b) Leitlinien
Leitlinien zeigen einzuhaltende Grundsätze und pflegewissenschaftlich anerkannte Maßnahmen auf. Im Unterschied zu Verfahrensanweisungen oder Standards werden verschiedene Möglichkeiten der Vorgehensweise angeboten. Insofern ermöglichen Leitlinien die Vorgehensweise, die sich individuell an den Wünschen des Klienten orientiert. Die Entwicklung von Leitlinien wird für die Regelung von grundpflegerischen Tätigkeiten, die häufig erbracht werden und bei denen die Gefahr von Fehlerquellen als hoch einzuschätzen ist, empfohlen.
Bildung einer Arbeitsgruppe/eines Qualitätszirkels
Zur Entwicklung von Pflegeleitlinien und Verfahrensanweisungen (Prozessbeschreibungen) wird eine Arbeitsgruppe/ein Qualitätszirkel aus Mitarbeitenden dem Thema betreffender Arbeitsbereiche sowie einer Pflegeexpertin gebildet. Werden Prozessbeschreibungen erarbeitet, die eine Zusammenarbeit und Klärung der Schnittstellen zu anderen Bereichen erfordern, sind entsprechende Ansprechpartner einzubeziehen. Wird beispielsweise die Leitlinie »Umgang mit Übergewicht« erarbeitet, ist es sinnvoll, neben den pädagogischen Mitarbeitern auch die Hauswirtschafts- und Küchenleiterin einzubeziehen. In Prozessbeschreibungen erfolgen Festlegungen zu folgenden Kriterien:
• Strukturkriterien (welche personellen, strukturellen und materiellen Voraussetzungen sind erforderlich),
• Prozesskriterien (auf welche Weise und Abfolge sind Tätigkeiten/Hilfestellungen auszuführen) und
• Ergebniskriterien (welche Ergebnisse werden angestrebt).
Einbeziehung aller Mitarbeitenden
Zwischenergebnisse der zu erarbeitenden Leitlinien/Verfahrensanweisungen werden durch die Mitglieder der Arbeitsgruppe den nicht an der Arbeitsgruppe beteiligten Mitarbeitenden schon während der Entwicklung vorgestellt. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass alle Mitarbeitenden in den Entwicklungsprozess eingebunden sind und ihre Änderungsvorschläge einbringen können. Je intensiver diese Einbindung der Mitarbeiterschaft erfolgt, desto erfolgreicher verläuft die Einführung neu entwickelter Leitlinien.
Nach diesem Abstimmungsprozess ggf. auch Probelauf erfolgt die Freigabe der Leitlinie/Verfahrensanweisung durch die Leitung. Mit der Freigabe werden die Leitlinien/Verfahrensanweisungen zur (rechts)verbindlichen Arbeitsgrundlage aller Mitarbeitenden. Die Prozessbeschreibungen werden eingeführt und im Qualitätshandbuch hinterlegt. Dort können diese jederzeit (z. B. im Rahmen der Einarbeitung, bei aktuell auftretenden Fragen) von Mitarbeitenden eingesehen werden. Für folgende grundpflegerische Prozesse wird die Entwicklung von Pflegeleitlinien empfohlen:
• Umgang mit Dehydratation (unzureichender Flüssigkeitsaufnahme)
• Prophylaxe von Dekubitus
• Prophylaxe von Stürzen
• Prophylaxe von Kontrakturen (Gelenkversteifungen)
• Förderung der Harnkontinenz
• Prophylaxe von Intertrigo (Wundliegen Haut auf Haut)
• Umgang mit multiresistenten Keimen MRSA/ESBL und Covidausbrüchen (besondere Wohnformen)
Für folgende behandlungspflegerische Prozesse wird die Entwicklung von Verfahrensanweisungen empfohlen:
• Umgang mit Medikamenten und Betäubungsmitteln
• Umgang mit und Fremdeinschätzung von Schmerzen 31
• Umgang mit Schluckstörungen
• Umgang mit Sondenernährung
• Umgang mit chronischen Wunden
Eine Entwicklung von Leitlinien/Verfahrensanweisungen reicht nicht aus, um den zugrunde liegenden Fortbildungs- und Anleitungsbedarf von Mitarbeitenden zu decken. Vielmehr dienen die Leitlinien der Auffrischung und Sicherung des erlernten Wissens.
Es empfiehlt sich, die pflegerischen Standards mit den durch Expertinnen der Eingliederungshilfe entwickelten »Fachlichen Standards zur Teilhabe von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung« zu verbinden (siehe Buchtipp).
