Sie war gerade dabei Danjals Sachen verschwinden zu lassen, als es klopfte. Mist, alles hatte sie nicht in ihrem Schrank verstecken können und auch die Matratze lag noch da. Jen strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, richtete ihre Kleidung und öffnete die Tür.
Der Älteste saß ihr am Tisch gegenüber und ließ seinen Blick, während sie sich unterhielten, durch den Raum schweifen.
„Wie geht es Ihnen?“, fragte er und trank einen Schluck Kaffee.
„Sehr gut, danke.“
„Ich habe von dem Angriff auf Sie gehört. Eine Schande, dass es genau vor dem Palais geschehen ist.“ Er schüttelte den Kopf.
„Es ist alles gut gegangen, Elias war ja da.“
Karl Brent nickt und stellte die Kaffeetasse ab. „Darf ich Ihre Toilette benutzen?“
„Natürlich, die Stufen rauf und dann geradezu.“
Der Älteste ging und ließ sie mit den beiden Jägern, die mit in das Loft gekommen waren, alleine. Die anderen waren unten geblieben. Jenna lächelte den Männern unsicher zu.
Karl Brent brauchte ziemlich lange, und als er zurückkam, war sie sich sicher, dass der Toilettenbesuch nur ein Vorwand gewesen war, sich hinten umzusehen.
„Haben Sie Besuch?“, fragte er und deutete auf Danjals Matratzenlager.
Mist! „Ja, äh ein alter Freund ist ein paar Tage in der Stadt und schläft hier bei uns.“
Brent nickte verständnisvoll.
„Ich muss mich jetzt leider von Ihnen verabschieden, weitere Termine“, entschuldigte er sich und reicht ihr seine Hand. „Bitte richten Sie Elias aus, dass er sich melden soll. Ich habe ihn seit diesem Tag im Palais nicht mehr gesehen oder gehört.“
Jenna nahm seine Hand und sagte: „Ich werde es ihm bestellen. Danke für Ihren Besuch.“
„Ich gehe in den Keller, vielleicht ist der Sicherungskasten dort“, hörte er einen der Männer sagen und der andere stand plötzlich in dem Zimmer, in dem er sich aufhielt. Es war ein Jäger, Aidan konnte es spüren. Ob er gekommen war, um nach ihm zu suchen? Der Mann hatte ihn offensichtlich noch nicht entdeckt, denn er schaute ziellos durch den Raum. Aidan trat aus dem Halbdunklen des Zimmers heraus. Er musste den ersten Schlag austeilen, sonst würde es böse für ihn enden, Jäger waren gefährlich!
Danjal hatte den verdammten Kasten am Ende der Kellertreppe gefunden und die herausgesprungene Hauptsicherung wieder eingedreht. Scheiße, diese Hütte war so schäbig, er hatte es satt, wollte endlich wieder eine vernünftige Unterkunft!
„Jetzt müsste es funktionieren, probiers mal aus“, rief er und stieg die Treppe wieder hinauf.
Er bekam keine Antwort. Danjal runzelte die Stirn, hier stimmte etwas nicht! Hier war noch jemand und es war kein Mensch!
Bei allen Dämonen der Hölle! Dieser Jäger war stark, sehr stark. Aidan hatte beobachtet, dass er humpelte und geglaubt, er würde ein leichter Gegner sein, aber er hatte sich getäuscht. Er machte es Aidan unmöglich, sein Feuer auf ihn zu schleudern.
Sie standen einander gegenüber, der Jäger mit gezogener Waffe, er in Flammen stehend. Wenigstens reichte seine Kraft aus, zu verhindern, dass er schoss, um ihn zu töten und dann festzusetzen, bis eine von diesen bescheuerten Auserwählten ihn vernichten konnte. Aber Aidan wusste nicht, wie lange er das noch schaffen würde.
Er hatte ganz plötzlich vor ihm gestanden. War aus dem Halbdunklen des Zimmers vor ihn getreten. Elias hatte seine Waffe gezogen und seinen mentalen Schutz aufgebaut. Der Abkömmling war stark, sehr stark. Keiner von diesen niederen Kreaturen. Sie standen einander gegenüber, er mit der Pistole in der Hand, der andere in Flammen stehend. Elias kämpfte gegen die Kraft des Abkömmlings an. Er schaffte es nicht abzudrücken, aber er verhinderte, dass dieser Dämonen-Sprössling ihn mit seinem Feuer verbrannte. Wie lange er das noch schaffen würde, wusste er nicht.
