Bezüglich der „Durchblutungsstörung“ werden heute Ursachen beruhend auf einer erhöhten Viskosität (= verminderte Fließeigenschaft) des Blutes, aber auch auf dem Boden von sogen. Mikro-Thromben und Störungen in der Vasomotion (= der physiologische Weitenwechsel von Arterien + Venen, der für die Stoffwechselregulation von Bedeutung ist) als (Mit-) Auslöser diskutiert. Inzwischen konnte in Studien belegt werden, dass zumindest bei einem Teil der Hörsturz-Kranken Erhöhungen der Konzentrationen im Blut von Fibrinogen und Cholesterin nachzuweisen waren und diese zu einer signifikant erhöhten Aggregation (= Verklumpung) von Erythrozyten (= rote Blutkörperchen) und der Blut-Plasma-Viskozität führten.
Alle Faktoren, die eine Verdickung oder erhöhte Gerinnungsneigung des Bluts begünstigen, tragen somit zur Auslösung eines Hörsturzes bei. Erhöhte Blutfettwerte, insbesondere des Cholesterins, sind hier an erster Stelle zu nennen. Cholesterin lagert sich an den Gefäßwänden an, wodurch die Blutgefäße verengt und der normale Blutfluss behindert werden. Auch eine zu hohe Konzentration von gerinnungsfördernden Stoffen im Blut (z.B. Fibrinogen) beeinträchtigt die Blutzirkulation in den kleinen Gefäßen des Innenohrs. Sind die Blutgefäße durch Arteriosklerose vorgeschädigt, besteht eine erhöhte Gefahr, dass sich Blutgerinnsel in den Gefäßen festsetzen.
Bluthochdruck (Hypertonie) und übermäßiger Nikotin-Gebrauch fördern die Entstehung von Arteriosklerose und gelten daher ebenfalls als Risiko-Faktoren für die Ausbildung eines Hörsturzes.
Auch starke Blutdruckschwankungen, insbesondere ein plötzlicher Abfall des Blutdrucks, Herzerkrankungen wie Herzmuskelschwäche (Herz-Insuffizienz) oder Angina Pectoris können können eine Minderdurchblutung der Haarzellen im Ohr bewirken.
Darüber hinaus wurde ein Zusammenhang zwischen schweren seelischen Belastungs- und Konfliktsituationen und dem Auftreten eines Hörsturzes beobachtet.
In weiteren Fällen kommen als Ursachen virale Infektionen – insbesondere mit Mumps-Viren, Masern-Viren, Herpes-Simplex- + Zoster-Viren, Grippe-Viren, Adeno-Viren Typ 3, Windpocken-Viren + Mononucleose-Viren – infrage. Aber auch Entzündungen und/oder eine Verletzung des Ohrs (Durchbruch der dünnen Trennwand zwischen Innenohr und Paukenhöhle) und nicht zuletzt auch Tumoren (wie z.B. Akustikus-Neurinom).
Diskutiert werden hinsichtlich der Ätiologie des Hörsturzes aber in den letzten Jahren auch ‚auto-immunologische Prozesse’ .
Fakt ist aber auch:
In vielen Fällen lassen die Ursache(n) eines Hörsturzes nicht bzw. nicht eindeutig klären.
Vorkommen und Betroffene
Der Hörsturz hat eine Morbidität von 1:5000 pro Jahr ; in den letzten 10-15 Jahren mit ständig steigender Zunahme der Erkrankungsrate.
Der Hörsturz ist die häufigste Funktionsstörung des Innenohrs . Schätzungen zufolge erleiden in Deutschland pro Jahr etwa 16.000 Menschen einen plötzlichen Hörverlust unterschiedlichen Schweregrads.
Ein Hörsturz ereignete sich bei Kindern, Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen bis vor ca. 25 Jahren recht selten. Jedoch seit der „Disco-Generation“ kommt diese akute Hörminderung immer häufiger vor. Das gilt auch für junge Erwachsene – also zwischen 20 und 30 Jahren –. Ein weiterer Krankheitsgipfel findet sich zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr.
Allerdings findet sich in den letzten Jahren ein Wandel in der Erkrankungshäufigkeit. Zunehmend werden Menschen in den sogen. „besten Jahren“ („best ager“), also zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr von einem Hörsturz betroffen.
Besonders die sogen. ‚Workaholics’ und Menschen mit Dauerstress werden signifikant oft von diesem Gehörtrauma auf der Grundlage einer „nicht erkennbaren Ursache“ (= idiopathisch) heimgesucht.
Von einem Hörsturz sind Frauen wie Männer gleich häufig betroffen.
