Sie hätten ihren Plan verworfen, hätten sie gewusst, dass Castello gerade noch zwei Stunden von der Iseris entfernt war und bereits mit Cora in Verbindung stand. Die beiden waren offensichtlich so gut miteinander bekannt, wie Jasper und Bert. Cora hatte bereits Scott, ihren Sicherheitsmanager, zur Beobachtung angesetzt. Lediglich der Umstand, dass Scott eher eine trottelige Natur war und im Casino vergebens nach Clark und Jasper Ausschau hielt, verschaffte den beiden einen Vorsprung.
Positive Concept
Die Dämmerung dauerte auf der Iseris nur 15 Minuten. Hinter dem Insider war es bereits schummrig. Obwohl die dicken Handschuhe der Tauchausrüstung die Beweglichkeit der Finger stark einschränkten, zeigte sich Jasper routiniert und geschickt, als er einen Faden an der länglichen Vakuumbombe befestigte. »50 Zentimeter, das reicht.« Dann ließ er sie durch die kleine Öffnung am Kanalschacht herabgleiten und befestigte das andere Ende. Bert blickte nervös in die Umgebung. Es war niemand zu sehen. Jasper nahm Clark und Bert an die Hand und zog sie rund zehn Meter von dem Kanalschacht zurück. Dann drückte er auf den Zünder. Mit einem dumpfen Knall brach ein Teil der Betondecke ein und eine Wasserfontäne schoss nach oben. Für einen Moment standen sie regungslos da. Niemand schien etwas bemerkt zu haben. Die Öffnung war circa einen Meter groß. Eine schmale Stiege führte fünf Meter hinab in den Kanal, der etwa zwei mal zwei Meter Maß und bis zum Schacht mit Wasser gefüllt war. Die Strömung war gering.
»Bis zum See sind es etwa 850 Meter«, sagte Bert, »dann habt ihr noch mal 4.000 Meter bis zur Station. Wenn ihr das Ende des Kanals seht, solltet ihr jedes Licht vermeiden. Das Wasser ist dort im See noch sehr flach und man könnte euch sehen. Ich kann mit euch nicht in Kontakt bleiben. Die Intercom wird hier oben abgehört. Viel Glück.« Jasper stieg als erster in den Schacht. »Wir haben für genau drei Stunden Luft. Ich gehe vor. Du folgst mir und machst bitte genau das, was ich tue und was ich sage.« Clark schaute dem absteigenden Jasper grinsend hinterher. »Und wenn wir an der Station angekommen sind, sage ich einfach freundlich Guten Tag.« Jasper blickte in den Sternenhimmel, schüttelte den Kopf und murmelte: »Ich spüre, dass ich das hier nicht tun sollte.« Dann setzte er seine Taucherbrille auf und sprang den letzten Meter ins Wasser.
Es war stockfinster. Am Rand der Taucherbrille leuchteten kleine Infrarotlampen. Das Glas der Brille wurde zu Display und Nachtsichtgerät zugleich. Neben der eigenen Atmung war noch das leise Surren der Diver zu hören, die Jasper und Clark durch das Wasser zogen. Die 850 Meter durch den Kanal erschienen in der Enge wie eine Ewigkeit. Dann erkannte Jasper den Ausgang zum See. »Mach jetzt das Nachtsichtgerät aus, Clark. Leuchtkarpfen sehen anders aus.« Die Funkverbindung war verrauscht und kratzig. Sie war auf höchste Verschlüsselung und niedrigste Empfindlichkeit eingestellt. »Verdammt Jasper, ich sehe absolut nichts mehr.«
»Einfach geradeaus gleiten lassen. Wenn du das kleine rote Licht an meinem Diver nicht mehr erkennst ...«
»Ja, was dann?«
»Dann alles Gute noch, warst ein netter Kerl, Clark«, lachte Jasper.
Castello war mit seinem Schiff gerade in die Atmosphäre der Iseris eingetaucht. Cora kümmerte sich um ihren Gast schon in der Landephase. »Broke, du bist freigegeben auf Rampe 4.«
»Bitte kein Empfangskomitee. Ich will meinen Namen niemals hören. Wir dürfen kein Aufsehen erregen. Was ist mit Clark?«
»Wir haben ihn aus den Augen verloren. Scott versucht gerade, ihn wieder aufzuspüren.«
»Verdammt, wenn ich unten bin, will ich wissen, wo er ist.«
»Broke, wir haben zur Zeit rund 640.000 Gäste auf der Iseris, es ist nicht ganz einfach.«
»Bewacht sein Schiff. Er darf keine Starterlaubnis erhalten.«
»Wir haben ihn bereits auf die Sperrliste gesetzt.«
Jasper und Clark waren bereits tief im See abgetaucht und hatten die Nachtsichtgeräte auf volle Leistung gestellt. »Ich glaube, ich kann sie schon schwach erkennen«, sagte Jasper. »Außer dir sehe ich nichts.« Clark positionierte sich etwas versetzt zu Jasper. »Ja, jetzt erkenne ich auch etwas.« Nur schemenhaft war das gigantische Gewirr an Gängen und Gebäudeteilen der Station zu erkennen. Mit der V2P-Masse sah sie aus wie eine phantasievolle Sandburg. Am östlichen Teil war ein Einbruch deutlich erkennbar. Dieser Teil der Station war zweifelsfrei geflutet. »Da drüben ist das U-förmige Gebäude, von dem Bert gesprochen hat«, sagte Jasper. Plötzlich meldete sich Daisy über Intercom.
