Manche machen sich selbst Vorwürfe, hätten sie anders reagiert, wäre das nicht passiert. Hätten sie dieses oder jenes getan, wäre der Tod vielleicht vermeidbar gewesen. Diese Ausflüchte und gedanklichen Eskapaden (abenteuerlichen Versuche) haben keine rationale Grundlage. Sie basieren auf einer emotional angespannten Situation. Sie entstehen aus dem Stress heraus, den wir empfinden, wenn wir existenziell bedroht werden. Nichts anderes als eine solche Bedrohung ist der Tod eines geliebten Menschen.
Es ist wie ein Rückfall in die Zeit der Kindheit. Auch rationale Menschen kann es treffen und hat nichts mit dem eigenen IQ zu tun: Das Verhandeln findet als eine Art magisches Denken statt. Man meint, wenn man das und das tut, wird sich vielleicht noch einmal alles ändern. Alles ist wie vorher, der andere wird wieder lebendig.
Im Grunde erlebt man die Phase der Leugnung auf einem höheren Niveau: Man sieht sich jetzt als tätig und aktiv handelnd. Das ist ein gutes Gefühl und entspricht unserem typisch modernen Verhalten.
Wie bereits in Abschnitt 1.9 beschrieben, sind wir darauf konditioniert, nach Lösungen zu suchen. Es gibt für uns keine ausweglosen Situationen. Wir haben gelernt, dass sich immer ein Weg findet. Also kämpfen wir entweder aktiv, indem wir bestimmte Rituale ausführen oder verstärkt auf Zeichen achten.
Diese Rituale können Gebete oder Zwiesprachen mit Gott sein, in denen wir ihm etwas anbieten, wenn der Geliebte wieder lebendig wird. Oder wir sehen einen Vogel im Garten und versprechen uns, wenn dieser Vogel zu uns ans Fenster kommt, besteht doch noch Hoffnung, dass der geliebte Mensch gar nicht tot ist, sondern einfach wieder erwacht.
Diese Art des Denkens nimmt in den seltensten Fällen psychotische (krankhafte) Formen an. Meist revidiert (korrigiert) man sich selbst im gleichen Moment, man weiß ja, dass der Vogel im Garten und sein Verhalten nichts mit dem Tod eines Angehörigen zu tun hat.
2.5 Von schwarzen Löchern und Depressionen
Der Tod eines Angehörigen ist eine immense Belastung der Psyche, die sich auch physisch äußert. Dabei kommt es zu anhaltender Trauer und einem seelischen Tief. Hält dieses über einen längeren Zeitraum an und ist mit Isolation, Antriebsschwäche und einer deutlichen Einschränkung der normalen Vitalität verbunden, kann es sich um eine Depression handeln.
Das „schwarze Loch“ in einem Trauerfall ist ein normales Phänomen, dem man sich nicht entziehen kann. Die große seelische Anspannung löst sich. Ähnlich wie bei einer Prüfung, für die man lange gelernt hat, geht das plötzlich Wegfallen der Anspannung nach dem Prüfungstermin mit depressiven Stimmungen einher.
Im Trauerfall muss darauf geachtet werden, dass beginnende Depressionen nicht übersehen werden. Meist denkt man, da die Ursache bekannt ist und die Symptome erklärbar sind, würde die Depression einfach wieder gehen. Doch das ist nicht so. Sprechen Sie in einem solchen Fall mit Ihrem Hausarzt und lassen Sie die Anzeichen abklären.
Im frühen Stadium kann schnell und zielgerichtet ambulant geholfen werden. Schieben Sie die Auseinandersetzung vor sich her, kann sich eine ernste Erkrankung mit chronischer Tendenz entwickeln, die Sie selbst gefährdet. Gerade in schweren Trauerfällen sollte professionelle Hilfe angenommen werden.
