»Aber dann ist es doch zu warm.«
»Ja, und? Warm tut gut. Das ist mein Luxus. Ausserdem ist das Anstand, hinter sich die Türe zu schliessen, wenn man rausgeht.«
»Und warum nennst du dich Hausmeister?«
»Hätte ich Mama geschrieben oder Hausfrau, würde niemand reagieren. Aber ein Nebenbuhler im Haus macht mehr Eindruck.«
Schneider schüttelt den Kopf: »Eindruck? Ich habe den Hinweis gelesen und mich gewundert. Mehr nicht.«
Soso! Wenn ihn nicht mal ein Hausmeister beeindruckt, muss ich dann drohen? Oder gar eine Kasse aufstellen? Ich sage: »Folgender Vorschlag: Einmal Türe oder Deckel offen lassen kostet fünf Franken Strafe. Was meinst du dazu?«
Schneider prustet los und sagt: »Bist du wahnsinnig! Das macht ja …«, er rechnet einen Augenblick lang, »… fast 2000 Franken in einem Jahr.«
So viel? Sehr gut. Der Hausmeister tritt in den Ruhestand, jetzt kommt Schneider an die Kasse!
MAN SOLL DIE DINGE SO NEHMEN, WIE SIE KOMMEN. ABER MAN SOLLTE AUCH DAFÜR SORGEN, DASS DIE DINGE SO KOMMEN, WIE MAN SIE NEHMEN MÖCHTE.
Curt Goetz
»Liebster A., deine Z.«
Bergsturz
SIEWas für ein Tag! Wir zwei haben ihn in den Bergen verbracht. Alles perfekt. Doch plötzlich, aus heiterem Himmel, fauchen wir uns auf dem Heimweg an. Ich schnappe ein, und nun schweigen wir im Auto. Es ist grässlich.
Irgendwann halte ich die Spannung nicht mehr aus und sage: »Lass mich in Ilanz raus, ich nehm den Zug.«
Schneider nickt.
Dachte, er würde vielleicht sagen: »Nein, komm, lass uns Frieden schliessen.«
Tut er nicht. Stattdessen setzt er mich ab. Ich steige aus, er braust los. Der Zug ist auch schon weg. Also eine Stunde warten. Ich setze mich in ein Café, bin stocksauer. Auf ihn, auf uns. Warum haben wir uns überhaupt gestritten? Ach, genau: Sein autoritärer Ton hat mich genervt.
Ich starre hinaus, der Abendhimmel färbt sich rot. Was für ein Blödsinn, dass wir uns so angezischt haben. Der Zug fährt ein, ich nehme einen Fensterplatz, lass mich durch die traumschöne Rheinschlucht ruckeln. Ein Bergsturz war die Ursache für diese Wunderlandschaft.
Ich vermisse Schneider, zücke das Handy und schreibe: »Habe überreagiert. Tut mir leid.« Da plingt seine Antwort: »Sorry. Bin manchmal echt ein Arsch.«
Ich muss lächeln. So etwas Schönes hat er schon lange nicht mehr gesagt.
EREin Jahrhundertkrach, ein Bergsturz der Gefühle, denke ich und lasse Schreiber am Ilanzer Bahnhof aussteigen Sie wollte es so.
Sie dachte, ich würde klein beigeben.
Sicher nicht!
Spontan beschliesse ich, ins Safiental zu fahren. Dort war ich zuletzt vor Jahren mit Schreiber. Bei einer Kapelle mache ich ein Foto und denke an sie. So vehement wie heute war sie noch gar nie. Es ging um die Arbeit, unsere Bücher, unsere Auftritte. Sie hat mir vorgeworfen, ich würde von oben herab mit ihr reden. Ich pfefferte zurück, dass mir ihre Gemütlichkeit so was von auf den Geist gehe. Sie fand mich ungerecht, ich sie antriebslos.
So viel gemeinsam zu arbeiten, ist nicht einfach. Und ja, ich war ungerecht, denn sie schmeisst den Alltag, schreibt Geschichten, verdient Geld und hat beinahe immer gute Laune.
Da surrt mein Handy auf dem Beifahrersitz, ich fahre rechts ran.
Ob sie womöglich genug hat von mir?
Sie entschuldigt sich.
Das hat Grösse. Sie kann das: auf einen zugehen. Mir fällt ein Fels vom Herzen.
Ich schreibe zurück, dass ich ein Arsch sei. Sie antwortet umgehend: »Wenn du willst, dann könnten wir uns in Chur treffen, liebster A. Deine Z.«
»Z.?« frage ich .
