Er setzte sich auf seinen Platz, den Ehrenplatz, und ein Geselle kniete sich neben ihn. Wir alle schwiegen und lauschten dem, was kommen würde, obschon wir wussten, dass einer der zwei Gesellen, nicht der Knieende, sondern der andere, nur das eine sagen würde:
»Schlagt auf und schreibt!«
Und wir schlugen auf und schrieben, was wir hörten. Der Alte Tace legte seine von den Jahrhunderten zerfurchte Hand auf den kahlen Kopf des knieenden Jungen, und der Geselle begann mit einer Stimme wie rauer Stein, der Stimme des Alten (der Weisheit des Toten) eine neue Geschichte zu erzählen, die erst im Morgengrauen endete, gegen sechs, dann schickten die Gesellen sich an, sie als vollendet zwischen die Buchdeckel zu legen. Der Alte Tace kehrte für einen weiteren Tag zurück in seine Welt. Eins der Bücher wurde in die Regale der Hütte gestellt, der Rest in den Wald hinaus getragen – das war meine Aufgabe, dass du es weißt – und zwar zur Quelle unter dem Felsen, wo ein Kärrner, es war immer derselbe, darauf wartete, die Geschichten des Alten Tace und seiner Gesellen in die weite Welt hinauszutragen, in alle sichtbaren und unsichtbaren Himmelsrichtungen.
Und so vergingen die Jahre und Taush wurde dreizehn Jahre alt und musste nicht mehr in einer Grube schlafen, sondern ihm wurde ein weiches Bett bereitet und es wurde ihm erlaubt, bis zum Mittag zu schlafen, während die anderen, Neueren und Kleineren, um ihn herum ihre Arbeit verrichteten. Aber nicht nur einmal wurde das Bett leer vorgefunden und war Taush in der alten Grube, denn nur sehr schwer konnte er sich vom Schlafen an der Brust der feuchten Erde trennen, im Geflüster der Würmer, in den Armen der Wurzeln. Er wurde ein-, zwei-, dreimal tüchtig ausgeklopft, bis unser Taush begann, das Bett aus Holz und die Kissen mit Stroh darin gernzuhaben.
Die Brüder liebten ihn, aber sie fürchteten ihn auch, hörst du, wir fürchteten uns, weil wir seine Kräfte und Gaben kannten, und wir hatten auch gehört, dass er dreimal von dieser Welt verschwunden gewesen war, aber wohin, das wusste keiner, und obwohl er jetzt sprechen konnte und er das kraftvoll und mit angenehmer Stimme tat, teilte Taush sein Geheimnis nie mit seinen Brüdern – wo er gewesen war, als er nicht mehr da war. Oft baten sie ihn um Hilfe, damit er ihnen auf den Flügeln eines Insekts eine Nachricht von zu Hause brächte, von weit fort, oder dass er sich um einen Welpen kümmerte, dessen sie sich heimlich angenommen hatten, und damals, als der kleine Hanske vom höchsten Baum des Waldes gefallen war, nahmen sie Taush auf die Schultern und zeigten ihm den Sterbenden. Und Taush zog sein Hemd aus und spann zum ersten Mal, seit er von seiner Mutter fortgegangen war, also seit vier Jahren, die Schnur aus dem Nabel. Und Hanske starb, aber wenigstens starb er nicht allein.
Manchmal, wenn er früher mit seiner Arbeit im Stall fertig war, zäumte Danko eins der Pferde, und er und Taush ritten aus über das Feld, an der Mauer vorbei, die wieder errichtet worden war und die Taushs Vater ohne Schnur am Handgelenk aus dieser Welt gerissen hatte, und sie ritten ein paar Stunden durch Weiler und vereinzelte Dörfer und dachten daran, dass der Alte Tace sie eines Tages in die Welt entsenden würde, damit sie Städte bauten. Sie wählten sich im Spiel dazu irgendein Dorf aus, in dem sie eine fröhliche Quelle sahen oder ein niedliches Mädchen. Immer kamen sie pünktlich zurück für die nächtliche Zeremonie, immer kamen sie mit Feder und Papier zur rechten Zeit zum rechten Ort. Zum Alten Tace, der in seinem Dunkel und seinem Schweigen dieser Welt entrissen war, und dem Stimm-Gesellen, der seine Geschichte erzählte. Ganz Gaisterştat wusste, dass dank der Gesellen und dank der vom Alten erfundenen Geschichten die Welt einen neuen Tag erblicken würde, man sagte, der Alte Tace schüfe den Morgen in seinen Geschichten und ohne ihn hätte die Dunkelheit bereits die WELT verschlungen, die Sonne hätte vergessen, sich morgens aus der Erde zu erheben, und alle, die verborgen im Schatten warteten – und das sind viele, Reisender, Legionen –, hätten bereits in ewigem Freudentaumel gelebt. Darum brachten die Menschen aus der Stadt Essen und andere notwendige Dinge und ließen ihre Gaben jede Woche auf dem großen Tisch vor der Hölzernen Festung liegen und sorgten dafür, dass das Leben der Jungen auf keine Weise getrübt würde.
Ob ich mit Taush redete, fragst du? Sicher, und nicht zu selten. Wir waren sogar Weggefährten auf dem Weg nach Mandragora, so wie wir beide jetzt auf dem Weg nach Alrauna, aber davon später, jetzt ist es Zeit, dass ich dir von Taushs Liebster erzähle.
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