit, an bessere Zeiten. Es hieß, dass er die Kolonie nach dem Ort Love Grove benannt hatte, in dem er aufwuchs – eine religiöse Kommune auf Triton, dem größten Mond des Neptun.
»Ein Sturm zieht auf«, sagte Palant.
Die Anlage mochte ein hässliches Konstrukt mit nur wenigen ästhetischen Highlights sein, doch sie war jedes Mal aufs Neue froh, sie zu sehen. Immerhin war es ihr Zuhause. Palants Eltern waren vor siebzehn Jahren auf ihrem Weg hierher ums Leben gekommen. Die Berichte hatten es einen tragischen Unfall genannt. Als ihre Landefähre von einem Militärschiff aus zu der Station hinabflog, prallten zwei Wetterphänomene aufeinander, was zu starken Gewittern und Orkanböen führte. Das Schiff wurde wie ein Spielzeug herumgewirbelt und zerschellte auf der Oberfläche. Alle achtzehn Insassen starben. Ein großer Verlust, doch jeder von ihnen wusste, dass der Weltraum ein gefährlicher Ort war.
Fünf Jahre später war Palant ihren Eltern zur Love Grove Basis gefolgt, sicher gelandet, und hatte sie seither nur wenige Male verlassen.
Rogers lenkte den Rover zwischen den Gebäuden hindurch. Eine äußere Schleuse öffnete sich und er steuerte das Gefährt in eine Tiefgarage hinab. Die Schleuse schloss sich sofort wieder hinter ihnen. Die Luft in unmittelbarer Nähe der Umwandler war atembar, doch aufgrund der unwirtlichen Wetterbedingungen waren längere Aufenthalte außerhalb der Gebäude selten. Und gefährlich.
Rogers schaltete den Motor des Rover ab.
»Nehmen wir heute Abend noch einen Drink?«, fragte er.
»Sicher doch. Im O‘Malleys, gegen acht?«
»Wir haben ein Date.« Er brachte diesen Witz immer wieder, seitdem sie das erste Mal zusammen ausgegangen waren.
»Danke für die Spritztour. Das hatte ich gebraucht.«
»Zurück an die Arbeit mit Ihnen, Yautja-Frau!«
Sie trennten sich in der Garage und Palant machte sich auf den Weg in die Hauptebene der Basis. Im Zentralbereich traf sie auf Angela Svenlap. Sie lehnte an dem Geländer der großen Treppe und hielt einen Kaffee in ihren Händen. Palant wusste sofort, dass sie dort auf sie gewartet hatte.
»Hey Isa! Gerard Marshall hat versucht, Sie zu erreichen.« Sie überreichte ihr den Kaffee.
»Hat er das?«
»Oh, nur drei Mal.« Svenlap lächelte. Sie sah müde und abgespannt aus, aber war trotzdem her gekommen, um ihr diese Nachricht zu überbringen. Und wer hätte das nicht? Schließlich passierte es nicht alle Tage, dass einer der Geschäftsführer von Weyland-Yutani und einer der großen Dreizehn, persönlich einen seiner Angestellten anrief.
»Okay, ich werde sie mir ansehen und ihm antworten.«
»Es ist eine Direktverbindung.« Svenlap schien aufgeregt zu sein und lächelte ein wenig, als sie Isas Überraschung bemerkte.
»Aus dem Solsystem?«
»Ja. Sie wissen doch, dass er es nie verlässt. Ich habe gehört, dass die Dreizehn eine Technologie entwickelt haben, mit der Echtzeit-Unterhaltungen durch den Subraum möglich sein sollen.«
»Was das an Energie kosten muss …«
»Schätze, er will wirklich dringend mit Ihnen sprechen.«
Palant hob die Kaffeetasse dankend in Svenlaps Richtung und nahm einen Schluck. Svenlap blieb kurz stehen, unschlüssig, ob sie noch mehr erzählen sollte, doch dann lächelte sie und bummelte davon. Palant blieb noch einen Moment stehen und inhalierte die ihr wohlbekannte, sterile Atmosphäre der Basis.
Marshall. Er war schon immer an ihren Forschungen interessiert gewesen und bei ihren Gesprächen mit ihm hatte sie sich stets unwohl gefühlt. Persönlich war sie ihm nie begegnet, doch allein sein Anblick auf dem Holo-Schirm ließ es ihr jedes Mal kalt den Rücken hinunter laufen. Er bemühte sich sichtlich, das attraktive, menschliche Gesicht der Firma zu repräsentieren, aber sie kannte einige Aspekte seines Lebenslaufes. Und die waren hässlich.
Der Kaffee war brühend heiß und bitter, genau so wie Palant ihn überhaupt nicht mochte, aber Svenlap hatte sich extra die Mühe gemacht, ihn ihr zu bringen, zusammen mit der Nachricht. Das hätte sie nicht gemusst. Sie war eine ruhige Person, so bescheiden wie klug, und ihr blasses, trauriges Gesicht verbarg einen scharfen Verstand.
Ihr Fachgebiet war die Geschichte der Yautja, und deshalb profitierten ihre Forschungen und Analysen oft voneinander. Vieles von dem, was Svenlap aufarbeitete, entstammte der menschlichen Geschichte – uralte Texte, die von vermutlich früheren Begegnungen mit ihnen berichteten – ihren Interaktionen mit den Menschen und ihren Einfluss auf historische Ereignisse. Palant fand das alles überaus faszinierend, und obwohl deren Geschichte einen wichtigen Aspekt darstellte, bevorzugte sie selbst jedoch eher den praktischeren Ansatz.
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