»Clark, dein Schiff ist soeben gesperrt worden.«
»Verriegele das Schiff auf Raum Status. Lass niemanden rein. Kommunikation auf höchste Kodierungsstufe. - Jasper, mein Bordsystem hat mir gerade geflüstert, dass mein Schiff soeben gesperrt wurde.«
»Ich spüre, dass ich das hier nicht tun sollte. Was sagt dein Messgerät?«
»Es piept schon. AC22 gibt es hier. Wir werden das U einmal von der Innenseite entlang abtauchen.«
Clark folgte den Signaltönen deren Abstände immer kürzer wurden, bis ein durchgehender Ton entstand. »Hier ist es. Jetzt bist du dran.« Jasper schnitt mit dem Laserbrenner ein quadratmetergroßes Loch aus dem Außentor. Die verbrennende V2P-Masse vernebelte die Sicht. Als er die letzten Zentimeter durchtrennte, sackte die schwere Außenhülle zu Boden und wühlte den Sandboden auf. Clark tauchte in die Öffnung ein und tastete mit der Handfläche das äußere Schleusentor ab. »Ich habe den Notschalter gefunden. Hoffen wir, dass er noch funktioniert. Pass auf den Sog auf.« Dann zog er für ein paar Sekunden den Schalter. Das Schleusentor hob sich mit gedämpften Krachen ein paar Zentimeter an. Als die Schleuse komplett geflutet schien, öffnete er das Schleusentor ganz und tauchte hinein. »Guten Tag. - Jasper, hier ist Platz für zwei.« Nachdem auch Jasper in der Schleuse war, schloss Clark das Schleusentor wieder. Dann drehte er ein Ventil auf. »Das wird jetzt einige Zeit dauern, aber wir müssen halt langsam dekomprimieren.«
Castello stand im Büro von Scott und war augebracht. Sein Ton war militant. »Was habt ihr herausgefunden?« Scott stammelte herum. »Er hat sich in der Tropical Bar mit einem Jasper van Dyke getroffen. Der ist Landwirtschaftsingenieur und arbeitet hier. Das sind die abgefangenen Schlüsselwörter.«
Castello überflog den Bildschirm. Promotion Theater, Wellness, Gehirnwäsche, Elite Klasse, Allsa, Tauchkurs, Badesee, Allsa-Wellness-Programm unzufrieden, Casino gehen.
»Mit dem Casino haben die das System wohl ausgetrickst, denn da sind die gar nicht.« stammelte Scott weiter. Ich habe da über eine Stunde gesucht, und die waren da nicht.« Castello schlug mit der Faust auf den Tisch. »Du willst mir doch nicht im Ernst erklären, dass unser Promotion-System nicht mehr in der Lage ist, hier irgendjemanden aufzuspüren?« Scott druckste. »Na ja, es gibt hier halt verschiedene Orte, wo die Systeme unzulässig sind und das Gelände ist groß. Ich habe dann nach einer Stunde die Security an alle unkontrollierten Orte geschickt.«
»Nach einer Stunde schon? Mann, und da bist du ganz allein drauf gekommen, du Genie?« In diesem Moment trat Cora in das Büro. »Broke, eine Wellness-Anlage ist kein Hochsicherheitstrakt. Aber keine Panik. Ich habe gerade erfahren, dass die beiden vor drei Stunden das Gelände über Tor 9 verlassen haben. Als Semi Elite durfte der Wachposten Clark passieren lassen und dieser Jasper gehört auf der Iseris praktisch zum Inventar. Sie sind in Richtung Siedlung 14 gegangen. Dort leben ein paar Siedler die hier arbeiten. Seit dem Unfall sind die aber alle nicht mehr sehr gesprächig. Die Siedlung ist klein und die Umgebung übersichtlich. Sie können nicht einfach untergetaucht sein. Wir können dort jetzt hinfahren, aber die Menschen dort werden dich erkennen. Wahrscheinlich sitzen die im Insider. Das ist eine kleine Bar.«
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