Oft muss man dabei innere Widerstände überwinden. Vielleicht fragen Sie sich: „Darf ich das überhaupt? Darf ich mich so wichtig nehmen? Ich bin ja nicht gestorben.“ Dabei kommt es zu einem wertenden Vergleich, der nicht angemessen ist. Wenn Sie sich um sich kümmern, nehmen Sie Ihrem/Ihrer verstorbenen Partner/in nichts weg. Niemandem ist geholfen, wenn Sie durch Ihren Schmerz krank werden.
Es fällt schwer zu akzeptieren, dass der/die geliebte Partner/in geht. Es tut weh und schmerzt. Erleben Sie eine Phase des langsamen Abschiednehmens, können Sie versuchen, schrittweise loszulassen. Wird der/die Partner/in plötzlich aus dem Leben gerissen, erleben Sie eine Verstörung: Wie kann man begreifen, was passiert ist?
Oft wird der Gehende angeklagt: Wie konnte er einen verlassen? Oder man macht sich selbst Vorwürfe. Hätte man nicht besser auf den geliebten Menschen aufpassen müssen? Was wäre gewesen, wenn …? Es ist nicht einfach, zu begreifen, dass diese Fragen ins Nichts führen. Es gibt keine Antworten darauf. Mit dem Tod kann man nicht diskutieren. Man kann nichts fordern. Es fällt schwer, einen geliebten Menschen gehen zu lassen und zu wissen, dass man ihm nie mehr begegnen wird.
Das Akzeptieren des Todes braucht Zeit. Diese Bürde kann man nicht abgeben und nicht delegieren. Man muss sie selbst durchleben. Es gibt kleine Hilfestellungen, die Sie nutzen können, um in Ihrer Trauer nicht allein zu bleiben:
Sprechen Sie mit Verwandten, Freunden und Bekannten über den geliebten Menschen. Tauschen Sie sich aus und erinnern Sie sich an glückliche Zeiten.
Öffnen Sie sich engen Angehörigen. Es kann helfen, Emotionen zu zeigen. Lassen Sie sich trösten und spenden Sie Trost, wenn andere (Kinder oder Eltern) ebenso betroffen sind.
Mit dem Akzeptieren ist ein Abschließen verbunden. Das heißt nicht, dass Sie Ihre/n Lebenspartner/in vergessen, sondern ihren/seinen Tod anerkennen. Sie akzeptieren, dass ein Weg beendet wurde, ein Kreis sich geschlossen hat.
2.7 Neuer Selbstbezug in kleinen Schritten
Die Annahme und Akzeptanz des Todes ermöglichen es Ihnen, wieder zu sich zu finden. Der Schmerz wird oft begleitet von einem Außer-sich-Sein. Man ist aufgewühlt, die Welt ist aus den Fugen. Mit der Akzeptanz des Geschehenen kommt die Verarbeitung des Todes an einen Punkt, an dem auch die Frage nach dem Ich wieder legitim erscheint. Aus dem „Was mache ich nun?“ wird ein „Wie geht es weiter?“.
Ganz nach der individuellen Situation sind bei manchen, viele Dinge zu klären. Stirbt ein jüngerer Mensch durch einen Unfall, bleibt vielleicht eine Familie mit Kindern zurück. Geht ein älterer Mensch nach einer längeren Vorbereitungszeit, ergeben sich andere Herausforderungen.
Zunächst werden Sie das Praktische womöglich von sich weisen: „Dafür habe ich jetzt keinen Sinn“, heißt es oft. Doch das Weitergehen des Lebens, die Bürokratie und andere notwendige Dinge können Sie nicht aufhalten und auf Dauer nicht von sich weisen. Sie werden erleben, wie hilfreich die Auseinandersetzung mit diesen Dingen auch ist. Es fällt schwer, sich das vorzustellen, doch ist immer auch ein kleiner Schritt in ein neues Leben, das Sie nun allein führen werden.
Dafür brauchen Sie Kraft und die Gewissheit, dass Sie es schaffen werden. Manchen hilft der innere Dialog mit dem/der Partner/in. Sie vergewissern sich in Gedanken. Manche haben bereits Vorsorge getroffen und können sich nun an einen Plan halten, den sie Schritt für Schritt, eins nach dem anderen abarbeiten.
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