1 ...7 8 9 11 12 13 ...24 „Vielleicht bin ich anders aufgewachsen?“
„Ja, das wird es sein. Und bleibe bitte so! Egal, was passiert. Wenn du Bier willst, bestelle es dir. Wenn du Huhn möchtest, dann iss es mit den Händen und nicht mit Gabel und Messer. Das halte ich sowieso für übertrieben!“, und zwinkert mir zu.
Der Kellner brachte das Gewünschte und stellte mir das Bier vorsichtig auf den Tisch. Wovor hatte er Angst? Er schenkte Alfons den Wein ein und wartete, ob es sein Geschmack war.
„Haben die Herrschaften schon gewählt?“
Ich sah Alfons an und er mich.
„Was möchtest du gerne? Gebratenes oder gebackenes Huhn? Oder doch lieber Rippchen oder gar Beuschel?“
Wen wollte er jetzt pflanzen? Mich oder den Kellner? Ich sah noch einmal in die Karte. Ich sah leider weder Huhn noch Beuschel. Nur Rippchen für zwei.
„Wo siehst du das alles?“, zischte ich hinter der Speisekarte zu ihm.
„In meiner Speisekarte. Ich lese mehr als du.“
Jetzt wusste ich, dass er mich aufzog. Laut sagte ich: „Die Rippchen wären nicht schlecht. Isst du bitte mit, Schatz?“
Jetzt hatte ich ihm wieder den Ball zugeworfen.
„Ja! Bringen Sie bitte die Rippchen Platte für zwei.“
Jetzt hatte er mich. Er hatte sie wirklich bestellt. Als der Kellner weg war, fragte ich ihn: „Ist das jetzt dein voller Ernst?“
„Ja. Ich will sehen, wie du sie mit Messer und Gabel isst. Mein Schatz!“
Er griff das Kosewort sofort auf.
„Schatz, ich werde sie essen so wie immer.“
Jetzt konnte er grübeln wie ich es mache, hob mein Glas, prostete ihm zu und machte einen großen Schluck. Der Schluck war köstlich. So gut hatte mir Bier schon lange nicht mehr geschmeckt.
„Du hast ein kleines Bärtchen, mein Schätzchen“, sagte er leise zu mir.
Ich tupfte es mir rasch mit der Serviette ab. Er lächelte mir zu.
„Du bist immer wieder gut für Späße, oder?“
„Sicher! Das Leben ist viel zu trostlos, darum sollte man es nehmen wie es ist und daraus das Beste machen.“
Jetzt lächelte er nicht mehr so. Ihm war es wieder vergangen. Was hatte ich gesagt? Es war ja nichts Schlimmes! Er war oft sprunghaft. Von freundlich zu böse, von lächeln zu Trübsal blasen. Er verheimlichte etwas. Niemand sprang ohne Grund von einem Extrem zum anderen, so schnell. Außer er wusste etwas Schlimmes. Er prostete mir wieder zu, mit seinem Glas Wein. Ich lächelte ihn noch mehr an. Er machte es mir nach. Aber es fiel ihm schwer. Da war etwas, definitiv. Aber jetzt fragen wäre sicher der falsche Zeitpunkt. Also musste ich es auf später verschieben. In meiner Tasche hörte ich es surren, bzw. vibrieren. Wer konnte das jetzt sein?
„Entschuldige!“, und sah rasch nach.
Und wer war es? Michi! Natürlich! Ich habe mich ja noch gar nicht bei ihr gemeldet. Ich schrieb ihr zurück, dass ich gerade beim Essen bin und ich es ihr am Sonntagabend alles erzählen werde. Bin noch voll eingespannt! Ich drehte das Handy sofort ab.
„Entschuldige noch einmal. Es war meine neugierige Freundin.“
„Die sich auch beworben hatte und nicht genommen wurde?“
„Ja, genau die.“
„Könntest du mir ein Foto von ihr zeigen, bitte?“
„Ich habe leider das Handy schon abgeschaltet, denn sie wird sonst nie Ruhe geben.“
„Ach schade. Ich hätte sie gerne gesehen.“
„Vielleicht später.“
„Ist auch gut“, meinte er nur.
