Vergegenwärtigen wir uns etwas näher die absoluten Wärmegrößen, über welche der lebendige Organismus verfügt. Die chemischen Prozesse welche in einem erwachsenen Menschen unter gewöhnlichen Umständen vor sich gehen, erzeugen in 24 Stunden annähernd etwas über 3 Millionen Wärmeeinheiten. Unter einer Wärmeeinheit versteht man jene Wärmemenge, welche erforderlich ist, um 1 Gramm Wasser in seiner Temperatur um 1°C. Zu erhöhen. Mit der von einem Menschen im Tage produzierten Wärme könnte man also 3000 Liter Wasser in seiner Temperatur um 1°C. Erhöhen, oder 30 Liter von 0 bis 100°, d. h. bis zum Sieden erhitzen.
Es gibt Zustände, in denen der Mensch mehr und weniger Wärme produziert, z. B. in dem Maße, als er mehr oder weniger Nahrung genießt, mehr oder weniger Muskelanstrengungen macht; solche Abweichungen vom Mittel können zeitweise bis zu 50 Pro Cent der ganzen Größe betragen – aber immer ist es Aufgabe des Körpers und unerlässliche Bedingung für seine Gesundheit, dass die Wärme seines Blutes sich nicht wesentlich ändere, höchstens innerhalb eines Grades auf- und abschwanke.
Wir müssen uns als warme und feuchte Körper in die kühlere umgebende Luft hineingestellt betrachten. Solche Körper verlieren Wärme auf dreierlei Wegen: 1) durch Strahlung; 2) durch Verdunstung; 3) durch Leitung. Dass die Wärme nicht auf einem einzigen Wege abfließt, sondern auf dreien, gewährt große Vorteile für den Wärmehaushalt, für die Wärmeökonomie des Körpers, weil die Benutzung verschiedener Wege eine feine Regulierung des Abflusses nach Bedürfnis gestattet. Was wir in einem Falle mehr verlieren durch Strahlung, das lässt sich durch geringere Verluste auf den beiden anderen Wegen wieder ausgleichen, und umgekehrt. Die Verluste durch Strahlung und Leitung sind durchschnittlich bei gleichbleibender Umgebung die konstantesten, und die Wasserverdunstung das Hauptmittel zum Ausgleich teils von Differenzen, welche von Verschiedenheiten in der Menge der erzeugten Wärme herrühren, teils von funktionellen Störungen der beiden anderen Wege.
Mir liegt daran, dass Jedermann eine Vorstellung von diesen drei Abflusswegen der Wärme habe, — gestatten Sie mir daher, Sie auf einige alltägliche Erscheinungen aufmerksam zu machen, in welchen dieselben recht deutlich hervortreten.
Denken Sie z. B. an den Fall, dass man -im strengen Winter auf der Reise in einen Gasthof kommt und sich schnell ein Zimmer will heizen lassen. Der Ofen kann sehr heiß sein, das Thermometer im Zimmer eine hohe Temperatur der Luft zeigen aber es wird Einem nicht behaglich, es fröstelt Einen trotz 16° R., und sobald das Feuer im Ofen aus ist, sinkt auch wieder sehr rasch die Temperatur des Zimmers, die Wärme will sich nicht halten, das · Zimmer ist gleich wieder kalt. Wenn wir dasselbe Zimmer ein paar
Tage lang bewohnen und es regelmäßig heizen lassen, dann fühlen wir uns ganz anders darin; — wenn es uns anfangs bei 160 R. noch gefröstelt hat, finden wir es zuletzt bei 14° R. sehr behaglich warm. Sie Alle werden denken, dass ich Ihnen da gar nichts Neues sage, ja Sie werden mir auch sofort die Erklärung geben, warum es mich anfangs bei 16°R. in diesem Zimmer gefröstelt hat, während es mir bei 14° R. später warm genug war, indem Sie mir einfach sagen, ein Zimmer, was mehrere Tage ganz kalt gestanden hat, muss eben erst – wie man sagt - ausgeheizt sein, und das geht nicht auf einmal, das braucht Zeit. Aber was unterscheidet ein nicht ausgeheiztes Zimmer von einem ausgeheizten in dem Grade, dass ich den Unterschied in meiner Wärmeökonomie so deutlich spüre? Nichts, als die Größe des Verlustes durch vermehrte Strahlung in dem noch nicht ausgeheizten Zimmer. Die Strahlung vermehrt sich oder wächst mit der Temperaturdifferenz zweier ungleich warmer Körper. Da uns in einem Zimmer nicht bloß Luft von 16°R., sondern auch Wände, Möbel usw. umgeben, die vielleicht erst nur 2 oder 30 haben, während die Luft schon 16', so strahlt mein viel wärmerer Körper auch viel mehr Wärme gegen sie aus, als wenn sie einmal 12 und mehr Grad warm geworden sind. In einem so unausgeheizten Zimmer geht es mir nicht besser, als dem Ofen, der auch bei gleichem Aufwand von Brennmaterial anfangs viel rascher abkühlt, als nachher, wenn das Zimmer einmal – wie wir sagen – ausgeheizt ist. Der gewöhnliche Sprachgebrauch sagt daher ganz richtig: das Zimmer heizen, und nicht: die Luft im Zimmer heizen. Alles im Zimmer muss geheizt werden.