»Zicke.«
So beginnt Versöhnung.
»Mirgehtsgut.«
Reife Leistung
SIEMeine Hand greift im Dunkeln nach dem Wecker, die Ziffern leuchten blass. 02.14. Ich greife hinüber. Klamme Decke! Kein behaglich warmer Mann.
Zack! Bin hellwach. Herzklopfen. Licht an, Gedanken sortieren: Wir feierten an einem grossen Anlass in Baden, fetzige Musik, leckeres Essen, lustige Leute. Ich ging um elf, er wollte bleiben. Kein Problem. Ich steckte ihm eine Geldnote zu, denn er hatte wieder mal weder Portemonnaie noch Handy dabei, und er sagte, er würde mit dem letzten Zug nach Hause kommen.
Um viertel nach zwei fahren aber keine Züge mehr!
Ich erschrecke: Das Fest fand an der Limmat statt, direkt am Fluss. Was, wenn Schneider unbemerkt hineingekippt ist und nun als Wasserleiche im Kraftwerksrechen hängt? Ohne Ausweis! Ich sehe mich auf der Gerichtsmedizin meinen Mann identifizieren.
Oder pennt er auf einer Parkbank? Oder womöglich in einem anderen Bett?
Ich will mich beruhigen, werde aber wütend: Er könnte doch anrufen! Mit dem Handy von irgendwem, egal wann, mich aus dem Schlaf holen und mir zulallen: »Mirgehtsgut.« Dann wüsste ich, dass er lebt.
Aber so! Ich brauche dringend einen Tee, gehe runter in die Küche, will Wasser aufsetzen, als ich etwas höre.
Klingt wie Kesselrasseln …
EROh, Mann, was für eine Feier! Ich lege mich zu AC/DC-Klängen ins Zeug, als stünde ich im Luftgitarren-Weltmeisterschaftsfinal. Aber da ich nicht mehr der Jüngste bin, befinde ich um Mitternacht: Es reicht! Genug getobt, genug Alkohol! Mein morgiger Kater soll schnurren und nicht wie ein Güterzug rasseln. Also nehme ich gerne das Angebot eines befreundeten Pärchens an, mich nach Hause zu fahren.
Ich quatsche ihn, der den ganzen Abend nur Wasser getrunken hat, voll, und zu Hause angekommen, finde ich natürlich alles schon dunkel vor. Beim Aufsperren der Eingangstüre beglückwünsche ich mich selber, nicht noch mehr getrunken zu haben, denn ich brauche nur drei Anläufe, um das Schloss zu treffen.
Lautlos husche ich hinein, ziehe leise die Schuhe aus. Oben ist alles ruhig. Beim Zähneputzen im unteren Bad blicke ich in den Spiegel. Vielleicht war der letzte Drink doch zu viel. Muss mich konzentrieren, klar zu sehen. Wahrscheinlich werde ich nachher laut schnarchen, denke ich und beschliesse, der rücksichtsvollste aller Ehemänner zu sein. Ich kuschle mich im Wohnzimmer aufs Sofa, damit Schreiber im Bett ihre Ruhe hat. Mein letzter Gedanke ist: Im reifen Alter wird man einfach weiser.
»Werden die hier nie fertig?«
Morgengezwitscher
SIEWir machen einen Ausflug. Zu dritt. Denn unsere Ältere bleibt lieber mit ihrer Freundin daheim, die Jüngere kommt mit. Mittelfreiwillig. Aber immerhin. Wir wecken sie frühmorgens, steigen ins Auto und fahren los. Ich mache es ihr hinten mit Kissen und Decken bequem, eine Art Liegestuhl, doch sie ist munter und will nicht mehr schlafen. Da Schneider am Steuer sitzt, biete ich ihm was zu trinken an. »Oder willst du schon ein Brötchen?« Er schüttelt den Kopf: »Später.«
»Soll ich das Radio anstellen?«, frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf. »Oder ein Hörspiel? Ich habe neue runtergeladen, ganz lustige, glaube ich. Für die ganze Familie.« Unsere Tochter sagt: »Nein, ist schon gut.« Aha. Dann eben nicht. Ich blicke aus dem Fenster und sehe ein Tier in der Ferne. Hammer! Ein Hase! »Da auf dem Acker, ein Hase!« Als er weghoppelt, erkenne ich, dass das eine Katze ist. »Sorry, hab’ mich verguckt. Boah, aber der Sonnenaufgang ist himmlisch, gell?«
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