Pathogenese
Gegen einen ausschließlichen „gefäß-entzündlichen“ Prozess sprechen, dass die histo-pathologischen Befunde des Schläfenbeins (Os temporale) sich deutlich unterscheiden von denen, die man bei Gefäßverengungen und -veränderungen oder auch thrombotischen bzw. embolischen Prozessen sieht und findet. Sie ähneln aber sehr deutlich den Befunden, die man bei humanen Virus-Infektionen des Innenohrs findet. Es findet sich eine „endolymphatische Labyrinthitis“! Dabei gleichen sich die Befunde und zwar unabhängig vom ursächlichen Virus: das Corti-Organ im unteren Bogengang fehlt, ebenso einzelne Haarzellen der Lamina basilaris cochleae (= die bindegewebige Basilarmembran, welche den Ductus cochlearis von der Scala tympani trennt und die das CORTI-Organ trägt. Wichtig: jedem Ort der Lamina ist eine spezifische Schallfrequenz zugeordnet!). Weiter ist die Ganglionzellzahl auf der unteren Schneckenwindung vermindert und die Stria vascularis atrophiert (= verkümmert); ferner ist die Tektorialmembran oft ‚eingerollt’ und in ein Synzytium (= vielkernige Zytoplasma-Masse) eingehüllt. Die Reissner’sche-Membran kann zusammengefallen sein und der Basilarmembran anhaften.
Aber auch noch:
Plötzliche Druckschwankungen oder plötzliche und starke körperliche (Über-)Belastungen (u.a. Gewichtheben) können manchmal zu Peri-Lymphfisteln zwischen Innen- und Mittelohr führen. Fisteln im ovalen und im runden Fenster verursachen einen plötzlichen und fluktuierenden (= wellen-artigen) chochleo-neuralen Hörverlust mit Schwindel (!). Gelegentlich kann der Betroffene „auf dem erkrankten Ohr bei der Fistelentstehung das „Platzen“ hören“!
„Art“ der Hörstörung beim Hörsturz
Beim Hörsturz handelt es sich um einen „cochleo-neuralen Hörverlust“.
Die Hörstörung ist dabei vom ‚senso-neuralen Typ’ [d.h.: es findet sich eine Lateralisation = Lokalisation des Prüftons in das gesunde Ohr im Weber-Versuch – außerdem ist der Rinne-Versuch = Hörprüfung mit der Stimmgabel zur Unterscheidung zwischen Schallleitungs- und Schallempfindungs-Störung positiv = Hinweis auf Innenohr-Schwerhörigkeit] mit Zeichen der cochleären Schädigung [u.a. übermäßige Lautheitsempfindung, positiver Lautheitsausgleich und auch noch unterschiedliche Frequenzempfindung beider Ohren]; der Trommelfellbefund ist beim Hörsturz normal = unauffällig!
Einteilung
Unterschiedliche Frequenzausfälle erlauben die „Einteilung eines Hörsturzes“ in
a. Hochton-Innenohr-Schwerhörigkeit
b. Tiefton-Innenohr-Schwerhörigkeit
c. Pan-cochleäre Innenohr-Schwerhörigkeit
d. Mittelton-Innenohr-Schwerhörigkeit
Merke:
Die Unterschiede lassen sich nur mit Hilfe des ‚Tonschwellen-Audiogramms‘ nachweisen.
Symptome
A. ‚Direkte‘ Hörsturz-Symptome
1.hochgradiger bis totaler Hörverlust
überwiegend „einseitig“ – plötzlich wie ein Peitschenschlag auftretend! – ohne ‚erkennbaren‘ Anlass/Grund.
2.„dumpfes Druckgefühl“ auf der betroffenen Ohrseite
Wie „Watte im Ohr“
B. ‚Indirekte‘ Hörsturz-Begleit-Symptome
3. Tinnitus aurium (Ohrgeräusche) bei ca. 80% der Fälle
4. Schwindel (Vertigo) bei ca, 30% der Fälle
5.Schwindel + Ohrgeräusche bei ca. 30-40% der Fälle
Fakten „Hörsturz“
Renommierte Fachmediziner (nachzulesen in einer Broschüre der Pharma-Firma B|BRAUN vom Februar 2002) weisen darauf hin, dass der
Hörsturz die häufigste akute Funktionsstörung des Innenohrs
ist und auf Grund der Zunahme der Häufigkeit der Hörsturz sich nachgerade zu einer „Volkskrankheit“ entwickelt.
Das Fatale:
In nicht wenigen Fällen kommt es zum wiederholten bis mehrmaligen Hörsturz bei ein und demselben Patienten!
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