»Wir laufen vor einem Kampf weg, Boss?«, fragte einer der anderen Indies.
Ware starrte ihn für einen Moment giftig an, dann lächelte sie. »Nur, um zu einer möglicherweise noch größeren Schlacht zu kommen, Millard.«
Nicht nur möglicherweise , dachte Liliya bei sich. Mit einiger Sicherheit sogar .
»Ich denke, dir bleibt noch eine Stunde,«, sagte Yvette Tann an ihren Ehemann gewandt. »Mach das Beste daraus.«
Er küsste ihre Wange und warf Liliya über die Brücke hinweg einen Blick zu. Sein Lächeln sollte ihr wahrscheinlich Hoffnung vermitteln, doch alles, was sie darin sah, war Schmerz. Das alles hier war ihr Fehler. Sie war hierher gekommen und hatte das alles ausgelöst.
Und dabei hatten die wirklichen Schmerzen noch nicht einmal begonnen.
Nachdem Jiango gegangen war, verfolgte Liliya weiter den Verlauf der Gefechte auf dem Holo-Schirm. Hashori blieb neben ihr stehen, und Yvette nahm auf der anderen Seite neben ihr Platz. Die Crew der Indies war währenddessen damit beschäftigt, sich für den Start vorzubereiten und Diagnosen der Waffensysteme durchlaufen zu lassen.
Den Geschehnissen haftete eine furchtbare Art der Unvermeidbarkeit an. Jede neue Explosion oder jedes neue Aufflammen der Laser wurde von der Crew mit einem Kommentar oder einem Ausruf des Erstaunens quittiert, aber Liliya wusste, was es eigentlich zu bedeuten hatte: Alexander kam näher. Ganz gleich, welche Widersacher sich ihm in den Weg stellen würden – er würde sie beiseite fegen, sie zerstören, zu Staub zermahlen, um dann heranzustürmen und die Gewalt nach Hell zu tragen.
Aus dem Backbord-Fenster der Brücke konnte sie einen Teil der anmutigen Aufbauten der Station sowie einen der langen Andockarme erkennen, an dem mehrere Schiffe wie Samen an einem Halm hingen. So viele Menschen lebten auf Hell, und jeder Einzelne von ihnen war nun wegen ihr in Gefahr.
Doch trotz allem war sie davon überzeugt, dass sie dies tat, um die Menschen zu retten. Sie trug das Wissen in sich, mit denen sich die Rage bekämpfen ließen. Von Hashori wusste sie bereits, dass die Yautja immense Verluste erlitten hatten, und gemeinsam hatten sie aus erster Hand erfahren können, was aus einem von den Rage eroberten Sprungtor und der daran angeschlossenen Kontrollstation geworden war. Dieses Schicksal musste sich in der Sphäre herumgesprochen haben, doch selbst jetzt konnte es bereits zu spät sein.
In Wirklichkeit galt die Hauptsorge keineswegs ihr selbst . Das, was sie in sich trug, war das Einzige, was wirklich zählte. Das Einzige, für das sie Sorge tragen mussten.
Die Spuren der entfernten Gefechte verblassten von dem Schirm und Ware und ihre Crew schienen plötzlich sehr viel ängstlicher zu werden.
Hashori trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich sollte da draußen sein, in meinem Schiff«, sagte sie. Fünf Yautja-Schiffe umkreisten Hell in einer Entfernung von mehreren hundert Meilen. Ihre Ankunft hatte mit einiger Sicherheit dazu geführt, dass man die Station in Kampfbereitschaft versetzt hatte, doch ihre Aufmerksamkeit richtete sich nach außen, nicht nach innen. Sie bereiteten sich auf die Ankunft des Feindes vor. Der General und seine Armee, die gerade erst eine Schlacht geschlagen hatten, würden kampfbereit sein.
»Danke, dass du hier bei mir bleibst«, sagte Liliya.
»Was geht da draußen vor?«, fragte Yvette.
»Ihr Mann scheint Einfluss zu haben«, sagte Ware. »Die Verteidigungssysteme von Hell sind scharf. Drohnen mit Atomraketen wurden gestartet, und mehrere Angriffsschiffe sind klar zum Start. Ein paar wenige Schiffe haben sich auch aus dem Staub gemacht, aber der größte Teil der Station bereitet sich auf einen Angriff vor.«
»Wie nahe sind sie heran?«, fragte Yvette.
»Sie dürften binnen einer Stunde hier sein«, schätzte Ware. »Der Computer verarbeitet gerade die Daten, die hereinkommen, danach sollten wir einen ersten Hinweis auf ihre Stärke haben.«
»Ein großes Schiff, mit unterstützenden Angriffskreuzern«, erklärte Liliya. »Alexanders Flaggschiff ist das Werk des Faze, mächtig und schnell, geschaffen für den Krieg. Seine Angriffskreuzer sind wendiger als die Schiffe der Yautja, außerdem stärker bewaffnet.«
»Was ist ein Faze?«, erkundigte sich Yvette.
