Deshalb rate ich niemandem, ja ich rate vielmehr allen ab, in einen Orden oder Priesteramt zu treten, er sei denn mit dem Wissen ausgerüstet, daß er verstehe, daß die Werke der Mönche und Priester, wie heilig und hoch sie auch sein mögen, vor dem Angesicht Gottes in nichts unterschieden sind von den Werken eines Bauern, der auf dem Acker arbeitet, oder eines Weibes, das ihrer Haushaltung wartet, sondern daß alles vor Gott nach dem Glauben gemessen wird, wie Jeremia 5, 3 sagt: ›Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben‹, und Sirach 32, 27: ›Was du vornimmst, so vertraue Gott von ganzem Herzen. Denn auch das ist ein Halten der Gebote Gottes.‹ Ja, es kommt häufiger vor, daß ein häusliches und schlichtes Werk einer Magd oder eines Knechtes Gott wohlgefälliger ist als alle Fasten und Werke eines Ordensmannes und Priesters – wegen des fehlenden Glaubens. Weil demnach die Gelübde heutzutage wahrscheinlich nur zur Prahlerei und zur Anmaßung wegen der Werke dienen, steht zu fürchten, daß es nirgends weniger Glauben, weniger von der Kirche gibt als eben bei Priestern, Mönchen und Bischöfen, und daß sie rechte Heiden und Heuchler sind, die sich für die Kirche oder für das Herz der Kirche, ebenso für Geistliche und Leiter der Kirche halten, obwohl sie doch nichts weniger als das sind.
Dies sei einstweilen genug von der Taufe und ihrer Freiheit. Später werde ich vielleicht die Gelübde ausführlicher behandeln, wie es wirklich dringend nötig wäre, sich mit ihnen besonders zu beschäftigen.
Von dem Sakrament der Buße
An dritter Stelle soll von dem Sakrament der Buße die Rede sein, über das ich bereits einige kleine Traktate und Disputationen veröffentlicht und damit bei vielen genug Anstoß erregt habe; ich habe dort zur Genüge auseinandergesetzt, was ich davon halte. Jetzt brauche ich das nur kurz zu wiederholen, um die Tyrannei zu enthüllen, die hier nicht weniger als im Sakrament des Brotes überhand genommen hat. Denn in diesen beiden Sakramenten hat, weil hier Gewinn- und Geldsucht ihren Platz fanden, die Habsucht der Hirten unglaublich gegen die Schafe Christi gewütet, obwohl, wie wir schon in bezug auf die Gelübde gesehen haben, auch die Taufe bei den Erwachsenen erbärmlich darniederliegt, damit der Habsucht gedient werde.
Das erste und das Hauptübel bei diesem Sakrament ist, daß sie seinen Sakramentscharakter ganz abgeschafft haben, so daß keine Spur davon geblieben ist. Denn weil es, wie die beiden anderen Sakramente, auf dem Wort der göttlichen Verheißung und unserm Glauben steht, haben sie beides über den Haufen geworfen. Denn das Wort der Verheißung, wo Christus, Matth, 16, 19, sagt: ›Alles, was du binden wirst‹ usw., und Matth. 18, 18: ›Alles, was ihr binden werdet‹, und Joh. 20, 23: ›Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen‹ usw. – Worte, durch die der Glaube derer, die Buße tun, erweckt wird, um die Vergebung der Sünden zu erlangen – haben sie ihrer Tyrannei angepaßt. Denn in all ihren Büchern, Lehren und Predigten haben sie sich nicht bemüht zu lehren, was den Christen in diesen Worten verheißen ist, was sie glauben sollen und wieviel Trost sie darin haben, sondern wie weit, wie lang und wie tief sie selbst mit Macht und Gewalt Tyrannei treiben könnten, bis schließlich einige sogar anfingen, auch den Engeln im Himmel zu gebieten; sie prahlen mit unglaublicher und rasender Ruchlosigkeit, sie hätten mit diesen Worten das Herrschaftsrecht im Himmel und auf Erden empfangen und besäßen die Macht, auch im Himmel zu binden. So lehren sie nichts von dem das Volk rettenden Glauben, sondern sie faseln nur von der tyrannischen Gewalt der Päpste, obwohl doch Christus nichts in bezug auf die Gewalt, sondern alles in bezug auf den Glauben behandelt.
