1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 „Es bringt mich fast um es zu sagen, aber du hast Recht.“ Er verzog den Mund und schüttelte den Kopf. „Nicht zu glauben, dass der Himmel es schafft mich vom Sex abzuhalten.“
Grinsend hob Lil die Hände und strich damit über seine Arme. Es waren wirklich sexy Arme, mit glatter Haut und festen Muskeln darunter. Besonders anziehend war die Tätowierung einer Schlange, die sich um seinen linken Bizeps schlang und über die Schulter zu seiner Brust wand. Lil liebte es, jede einzelne der feinen Linien mit den Fingern nachzufahren. Oder mit der Zunge.
„Wir holen das nach“, murmelte sie.
Sofort funkelte es in seinen grünen Augen, sein Mund verzog sich zu einem durchtriebenen Grinsen. „Ich nehme dich beim Wort.“
Ein Kribbeln lief über Liliths Haut und sie fragte sich, ob es klug oder eher besonders dämlich von ihr gewesen war, Luzifer dieses Versprechen zu geben. Da sie sich aber im Moment gut verstanden, entschied sie, dass es eine gute Idee gewesen war.
„Wie sollen wir es angehen?“, fragte sie. Sie musste nicht extra betonen, was sie mit „es“ meinte. Lu verstand sie auch so, das sah sie an dem gefährlichen Glanz, der in seine Augen trat.
„Ich will, dass du die Vorhut bildest.“
„Du meinst getreu dem Motto ‚Wenn der Teufel nicht siegen kann, dann schickt er eine Frau‘?“
Lu lachte unanständig. „So in der Art. Selbst wenn die Tugenden diesen Menschen gesäugt haben, irgendwo hat auch er einen Fleck auf seiner Seele und wenn er noch so winzig ist. Sobald wir diesen gefunden haben, sind die Todsünden dran.“
„Mit allen Mitteln?“
Lu lachte und antwortete: „Für weniger würde ich dich nicht aus dem Bett lassen. Aber vielleicht fängst du erstmal klein an.“
Lil grinste vor sich hin. „Du weißt doch, was man sagt: Ein Lächeln wird dich sehr weit bringen.“
„Aber ein Lächeln und eine Waffe bringen dich weiter“, ergänzte Lu. Mit einem Seufzen stieg er aus dem Bett. Er sah auf sie hinunter und wurde wieder ernst. „Du weißt, dass du dort jemandem von oben über den Weg laufen könntest?“
„Ja“, erwiderte sie. Kälte sammelte sich hinter ihrem Brustbein, die Brandnarbe an ihrem Hals begann zu prickeln. Sie stützte sich auf die Ellenbogen.
„Willst du Bia mitnehmen?“
Oh, Luzifer war gefährlich, wenn er so fürsorglich war. Lil war meilenweit davon entfernt naiv zu sein, doch manchmal ertappte sie sich dabei, dass sie ihn für einen von den Guten halten wollte. Wobei es in ihrem verdrehten, abartigen Fall auch so war, dass tatsächlich die Hölle der Ort gewesen war, der ihre Rettung bedeutet hatte.
„Nein.“ Lil stieg aus dem Bett, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Lu auf die Wange. „Ich bin ein großes Mädchen.“
„Das sehe ich“, murmelte er.
„Vergiss es also nicht.“
Er ging hinter ihr her, als sie mit wiegenden Hüften zum Badezimmer lief. „Hat es eigentlich wehgetan, als du vom Himmel gefallen bist?“
Lilith lachte. Dieses Wortspiel spielten sie schon seit Jahrtausenden und es amüsierte sie doch immer wieder aufs Neue. Also drehte sie sich um, zwinkerte Lu zu und erwiderte: „Nein, aber ich habe mir die Knie aufgeschürft, als ich aus der Hölle gekrochen bin.“
Ganz so unangenehm war der eigentliche Weg aus der Hölle dann nicht.
Tatsächlich war er ziemlich unspektakulär, wenn auch hübsch anzusehen. Es gab nämlich keine Höllenpforte, wie man das meinen konnte. Die Hölle, die Erde und der Himmel waren sprichwörtlich verschiedene Ebenen, die man als Sterblicher durch den Tod wechseln konnte oder als Unsterblicher durch Dematerialisierung.
Ein viel zu technisches Wort für Liliths Geschmack, aber man hatte sie bei der Auswahl nicht gefragt.
Also dematerialisierte sie sich von der Hölle in eine Seitengasse nicht weit von der Zentrale der Organisation. In dem schlichten Gebäude würde sie Mr Hammond sicher finden und wenn nicht, dann würde sie dort erfahren, wo sie ihn suchen musste. Dann einige Minuten in seiner Nähe… und sie würde wissen, wie sie ihr Äußeres verändern musste, um bei ihm alle Knöpfe zu drücken.
