Micha Wölfer
Jener Sommer in Wien, als Tutanchamun bei mir wohnte
Zwischen gestern, heute und der Ewigkeit
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Inhaltsverzeichnis
Titel Micha Wölfer Jener Sommer in Wien, als Tutanchamun bei mir wohnte Zwischen gestern, heute und der Ewigkeit Dieses ebook wurde erstellt bei
Sonnenhymne Sonnenhymne Dein Erscheinen ist vollkommen, O lebender Sonnengott, Herr der Ewigkeit! Du bist strahlend, wunderschön und mächtig, deine Liebe ist groß und gewaltig! Aus den Sonnenhymnen des Echnaton
Prolog Prolog Mein Leben war aus dem Ruder gelaufen. So sehr ich mich auch gegen die Strömung aufgelehnt hatte, meine Nussschale schwamm mit mir geradewegs und wie ferngesteuert in eine Richtung, die ich mir nicht mal im Traum ausgesucht hätte. Was einmal die Ingredienzien meines gewohnten Alltags waren: Selbstverleugnung, geordneter Rückzug – das alles war nun nicht mehr möglich. Da, wo es mich hinzog, gab es so gut wie gar nichts mehr, was auch nur irgendwie Ähnlichkeit mit meinem früheren Leben gehabt hätte. Es gab nicht einmal mehr gepflegte Eintönigkeit. Nein – vor allem die gab es nicht mehr. Am weiten Horizont nicht einen kleinen Funken davon. Aber Aufruhr, den gab es!
Der Auftrag
Ein außergewöhnliches Ereignis
Wohnung einer Künstlerin
Vorkommnisse im Museum
Seltsame Begegnung
Verwirrende Gefühle
Zweifel
Skarabäen
Die Erscheinung
Das Geburtstagsgeschenk
Der Gott auf dem Dach
Intensive Erfahrungen
Naturgewalten
Erkenntnisse
Ängste
Vorbereitung auf den Kampf
Zwischen gestern, heute und der Ewigkeit
Hor
Gemeinsamkeiten
Brettspiele
Der Kampf
MJ und andere Engel
Huberts Offenlegung
Neue Identität
Tage des Apophis –Tage der Finsternis
Frühling 2013
Epilog
Nachwort
Glossar
Anhang 1
Anhang 2
Impressum neobooks
Dein Erscheinen ist vollkommen,
O lebender Sonnengott, Herr der Ewigkeit!
Du bist strahlend, wunderschön und mächtig,
deine Liebe ist groß und gewaltig!
Aus den Sonnenhymnen des Echnaton
Mein Leben war aus dem Ruder gelaufen.
So sehr ich mich auch gegen die Strömung aufgelehnt hatte, meine Nussschale schwamm mit mir geradewegs und wie ferngesteuert in eine Richtung, die ich mir nicht mal im Traum ausgesucht hätte.
Was einmal die Ingredienzien meines gewohnten Alltags waren: Selbstverleugnung, geordneter Rückzug – das alles war nun nicht mehr möglich. Da, wo es mich hinzog, gab es so gut wie gar nichts mehr, was auch nur irgendwie Ähnlichkeit mit meinem früheren Leben gehabt hätte.
Es gab nicht einmal mehr gepflegte Eintönigkeit.
Nein – vor allem die gab es nicht mehr. Am weiten Horizont nicht einen kleinen Funken davon.
Aber Aufruhr, den gab es!
Moleskine, erste leere Seite.
Beginn meiner Aufzeichnungen:
Alles fing damit an, weil er einen Alten Meister haben wollte. Einen richtig großen, einen richtig pompösen. Einen aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, und er würde ihn über seinen neuen Stuckkamin hängen – das prophezeite er mir in seinem bestimmenden Tonfall, der keinen Zweifel darüber aufkommen lassen durfte, dass er immer das bekam, was er wollte.
Da ich ihn ohnehin für größenwahnsinnig hielt, wunderte mich sein Wunsch nicht im Geringsten. War doch Selbstüberschätzung nur eine von vielen seiner unangenehmen Wesenszüge, die mich bereits während unserer Beziehung so nervten, dass ich für einen kurzen Moment in mein altes Kaninchen-vor-der-Schlange-Verhaltensmuster zurückfiel und in meiner Reaktion wohl erbärmlich geistlos wirken musste.