Die nämliche Erfahrung hat jeder von uns auch schon in umgekehrter Weise gemacht, in Fällen, wo der Verlust durch Strahlung ungewöhnlich beschränkt wird. Ich erinnere Sie an einen gedrängt vollen Saal bei warmer feuchter Luft. Wie heiß wird einem da oft der Kopf und der ganze Leib, und wenn man zufällig auf ein Thermometer im Saale blickt, glaubt man, es zeige nicht richtig – man liest oft nur 16 bis 170 R. ab, eine Temperatur, bei der man sich in seinem Zimmer ganz anders und so viel behaglicher befindet. — Auch diese Erscheinung erklären Sie mir ganz richtig, wenn Sie sagen, das macht eben das Gedränge. Wie leicht atmen wir auf, wenn wir aus dem Gedränge in ein Nebenzimmer treten, um dort — wie wir sagen – etwas frische Luft zu schöpfen, und wenn wir aufs Thermometer sehen, ist es im Nebenzimmer oft so warm, wie im Saale, und wenn wir die Luft eudiometrisch untersuchen, so ist der Unterschied im Saale und im Nebenzimmer so unbedeutend, dass man daraus unmöglich unsere verschiedenen Empfindungen erklären kann. Worin liegt also wohl der Unterschied zwischen einem von Menschen vollen und leeren Saale, wenn in beiden Fällen die Temperatur der Luft gleich ist? In einem Gedränge fällt die seitliche Strahlung der Wärme größtenteils ganz weg. Jeder Körper ist umgeben von gleich warmen anderen Körpern, Einnahme und Ausgabe durch Strahlung decken sich, die Entwärmung der Einzelnen wird wesentlich auf die beiden anderen Wege, auf Leitung durch die Luft, die inzwischen über einen hinzieht, und durch Wasserverdunstung aus der Körperoberfläche beschränkt. Die Poren der Haut öffnen sich bei solchen Gelegenheiten deshalb auch oft wie Schleusen. Zugleich treibt es uns, die Luft rascher, d. h. in größerer Menge über uns weg zu führen, den Abfluss durch Leitung und womöglich auch durch Verdunstung zu vermehren, wir greifen zum Fächer, um die steigende Hitze auf diesen beiden anderen Wegen los zu werden.
Der Verlust durch Strahlung kann unter Umständen ein sehr beträchtlicher sein, 50 Prozent der ganzen Wärmemenge fließen gewöhnlich auf diesem Wege ab. Sie verdient deshalb alle Beachtung. Namentlich ist ungleichseitige Abstrahlung schädlich, Sitzen oder Liegen an einer kalten Wand, die nicht mit schlechten Wärmeleitern bedeckt ist, am Fenster u. s. w. [In den Schulbänken werden an den Eckplätzen namentlich die gegen die Fensterseite gekehrten Körperteile der Kinder immer etwas anders entwärmt, als die einem Nachbar zugekehrten.] Es gibt da überhaupt eine große Anzahl von praktischen Fällen, die lange noch nicht gehörig gewürdigt sind.
Betrachten wir nun einige Fälle, in denen die Entwärmung durch Verdunstung in den Vordergrund tritt, oder vorwaltend empfunden wird. Am bekanntesten ist das Experiment, das man oft im Freien bei ganz ruhiger Luft und wolkenlosem Himmel macht, um zu erkennen, von welcher Seite die Luft kommt. Man befeuchtet den Zeigefinger und streckt ihn in die ruhige Luft empor. Man spürt dann in der Regel den Finger an einer Seite kühler werden, das ist die Seite, von welcher die Luft kommt, in welcher mehr Wasser verdunstet. Ist die Luft verhältnismäßig trocken, so geht das Experiment immer sehr gut, ist sie aber mit Wasserdunst schon ganz oder nahezu gesättigt, dann gelingt es schlecht, weil vom Finger zu wenig Wasser verdunstet, um deutlich fühlbare, vermehrte Abkühlung zu erzeugen.
Ganz ähnlich verfährt unser Organismus in allen Fällen, wo entweder im Innern mehr Wärme erzeugt wird als gewöhnlich, oder wo die beiden anderen Wege weniger Wärme abführen. Unser Organismus besitzt die Fähigkeit, die feinsten Blutgefäße in der Haut und in den inneren Organen zu erweitern und zu verengern. Die Gefäßnerven, welche diese Bewegungserscheinungen auslösen, heißen vasamotorische, sie sind zwar unserer Willkür entrückt, aber sie werden von äußeren Einflüssen, sogenannten Reizen, zu unwillkürlichen Reflexbewegungen veranlasst. Wer errötet, dem gehen buchstäblich auch die Hitzen aus, dessen Blutgefäße in der Haut der Wangen erweitern sich und es strömt mehr Blut nach der Peripherie und fließt dadurch mehr Wärme ab. Unter ähnlichen Umständen strömt in Folge vasomotorischer Nerveneinflüsse überhaupt mehr Blut in die Haut und nach der Oberfläche als sonst, die ganze Oberfläche unseres Körpers wird so zu sagen wärmer und wasserreicher, es kann nicht bloß mehr Wärme durch Strahlung und Leitung abgegeben werden, sondern es verdunstet in gleicher Zeit auch viel mehr Wasser.
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