Jäh wendete der Abkömmling seinen Blick von ihm ab und starrte an ihm vorbei. Elias sah Angst in seinen glühenden Augen aufflackern, die Erleichterung wich.
„Ich kenne dich, du bist der Sohn Liliths“, sagte der Feuerdämon, so als würden sie hier nicht gerade ums Überleben kämpfen. „Gut, dass du da bist, du musst mir helfen“, bat er.
Danjal stand hinter ihm, er spürte seinen Atem. Elias bekam eine Gänsehaut, obwohl es in dem Raum glühend heiß war.
„Der Jäger ist stark! Hilf mir!“
Auch Elias kam an den Rand seiner Kräfte, er hätte die Hilfe Danjals benötigt, aber der tat nichts. Er konnte nicht mehr, seine Hand mit der Waffe begann zu zittern. Er musste gegen den Abkömmling …
„Danjal!“, flüsterte er und hoffte, dass der ihn bei dem tosenden Geräusch, das die Flammen von sich gaben, hören würde.
Und Elias hoffte, dass der Sohn der Lilith sich für die richtige Seite, für die gute Seite entscheiden würde.
Der Jäger war für einen Moment abgelenkt. Aidan nutzte diese Chance und schleuderte ihm sein Feuer entgegen. Der Sohn der Lilith reagierte, jedoch anders als Aidan es vermutet hatte; er stellte sich blitzschnell vor den Arsaten, packte ihn und stieß ihn zu Boden. Die Flammen verfehlten ihre volle Wirkung.
Er setzte noch einmal nach, ließ die Flammen auflodern und sie ergriffen die Kleidung des Jägers. Der andere drehte sich zu ihm um. Ganz kurz trafen sich ihre Blicke und Aidan wusste, er würde ihm nicht helfen. Liliths Abkömmling machte eine Bewegung mit dem Arm und er wurde gegen die Wand geschleudert. Er wartete auf seinen Tod, aber der andere zögerte. Dann fühlte er eine unsichtbare Hand, die nach seinem Herz griff. Sie drückte es zusammen, sodass eine Enge in ihm entstand, die ihm die Luft nahm. Er versuchte sich zu wehren, brachte alles auf, was noch an Kraft und Willen in ihm war. Für einen Moment glaubte er, eine Chance zu haben, doch flirrende, weiße Punkte tauchten vor seinen Augen auf, er röchelte, nun würde das Ende kommen.
Dann ließ der Druck nach.
Er schaute dem Erstgeborenen in die Augen, die ihn klar und rein, hellgrau fixierten. Verschwinde!, vernahm er die tonlosen Worte seines Gegenübers nur in seinem Kopf. Aidan schluckte schwer.
„Du bist ein Verräter!“, flüsterte er und floh.
Das Zimmer stand in Flammen. Gierig erfassten sie alles, was sich ihnen in den Weg stellte, um sich den Weg durch das Haus zu bahnen und es zu verschlingen. Der Rauch brannte in den Augen, in der Lunge. Das alte Gemäuer bot ihnen genug Nahrung.
Sie mussten hier raus! Danjal hockte sich zu Elias, der noch am Boden lag. Er war verletzt und hatte offensichtlich starke Schmerzen.
„Wir müssen hier verschwinden!“
Er wollte ihn auf die Beine ziehen, aber der Arsate schlug seine Hand weg.
„Nimm deine Finger von mir!!“
Mühsam versuchte er aufzustehen. Danjal griff ihm unter die Arme, um zu helfen. Elias schwankte bedrohlich.
„Ich schaff das alleine Danjal!“, sagte der Jäger.
Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Er wollte …, aber Elias ließ es nicht zu.
„Du hast gezögert und du hast ihn laufen lassen, ich vertraue dir kein Stück!“
Er war kaum in der Lage einen Fuß vor den anderen zu setzen, so würden sie hier beide verbrennen. Danjal verpasste ihm einen Kinnhaken und fing ihn auf, bevor er erneut zu Boden gehen konnte. Schlaff hing Elias Körper in seinem Arm und er schleppte ihn hinaus, wo er gierig nach Luft schnappte. Alles um sie herum lag in einem rot-orangenen Licht. Das Haus brannte lichterloh und in der Ferne waren bereits die Sirenen der Feuerwehr zu hören.
Jenna eilte durch die Gänge der Notaufnahme des Universitätsklinikums.
„Oh mein Gott! Was ist passiert?“, rief sie Danjal entgegen, der am Ende des Flures stand, noch bevor sie ihn erreicht hatte.
Er hatte sie angerufen und gesagt, er müsse Elias ins Krankenhaus bringen. Sie hatte sich sofort auf den Weg gemacht.
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