„Glaubst du, ich bin unter die Kunstdiebe gegangen?“, fragte ich, obwohl mich ein leiser Zweifel streifte, warum er sich mit solch einem Auftrag ausgerechnet an mich wenden sollte, denn das war das einzig Absurde daran.
„Blödsinn“, näselte er durchs Telefon. „Glaubst du, ich bin ein Idiot und würde einen Kunstraub ausgerechnet von dir durchführen lassen?! – Ausgerechnet von dir !“
Ich hörte seinen geringschätzigen Lacher, den ich nur zu gut kannte und den ich immer schon widerlich fand, vor allem wenn er mir galt – und meist hatte er ja auch mir gegolten.
„Ich möchte, dass du mir einen malst“, sagte er und fügte ungewohnt gnädig hinzu: „Natürlich nur, wenn du willst.“
War es das, worauf ich immer gewartet hatte? Auf ein Schwächeln seinerseits? Jedenfalls sah ich jetzt meine Chance gekommen, etwas Taktloses von mir zu geben. „Was darf es denn sein? Für dein Schlafzimmer? Lass mich mal nachdenken … Vielleicht die Rosenkranzmadonna? Oder gar die Allegorie der Vergänglichkeit?“
„Nein, bloß kein altväterliches Genre!“, wehrte er sogleich ab.
Er merkte nicht einmal, dass ich ihn beleidigen wollte, oder vielleicht ignorierte er es auch einfach, weil er mich ohnehin noch nie für voll nahm.
„Nackt soll sie sein. Jung und nackt. Nicht fett, nicht mager, nicht religiös verklärt. Und vor allem: nicht teuer!“
„Die gibt’s im KHM nicht“, bemerkte ich und stichelte nach: „Und vor allem keine, die billig ist!“
Abermals wich er meiner mühsam zugefeilten Klinge aus und meinte nur: „Du wirst schon eine finden. Du kennst meinen Kunstgeschmack.“
Den kannte ich allerdings. Sein Kunstgeschmack war drall. Möglicherweise waren es auch die Mädchen, die nach mir kamen.
Und er hatte leider recht. Ich musste nicht lange überlegen und nicht mal den Katalog des Museums zurate ziehen, denn da kam nur eine infrage: die Kurtisane aus Saal I, bei deren Betrachtung schon dem alten Tizian der Pinsel aus der Hand gefallen sein muss – möglicherweise war das auch der Grund, weshalb er da und dort mit den Fingern gemalt hat. – Diese Besonderheit erfuhr ich von einer Kunsthistorikerin … Ob es wegen der körperlichen Reize seines Modells war, ist historisch freilich nicht belegt.
Dem Mädchen im Pelz – einer blutjungen Schönheit aus der Renaissance – sieht man jedenfalls nicht an, dass der Alte Meister auf unkonventionelle Weise an ihr herumgefingert hatte. Sie wirkt, wie alle diese Damen: arrogant und unnahbar. Ihrer atemberaubenden Wirkung bewusst, blickt sie kokett aus dem schweren Goldrahmen und ist dem Betrachter direkt zugewandt. Ihre rechte, milchig weiße, perlengeschmückte Hand schiebt mit einer eleganten Geste die kostbare Pelzstola beiseite und offenbart einen nackten, makellosen Busen.
Ralph, mein Ex, war begeistert von meinem Vorschlag. Ja, genau die sollte es werden – die sollte künftig seine Muse sein. Sanctus!
„Die wird aber teuer“, meinte ich beiläufig.
Geradezu hörbar zog er die Luft ein, aber ich fuhr unbeirrt fort, denn schließlich wusste ich ja, wie ich ihn aus der Reserve locken konnte, selbst wenn ich mein Wissen nur selten angewendet habe. „Du kennst meinen Qualitätsanspruch bei meinen Arbeiten – einen Alten Meister zu kopieren ist keine Pfuscharbeit! Schon allein die Untermalung ist eine Wissenschaft für sich; bereits da muss alles stimmen, sonst wird das nichts. Selbstverständlich, verwende ich – wie du ja weißt – nur die besten Materialien: die teuerste Leinwand, die feinsten Pigmente, das hochwertigste Öl …“ Dann zählte ich auch noch eine Reihe von Pinseln in der Stärke 0 bis 16 auf, natürlich mit Rotmarderhaaren und von Kolinsky, alle direkt aus Sibirien und von vorerst noch nicht artgeschützten Tieren, aber genauso teuer, als wären sie es bereits.
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