Darum sollen wir uns vor denen hüten, welche die Kraft der Taufe so klein und so gering machen, daß sie sagen, die Gnade werde zwar in der Taufe eingegossen, aber nachher durch die Sünde fahrengelassen; dann müßte man auf einem anderen Weg, gleich als wenn die Taufe jetzt ganz ungültig gemacht wäre, zum Himmel gehen. So sollst du nicht urteilen, sondern die Bedeutung der Taufe so verstehen, daß du durch sie stirbst und lebst; deswegen kannst du weder durch die Buße noch auf sonst einem anderen Weg zurückkehren als allein zur Kraft der Taufe, und wiederum das tun, was zu tun du getauft worden bist und was deine Taufe bedeutet. Die Taufe wird niemals ungültig, du verzweifelst denn und willst nicht zu deinem Heile zurückkehren. Du kannst wohl eine Zeitlang vom Zeichen (der Taufe) abirren, aber darum ist das Zeichen nicht ungültig. Du bist also einmal mit dem Sakrament getauft, aber du mußt immer durch den Glauben getauft werden, allezeit sterben und wieder leben. Die Taufe hat den ganzen Leib gleichsam verschlungen und wieder herausgegeben; so soll auch die Kraft der Taufe dein ganzes Leben mit Leib und Seele verschlingen und wieder herausgeben am Jüngsten Tage, angetan mit dem Kleide der Verklärung und der Unsterblichkeit. Deshalb sind wir niemals ohne die Kraft und ohne das Zeichen der Taufe, sondern müssen allezeit mehr und mehr getauft werden, bis wir das Zeichen am Jüngsten Tage vollkommen erfüllen.
Du verstehst nun, daß alles, was wir in diesem Leben tun und was dazu dient, das Fleisch zu töten und den Geist lebendig zu machen, zu der Taufe gehört. Je kürzer wir vom Leben befreit werden, um so schneller erfüllen wir unsere Taufe, je Schwereres wir leiden, um so vollkommener werden wir unserer Taufe gleichförmig. Deshalb war die Kirche auch zu der Zeit im besten Stand, als täglich Märtyrer getötet und wie Schlachtschafe geachtet wurden. Denn damals herrschte in der Kirche mit allem Nachdruck die Kraft der Taufe, die wir jetzt vor der Unzahl der Werke und Menschenlehren gar nicht mehr kennen. Denn alles, was wir leben, soll Taufe sein und das Zeichen oder Sakrament der Taufe erfüllen, wenn wir von allem anderen befreit allein der Taufe geweiht sind, d. h. dem Tode und der Auferstehung.
Vielleicht wird man meinen Worten die Kindertaufe entgegenhalten: die Kinder verstünden die Verheißung Gottes nicht, könnten auch den Glauben der Taufe nicht haben; deshalb würde entweder der Glaube nicht gefordert oder die Kinder würden vergebens getauft. Hier sage ich, was alle sagen, daß den Kindern mit dem fremden Glauben derer zu Hilfe gekommen werde, die sie zur Taufe bringen. Denn wie das Wort Gottes, wenn es erschallt, fähig ist, auch eines Gottlosen Herz zu verändern, das doch nicht weniger taub und unempfänglich ist als irgendein kleines Kind, so wird durch das Gebet der Kirche, welche das Kind darbringt und den Glauben hat, dem alle Dinge möglich sind, auch das kleine Kind durch den eingegossenen Glauben verändert, gereinigt und erneuert. Ich möchte auch nicht daran zweifeln, daß selbst ein erwachsener Ungläubiger, wenn diese Kirche (für ihn) betete und ihn Gott darbrächte, durch ein jedes Sakrament verändert werden könnte, wie wir es von dem Gichtbrüchigen im Evangelium (Matth. 9, 1 ff.) lesen, der durch den Glauben anderer gesund gemacht worden ist. Und aus diesem Grunde will ich gern zugeben, daß die Sakramente des neuen Gesetzes kräftig sind, die Gnade nicht allein denen zu geben, die dem keinen Riegel vorschieben, sondern auch denen, die das aufs hartnäckigste tun. Denn was sollte wohl der Glaube der Kirche und das Gebet des Glaubens nicht hinwegnehmen, da man doch glaubt, daß Stephanus den Apostel Paulus mit dieser Kraft bekehrt habe? Aber dann wirken die Sakramente solches nicht aus eigener, sondern durch die Kraft des Glaubens, was sie wirken, ohne den sie, wie ich gesagt habe, gar nichts wirken.