»Das ist ein …« Liliya stockte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie die Dinge beschreiben sollte, die sie auf dem weit entfernten außerirdischen Habitat vorgefunden hatten.
»Ihr Göttergatte ist wieder zurück«, meldete Hoot. Er war ein weiteres Mitglied der Crew, ein kleiner, stämmiger Mann, von dem eine unterschwellige, konstante Bedrohung auszugehen schien. Mit einem leisen Flüstern öffnete sich die Tür zur Brücke und Jiango erschien. Yvette stand auf, und für eine Weile herrschte auf der Brücke betretenes Schweigen, während sich das Paar umarmte. Vielleicht, weil ein Teil von ihnen nicht damit gerechnet hatte, dass sie sich wiedersehen würden.
»Und?«, fragte Ware nach.
»Sie haben sie beobachtet«, sagte Jiango. »Sie sind bereit zu kämpfen!«
»Um meinetwillen«, sagte Liliya.
»Nein«, korrigierte Jiango. »Um ihretwillen! Sie verteidigen Hell, und ich habe ihnen versprochen, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um ihnen zu helfen.«
Ware seufzte geräuschvoll. »Sie sollten sich so langsam mal entscheiden, Paps. Sollen wir Fersengeld geben und sie retten? Oder hierbleiben und kämpfen?«
»Ich dachte an eine Möglichkeit, mit der uns beides gelingen könnte«, erwiderte Jiango. Er warf einen Blick auf den Holo-Schirm, auf dem nun, da die entfernte Schlacht vorüber war, nur die dunkle, gähnende Unendlichkeit zu sehen war. Dann sah er Hashori an und bat Liliya, für ihn zu übersetzen. »Hör mir zu. Wir haben nicht viel Zeit.«
Der Angriff brach schnell und unbändig über sie herein.
General Alexander ließ sein Hauptschiff erst eine Million Meilen vor Hell unter Warp gehen, schoss mit maximaler Sub-Warp-Geschwindigkeit heran und entfesselte ein Sperrfeuer aus Atomraketen auf die Schiffe, die die Station umkreisten. Sieben solcher Schiffe waren gestartet, um die große Station zu verteidigen.
Die Atomraketen zogen unsichtbare Linien durch das All und dann explodierten sie zu grellen, brodelnden Flammenwolken, bevor sie wieder verglühten. Eine von ihnen zerstörte ein Bergungsschiff, das sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnte, während die anderen Schiffe ihnen auswichen und sich im Zick-Zack-Kurs ihren Weg durch die verblassende Glut der Zerstörung bahnten.
»Wo sind seine Angriffskreuzer?«, fragte Liliya verwirrt.
»Schätze, die behält er sich als besondere Überraschung noch vor«, sagte Ware.
Jiango hatte ihr die Zugangscodes zum Hauptrechner von Hell gegeben, der sie mit einem komplexen und ausführlichen Statusbericht des Angriffs versorgte. Sie wechselte durch die verschiedenen Ansichten, die auf den drei Haupt-Schirmen der Brücke zu sehen waren, und deutete dann auf einen von ihnen, auf denen die Leere hinter der Region zu sehen war, in der der hauptsächliche Angriff stattfand.
Und tatsächlich glommen dort wenige Sekunden später mehrere Lichtpunkte auf, als eine Reihe kleinerer Schiffe unter Warp ging.
»Und da sind sie auch schon.«
»Jetzt?«, fragte Robo.
»Nur noch ein paar Sekunden«, hielt Ware sie zurück. »Wenn das, was der alte Mann sagt, stimmen sollte …«
»Es ist unsere beste Chance«, warf Jiango ein.
»Er ist noch gar nicht so alt«, fuhr Yvette dazwischen, doch wenn es als mutiger Versuch gedacht war, die Stimmung aufzuheitern, scheiterte dieser kläglich.
»Heilige Scheiße, was ist das bloß für ein Ding?«, fragte Millard. Alexanders Flaggschiff, welches sich Hell langsam näherte und dabei funkelnd Gegenmaßnahmen ausspuckte, um die Raketen und Lasersalven abzuwehren, die darauf abgefeuert wurden, füllte jetzt einen der kleineren Holo-Schirme aus. Liliya versuchte sich auszumalen, wie es sich anfühlen musste, zum ersten Mal ein solches Schiff zu sehen. Monströs und in einem sanften pinken Farbton schimmernd, der es wie die Innereien einer riesigen Kreatur wirken ließ, rollte und wirbelte das Schiff auf sie zu, wehrte die Schüsse der Laserkanonen ab und feuerte gleichzeitig seine eigenen Waffen ab, deren Strahlen wie Samen durch die Nacht flirrten.
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