Denn Christus hat nicht Reiche, nicht Gewalten, nicht Herrschaften, sondern Dienste in seiner Kirche gestiftet, wie wir vom Apostel gelernt haben, der da sagt (1. Kor. 4, 1): ›Dafür halte uns jedermann: für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse.‹ Ebenso hat die Stelle, wo Christus sagt (Mark. 16, 16): ›Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden‹, den Glauben derer erweckt, die getauft wurden; durch dieses Wort der Verheißung soll der Mensch, wenn er getauft wird und glaubt, gewiß sein, daß er selig wird. Hier wird schlechterdings nichts an Gewalt verliehen, sondern lediglich ein Dienst an denen, die getauft werden sollen, eingerichtet. Ebenso ist es auch hier. Wenn er sagt: ›Alles, was du binden wirst‹ usw., erweckt er den Glauben des Büßenden, daß er durch dieses Wort der Verheißung gewiß sei: wenn er im Glauben losgesprochen würde, daß er im Himmel wahrhaftig losgesprochen sei. Da wird eindeutig nichts von Gewalt, sondern der Dienst dessen berührt, der da losspricht. Und es ist verwunderlich genug, was jenen blinden und anmaßenden Menschen widerfahren sein muß, daß sie sich nicht auch aus der Verheißung der Taufe eine Tyrannei angemaßt haben; oder wenn sie sich diese nicht angemaßt haben, warum sie es sich dann bei der Verheißung der Buße herausgenommen haben, wo doch bei beiden Sakramenten der gleiche Dienst, eine ähnliche Verheißung und gleiche Art von Sakrament gegeben ist. Man kann also nicht leugnen: wenn die Taufe Petrus nicht allein zugehört, daß dann auch die Schlüsselgewalt nur mit gottloser Tyrannei für den Papst allein in Anspruch genommen wird.
Desgleichen, wenn Christus sagt: ›Nehmet, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird, das ist der Kelch in meinem Blut‹ usw., erweckt er den Glauben derer, die da essen, daß mit diesen Worten ihr Gewissen durch den Glauben befestigt wird und sie gewiß seien, sie empfangen die Vergebung der Sünden, wenn sie davon essen. Und auch hier verlautet nichts von Gewalt, sondern allein vom Dienst. Aber die Verheißung der Taufe ist einigermaßen nur den Kindern geblieben, die Verheißung des Brots und des Kelchs ist ausgelöscht und in die Knechtschaft ihrer Habsucht verschleppt worden, und aus dem Glauben ist ein Werk, aus dem Testament ein Opfer entstanden; die Verheißung der Buße hat sich zu einer sehr grausamen Tyrannei entwickelt und zur Aufrichtung einer mehr als weltlichen Herrschaft geholfen.
Nachdem nun die Verheißung und der Glaube in Vergessenheit gebracht und zunichte gemacht sind, laßt uns sehen, was sie an deren Stelle gesetzt haben. In drei Teile haben sie die Buße eingeteilt: Reue, Beichte, Genugtuung, doch so, daß sie von jedem das weggenommen haben, was Gutes daran war, und an deren Stelle haben sie ihre Willkür und ihre Tyrannei gesetzt.
Zuerst haben sie von der Reue so gelehrt, daß sie diese dem Glauben an die Verheißung weit vorgezogen haben und noch viel schlimmer: sie wäre nicht ein Werk des Glaubens, sondern ein Verdienst. Ja sie gedenken seiner nicht einmal, so haften sie nämlich an den Werken und Beispielen der Schrift, wo man liest, daß viele die Gnade wegen der Zerknirschung ihres Herzens und ihrer Demut erlangt haben. Aber sie bemerken den Glauben nicht, der solche Zerknirschung und Schmerzen des Herzens bewirkt hat, wie von den Niniviten Jonas 3, 5 geschrieben steht: ›Die Leute zu Ninive glaubten an Gott und ließen predigen, man sollte fasten‹ usw. Noch vermessener und ärger als diese (die contritio) haben sie eine ›kleine Reue‹ (attritio) erdichtet, welche durch die Kraft der Schlüssel – die sie nicht kennen – zu einer rechten Reue würde. Diese schreiben sie den Gottlosen und Ungläubigen zu, um so die gesamte Reue abzutun. O unerträglicher Zorn Gottes, daß das in der Kirche Gottes gelehrt werden kann! Nachdem wir so den Glauben und sein Werk zugrunde gerichtet haben, gehen wir in falscher Sicherheit in den Lehren und Meinungen von Menschen einher, vielmehr wir verderben darin. Es ist ein groß Ding um ein zerschlagenes Herz, aber nur in dem Glauben, der durch die Verheißung und göttliche Drohung brennt, der die unerschütterliche Wahrheit Gottes sieht, davor zittert und erschrickt und so das Gewissen zerknirscht, es aber auch wieder erhöht, es tröstet und das zerknirschte Gewissen erhält. So wie die Wahrheit der Drohung Gottes die Ursache für die Zerknirschung ist, so ist die Wahrheit der Verheißung die Ursache für den Trost, wenn sie geglaubt wird und der Mensch mit diesem Glauben Vergebung der Sünden erlangt. Darum soll vor allen Dingen der Glaube gelehrt und erweckt werden; wenn der Glaube siegt, dann werden unfehlbar Zerknirschung und Trost von selbst folgen.
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