Dann kam auch schon unser Essen, und diesmal war es nicht so klein. Ich nahm mir sofort ein Rippchen, schnitt es. Dazu nahm ich mir noch einen Maiskolben und fasste mir noch Pommes dazu. Alfons machte es ähnlich. Ich genierte mich nicht und biss von den Rippchen und dem Maiskolben einfach ab. Zum Maiskolben gab es sogar noch Stäbchen dazu, dass man sie nehmen konnte, ohne fett zu werden. Ich sah mich lieber nicht um, ob mich die anderen beobachteten. Alfons aß wenig Fleisch, dafür mehr Gemüse. Alles konnten wir leider nicht aufessen. Nach dem Essen nahm ich meine Tasche und ging kurz zur Toilette. Ich musste meine Finger waschen, und auch für „kleine Mädchen“. Da kamen gerade zwei Frauen rein und sprachen wohl über mich. Wie man nur mit den Fingern essen konnte, wenn man als kultivierter Mensch Messer und Gabel hatte. Ich wollte diese Frauen sehen, und genierte mich nicht, raus zu kommen und mir die Hände zu waschen. Als sie mich sahen, verschwanden sie sofort. Über einem hinter dem Rücken reden konnte ein jeder, aber ihm es auch ins Gesicht zu sagen, das trauten sich die wenigsten. Ich ging hoch erhobenen Hauptes wieder raus. Als ich zu unserem Tisch kam, fragte mich Alfons: „Bist du fertig? Dann können wir fahren.“
„Wo geht es jetzt hin?“
„Das wirst du sehen, wenn wir dort sind.“
Und schon gingen wir dem Ausgang zu. Da fiel mir ein.
„Musst du nicht bezahlen?“
„Habe ich doch schon gemacht, mein Schätzchen, während du auf der Toilette warst.“
Draußen erwartete uns schon Adolf mit der Limousine. Wir stiegen ein und Adolf fuhr los.
„Jetzt hätten wir kurz Zeit. Da könntest du mir ja deine Freundin zeigen.“
Ich tat ihm den Gefallen. Schaltete das Handy wieder ein und natürlich kamen sofort die Nachrichten von Michi. Jetzt ärgerte ich mich wieder. Schob sie weg und suchte ein Foto von ihr.
„Das ist sie“, und zeigte es ihm.
Er nahm mir das Handy aus der Hand, damit er sie besser betrachten konnte. Dann schob er aus Versehen das Foto weg und ein Foto von meinem Sohn erschien.
„Ist das dein Sohn?“
„Ja.“
„Er sieht nett aus. Hast du auch ein Foto von deiner Tochter?“
„Ja. Hier“, und schob es um eines weiter.
„Sie sieht dir sehr ähnlich.“
Sah ich jetzt in seinen Augen Tränen? Wieso? Wir waren gerade angekommen. Ich schaltete mein Handy sofort wieder aus. Als ich ausstieg, glaubte ich nicht, was ich sah. Wir standen vor der Oper. Ich und in der Oper!
„Darf man da drinnen auch Fotos machen? Sonst glaubt mir das Michi nie!“
„Ja. Aber so, dass es bitte keiner sieht“, flüsterte mir Alfons zu.
Sie spielten „Romeo und Julia“. Ich verstand zwar kein Italienisch, aber es war so auch großartig. Bevor das Licht ausging, machte ich noch heimlich ein paar Fotos. Die schickte ich Michi und schaltete das Handy rasch wieder aus. In der Pause begrüßten ihn einige Leute. Da wir in einer Loge saßen, stand er auf und konnte im Zwischenraum mit ihnen sprechen. Ich blieb sitzen. Ein Kellner brachte mir etwas zu trinken. Alfons schien wieder ausgeglichen zu sein, als er zurückkam.
„Wie ich sehe, hat man dir etwas zu trinken gebracht.“
„Ja. Danke.“
„Und wie gefällt dir die Oper?“
„Sehr gut, auch wenn ich nichts verstehe. Dafür ist die Musik sehr gut. Man spürt alles durch sie.“
Er sah mich freudig an. Dann ging wieder das Licht aus und es ging weiter. Ich merkte, dass er mich oft mehr betrachtete als das Schauspiel vor uns. Wahrscheinlich hatte er diese Oper schon öfter gesehen und wollte meine Reaktion beobachten. Das durfte er ruhig.
Danach genoss ich die Oper und heulte wie ein Schlosshund, als beide starben. Alfons gab mir sein Taschentuch. So etwas hatte ich leider nicht dabei.
Wir gingen dann ohne ein Wort hinaus. Erst im Auto fragte er mich: „Und würdest du noch einmal in die Oper gehen?“
„Ja sicher. Es war es wert, auch wenn ich nichts verstanden habe.“
Er brachte mich nicht sofort zurück. Wir fuhren wieder zum Penthaus. Dort machte er noch eine Flasche Wein auf. Ich wollte zwar nichts mehr trinken, aber enttäuschen konnte ich ihn trotzdem nicht.
„Nur ein Glas.“
„Ja, denn wir müssen ja noch offizielle auf Du und Du anstoßen.“
Er schenkte ein und stieß mit mir noch einmal an. Dann beugte er sich vor und gab mir einen Kuss. Er spielte etwas mit seinen Lippen auf meinen. Dann fuhr er mit seiner Zunge über meine Lippen. Die öffneten sich automatisch. Er spielte noch etwas mit ihnen und dann hörte er auf. Verlegen sahen wir auf die Seite.
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