Eins füge ich hier noch hinzu, und wollte Gott, ich könnte alle dazu überreden: daß alle Gelübde sämtlich aufgehoben oder vermieden würden, mag es sich dabei um Klostergelübde, um Gelübde zu einer Wallfahrt oder zu anderen Werken handeln, und daß wir in der allergeistlichsten und überaus wirksamen Freiheit der Taufe blieben. Es ist nicht zu sagen, wieviel dieser mehr als zuviel verbreitete Gelübdewahn der Taufe Eintrag tut und das Wissen um die christliche Freiheit verdunkelt, ganz zu schweigen von den unsagbaren, unzähligen Gefahren für die Seele, welche diese Sucht Gelübde abzulegen und die unbedachte Unbesonnenheit täglich mehr und mehr häuft. O ihr ruchlosen Bischöfe und ihr unseligen Hirten, die ihr in falscher Sicherheit schnarcht und eure Leidenschaften pflegt und euch nicht um den großen und sehr gefährlichen ›Schaden Josephs‹ kümmert (Amos 6, 6),
Hier sollte man mit einer allgemeinen Anordnung entweder alle Gelübde aufheben, insbesondere die auf Lebenszeit und jedermann wieder zum Taufgelübde zurückrufen oder fleißig dazu ermahnen, daß niemand unbesonnen etwas gelobte, niemanden dazu auffordern, ja schwer zugänglich und langsam sein, Gelübde zuzulassen. Denn wir haben in der Taufe genug gelobt – mehr als wir erfüllen können – und werden genug zu schaffen haben, wenn wir nur dieses einzige Gelübde halten wollen. Aber jetzt ›durchziehen wir Wasser und Land, damit wir viele Proselyten gewinnen‹ (Matth. 23, 15), wir füllen die Welt mit Pfaffen, Mönchen und Nonnen, und alle diese kerkern wir mit ewigen Gelübden ein. Hier findet man Leute, die disputieren und behaupten, ein Werk innerhalb eines Gelübdes sei besser als ein Werk, das außerhalb eines und ohne ein Gelübde getan wird, und sei – ich weiß nicht, um wie großer Belohnungen im Himmel willen – anderen vorzuziehen. O diese blinden und gottlosen Pharisäer, die an der Größe, an der Vielfalt und anderen Eigenschaften der Werke die Gerechtigkeit und Heiligkeit messen, die bei Gott allem an dem Glauben gemessen wird, bei dem es keinen Unterschied der Werke gibt, außer was den Unterschied des Glaubens betrifft.
Mit solchen aufgeblasenen Worten verschaffen sich diese gottlosen Leute mit ihren Erfindungen einen guten Ruf und rühmen die Werke der Menschen, um den unverständigen Pöbel anzulocken, der durch den äußeren Schein der Werke für gewöhnlich zu einem starken Verlust des Glaubens, zum Vergessen der Taufe und zur Schädigung der christlichen Freiheit verleitet wird. Denn weil ein Gelübde gewissermaßen ein Gesetz ist und eine Auflage, werden, wenn die Gelübde vervielfacht werden, auch die Gesetze und Werke notwendigerweise vervielfacht; werden aber diese vervielfacht, so wird der Glaube ausgelöscht und die Freiheit der Taufe gefangen genommen. Mit solchen gottlosen Schmeichelreden nicht zufrieden, fügen einige noch hinzu, der Eintritt in einen Orden sei eine Art neue Taufe, die man so oft erneuern könne, so oft der Vorsatz zum mönchischen Leben erneuert wird. So haben sich diese Gelübdeanpreiser die Gerechtigkeit, die Seligkeit und den Ruhm allein zugeschrieben; den Getauften haben sie gar nichts übriggelassen, womit sie ihnen verglichen werden könnten. Der römische Bischof, Quelle und Hauptursache allen Aberglaubens, bestätigt, billigt und lobt jetzt diese Art zu leben mit herrlichen Bullen und Gnadenerweisen, während die Taufe niemand auch nur einer Erwähnung wert findet. Und mit diesem glänzenden Aufwand treiben sie – wie gesagt – das willige Volk Christi, wohin sie wollen, daß sie sich, undankbar gegen ihre Taufe, rühmen, mit ihren Werken etwas Besseres zu leisten als andere mit ihrem Glauben.
Aber hier mag ein jeder das Seine darüber denken. Ich will das, was ich angefangen habe, fortsetzen. Weil ich für die Freiheit der Kirche und die Sache der Taufe eintrete, muß ich öffentlich den Rat geben, den ich durch den heiligen Geist gelernt habe. Darum rate ich zuerst den Vorstehern der Kirchen, daß sie all diese Gelübde oder die (Vorschriften für die) Lebensweise der Gelobenden abschaffen, oder daß sie sie weder billigen noch besonders herausstellen. Oder, wenn sie das nicht tun, rate ich allen, die mit größerer Gewißheit (als bisher) selig werden wollen, daß sie sich von allen Gelübden und besonders von den großen und lebenslänglichen enthalten, in Sonderheit die jungen Leute. Das rate ich erstens deshalb, weil solch eine Lebensweise, wie gesagt, kein Zeugnis noch Beispiel in der Schrift hat, sondern allein durch der Menschenpäpste Bullen – rechte Wasserblasen – aufgeblasen worden ist; weiter, weil sie wegen ihres äußeren Scheines und ihrer Besonderheit willen zur Heuchelei neigt. Von da kommen der Hochmut und die Verachtung des allgemeinen christlichen Lebens. Und wenn sonst keine andere Ursache wäre, solche Gelübde abzuschaffen, hätte doch diese allein Gewicht genug, daß durch sie dem Glauben und der Taufe Abbruch geschieht und Werke gerühmt werden, die ohne Verderben nicht gerühmt werden können. Denn unter vielen tausenden ist kaum einer, der in den Orden nicht viel mehr die Werke als den Glauben hochhält. In diesem Wahnsinn will noch ein jeder besser sein als der andere, wie die ›Strengeren‹ vor den ›Laxeren‹, wie sie sagen.
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