Mit einem Lächeln verließ sie die Seitenstraße und betrat wenige Minuten später das Gebäude. Am Empfangstresen blieb sie stehen und sagte freundlich: „Hallo, ich bin Jessy Bell, die neue Praktikantin.“
Der Mann hinter dem Tresen musterte sie eingehend und Lilith nutzte ein Quäntchen ihrer Macht, um ihn zur Kooperation zu bewegen. Außerdem beeinflusste sie die Technik, ließ einen Mitarbeiterausweis und alle nötigen und unnötigen Unterlagen entstehen, die sie für die Durchführung dieser kleinen Maskerade benötigte.
Die Menschen machten sich das Leben wirklich unsagbar umständlich.
„Guten Morgen Ms Bell“, sagte der Mann endlich und erwiderte ihr Lächeln. „Schön, dass Sie pünktlich sind.“
„Eine meiner vielen Tugenden“, log sie fröhlich ohne rot zu werden.
„Das wird Mr Hammond sicher freuen.“ Er schob ihr ein Klemmbrett mit einem Stift und einem Ausweis zu. „Bitte füllen Sie das aus, ich rufe in der Zwischenzeit oben an und lasse Sie abholen.“
„Vielen Dank.“
Schnell füllte sie die Felder aus und gab das Klemmbrett zurück. Kurz darauf öffneten sich die Aufzugtüren zu ihrer Linken und eine Frau mittleren Alters, mit strengem Zopf und praktischer Kleidung kam auf sie zu. Sie sah aus, als wäre sie noch Jungfrau und Lil würde ihr Gewicht in Gold darauf verwetten, dass Tas sich bei ihr besonders ausgetobt hatte.
Die Frau blieb vor ihr stehen und musterte sie von oben bis unten als wäre sie eine Sklavin auf einem Markt.
Lil bezwang den Wunsch, sie für diese Unverschämtheit zu maßregeln. Sie war unwissend und unwichtig, nur ein Mittel zum Zweck auf Liliths Weg zum Kopf dieser Organisation. Sie könnte einen ihrer Dämonen bitten, sich um sie zu kümmern.
Oh ja, dieser Gedanke gefiel ihr.
„Ms Bell, ich bin Mary Cormag. Willkommen bei Auxilium . Bitte folgen Sie mir.“
„Aber gerne“, erwiderte Lilith lächelnd. Sie konnte es kaum erwarten.
„Alkohol vor vier Uhr, so tief bist du also schon gesunken?“
Lu stieß ein tiefes Knurren aus, das den Mann hinter der Bar zusammenzucken ließ. Mit angstvollem Blick sah er ihn an, ehe er eilends an das andere Ende der Theke lief.
Neben ihn setzte sich jemand und Lu musste sich zwingen, nicht aufzuspringen und diesem Jemand entweder die Scheiße aus dem Leib zu prügeln oder mit dem Stuhlbein des Barhockers zu pfählen. Beide Vorstellungen waren verlockend, auch wenn sein neuer Nebensitzer nicht sterben konnte.
Da er aber über mehr Selbstbeherrschung verfügte, als man ihm vielleicht zutraute, tat Lu nichts dergleichen. Stattdessen erwiderte er: „Ich bin der Teufel, mir gehört schon das Kellergeschoss.“
„Nicht mehr lange“, kicherte Gabriel und klang dabei wie ein verdammtes Schulmädchen. Aber statt einem Kind mit Kleidchen und geflochtenen Zöpfen saß neben Lu ein großgewachsener Mann mit braunen Augen und goldblonden kurzen Haaren, die er sich tatsächlich mit Gel zurückgekämmt hatte. Igitt.
Er sah mit seinem weißen Hemd, den sauberen Jeans und den Arbeitsstiefel so ekelerregend tugendhaft aus, dass Lu der Whisky fast wieder hochgekommen wäre.
„Du bist fast so ein großes Arschloch wie Michael“, erwiderte Lu und zeigte ihm den Finger, ehe er sein Glas leerte und gleich wieder nachfüllte.
„Luzifer“, seufzte der Erzengel und winkte nach dem Barmann, „du warst schon immer eine Enttäuschung. Auch deine Beleidigungen waren einmal origineller.“
„Tut mir leid, für den dritten in der Reihe ist leider nicht mehr viel übrig. Du kannst Rafe schon mal schöne Grüße von mir ausrichten, dass er sich gar nicht bemühen muss, seinen Arsch hier herunter zu schwingen.“
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