Buchtipp:
Deutsche Heilpädagogische Gesellschaft: Standards zur Teilhabe von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und komplexem Unterstützungsbedarf. Stuttgart: Kohlhammer, 2021, 121 Seiten, € 29,00; ISBN 978-3-17-039520-6
Fortbildung des Personals
Da die überwiegende Zahl der Mitarbeiter keine umfängliche Pflegeausbildung hat, bestehen bei der Ausführung pflegerischer Tätigkeiten Unsicherheiten und teilweise Unkenntnis bezogen auf die qualifizierte Erbringung von Pflegeleistungen.
Die Schulung aller betreuenden Mitarbeiter zu pflegerischen Themen ist daher von zentraler Bedeutung, damit Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, gesundheitliche Risiken frühzeitig zu erkennen und prophylaktisch tätig zu werden. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da gerade Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und Einschränkungen der Kommunikation einen erschwerten Zugang zur ärztlichen Versorgung haben. Aufgabe von Bezugsassistenten ist es auch, in pflegerischen Belangen das »Sprachrohr« der Klienten zu werden, Ärzte auf Risiken aufmerksam zu machen und entsprechende Therapien einzufordern.
Auswahl der Fortbildungsthemen
Die Fortbildungen sollen sich auf alle pflegerischen Themen erstrecken. Pflegefachliche Fortbildungen
• dienen dem Aufbau und Erhalt von pflegefachlicher Kompetenz durch kontinuierliche Aktualisierung des Wissensstands,
• umfassen dabei auch den Erwerb notwendiger pflegerechtlicher Kenntnisse,
• verbessern kommunikative und soziale Kompetenzen,
• ermöglichen die Reflexion von Falldarstellung und
• fördern den Erfahrungsaustausch unter Kollegen.
a) Grundpflege
Der Fortbildungsschwerpunkt sollte auf grundpflegerischen Themen, zu denen auch die Entwicklung von Leitlinien empfohlen wurde, liegen. Darüber hinaus sollte zu folgenden Themen geschult werden:
• Körper- und Hautpflege
• Inkontinenzversorgung
• Beratung zu und Umgang mit pflegerischen Hilfsmitteln
• Hygienevorschriften zum Fremd- und Eigenschutz
• Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen
• (eigener) Umgang mit Sterben, Tod und Sterbebegleitung
b) Prophylaxen
Ein weiteres wichtiges Schulungsthema stellen die Prophylaxen in der Pflege dar. Die Kenntnis der Prophylaxen versetzt die Mitarbeiter in die Lage, Risiken systematisch zu erkennen. Neben den Themen, die bei der Entwicklung von Leitlinien benannt wurden, sind folgende Prophylaxen relevant:
• Soor und Parotitis (Entzündungen im Mundraum)
• Aspiration (Nahrungsmittel gelangen in die Lunge)
• Pneumonie (Lungenentzündung)
• Thrombose (Blutgerinnsel)
• Obstipation (Verstopfung)
c) Behandlungspflege
Bei der Behandlungspflege kommen neben bereits benannten Themen insbesondere Schulungen zum pflegerischen Umgang mit Erkrankungen infrage. Ausgewählt werden Themen zu Erkrankungen, die beim jeweiligen Träger gehäuft auftreten:
• Folgeerkrankungen von und Ernährung bei Diabetes mellitus
• Umgang mit Anfallserkrankungen
• Umgang mit Verdauungsstörungen (z. B. Diarrhoe (Durchfall))
• Umgang mit Pilzinfektion
• Umgang mit Hauterkrankungen (z. B. Schuppenflechte)
d) Gesetzlich vorgeschriebene Pflichtfortbildungen
Alle Mitarbeitenden, die mit pflegerischen Arbeiten betraut werden, unterliegen einer gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung.
• Erste Hilfe (Auffrischung im Abstand von zwei Jahren)
• Belehrung zum Infektionsschutz (jährlich)
• Belehrung zum Brandschutz
e) Pflegerische Teilhabeplanung und Dokumentation
Im Fortbildungsprogramm muss eingeplant werden, dass Mitarbeitende in der pflegerischen Ziel- und Maßnahmenplanung und in der fachgerechten Dokumentation und Berichterstattung geschult werden müssen.
Um pflegerische Leistungen fachgerecht zu planen und zu dokumentieren, bedarf es einer Überprüfung und Anpassung bzw. Weiterentwicklung des vorhandenen Dokumentationssystems. Aufzunehmen sind beispielsweise:
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