„In 3 Wochen wäre gut“, hatte einer der Männer noch gesagt. Das hieß sie hatten nicht viel Zeit.
Er legte sich auf das Handtuch und schloss die Augen. Salzwasser tropfte von seinen Haaren und lief in Rinnsalen seinen Körper herunter, während die Sonnenstrahlen die nasse kühle Haut aufheizte und trocknete.
Die Männer hatten sich in dem Geschäft unauffällig bewegt; komisch dass ihm so etwas auffiel.
Natürlich schrien Mörder nicht gleich herum und machten auch sonst allerlei Sachen, um die Aufmerksamkeit der Umgebung auf sie selbst und ihr Vorhaben zu lenken.
Also wäre es absurd das Verhalten weiter zu analysieren ohne weitere Anhaltspunkte zu haben, dachte er. Er war nicht ein guter Psychiater geworden weil er sich auf Mutmaßungen und Annahmen stützte, die nicht zu untermauern waren.
Um nicht aufzufallen als die beiden an ihm vorbei gingen hatte er, nachdem er das Gespräch mitgehört hatte, selbst versucht, möglichst unauffällig zu sein und zu wirken, auch deswegen fehlte ihm natürlich jedes Potenzial die beiden Männer weiter im Auge zu behalten oder ihr Verhalten zu studieren, um es nachfolgend analysieren zu können.
Bei allem was er beobachten konnte und mitbekam stellte sich heraus, dass er nur wusste wo eventuell ein Mord passieren sollte, und ungefähr wann, und wo zumindest zwei der Täter, die er nicht kannte, wohnten. Was die Täter selber betraf, so fehlten ihm sämtliche Ansätze um ihr Verhalten zu beschreiben, nur ihre Gesichter hatt er sich gemerkt.
Seine Töchter hatten ihn gewarnt:“Papa, das wird ein seltsamer Urlaub für Dich. Erstens bist Du als typisch deutscher Strandgänger auffällig und alleine an der Cote Azur, zweitens weißt Du in der Regel in solchen Momenten nicht viel mit Dir anzufangen, und drittens…“ „…ist Deine Familie nicht dabei um Dein seltsames Verhalten nach außen entweder zu untermauern oder zu erklären“, hatte sie lachend die andere Tochter unterbrochen. „Nein“, hatte die erste Tochter ergänzt, „drittens bist Du Psychiater, und wirst es schaffen den ganzen Urlaub Deine Umgebung zu betrachten. Dann kommst Du wieder nach Hause und erzählst uns die ganze Zeit etwas von den Begebenheiten, die Dich beim Betrachten der Menschen ereilt haben. Da wird mir jetzt schon unwohl.“
Dr. Großelümer, so war der Name von Johannes, war mit 1,70 m etwas kleiner als seine beiden Freunde, er trug einen Kinnrahmenbart, war Anfang 50, hatte grau melierte kurze Haare und war vollschlank.
Tatsächlich hatten seine Töchter recht: Wenn er sich an seinem Stammplatz am Strand gemächlich ausbreitete, und seine durch Gewohnheiten geprägten Regelmäßigkeiten auslebte, so könnte man in Anbetracht dessen, dass er nichts Weiteres tat, also kein Buch lesen oder sonstiges, sondern nur seine Umgebung betrachten, wirklich von einem etwas verschrobenen Menschen ausgehen, noch dazu wenn man sich in einem Gespräch nach seinem Beruf erkundigte.
Sein familiär geprägtes Equipment aus vorangegangenen Urlauben tat ein übriges daran: Eine abgenutzte Strandtasche, ältere Strandlatschen, ein Sonnenschirm und ein Klappstuhl, eine Luftmatratze, sowie diverse Handtücher und ein Kopfkissen, alles mit Emblemen und Symbolen von Nord- und Ostseeurlauben zeigten, dass er gut ausgestattet war, was Strandurlaube betraf.
Nur sah es so aus, als würde er diese Urlaube ständig alleine verbringen - und das mit Vollausstattung.
Ein Polizeiwagen kam an den Strand gefahren. Da es ein Geländewagen war, fuhr er ein Stück auf den Strand um dann aber dort anzuhalten, wo er niemanden störte oder zusätzlich Aufmerksamkeit erregte.
Zwei Polizisten stiegen aus und gingen zur Strandbar, eine Bretterbude, die am Übergang zwischen den Parkplätzen und dem Strand angeordnet war, und sprachen mit dem Barkeeper. Die Bretterbude war nach allen Seiten offen, überall auf der Theke standen bunte Gläser mit kleinen Schirmchen und Strohhalmen, neben großen vasenähnlichen Glasgefäßen, die mit Früchten gefüllt waren. Die Bude war geschmückt mit allerlei Verzierungen, so rahmten Wimpelbänder die Thekenumrandung, und in bunten Lettern war der Name der Cocktailbar oben angeschlagen „Cocktails d´Azur“.
Dr. Großelümer war sofort neugierig geworden. Alleine dass ein Polizeiwagen vorfuhr, ohne irgendeinem offensichtlichen Grund, denn die Polizisten machten nicht den Eindruck, als seien sie in Eile, machte ihn stutzig.
Hinzu kamen natürlich seine Gedanken an das Gespräch über den geplanten Mord, mittlerweile glaubte er selber, dass er sich nicht verhört hatte.
So fand er die Nähe zur Polizei gleichzeitig angenehm und irritierend, da er sich nicht sicher war, wie er damit umgehen sollte. Er stand auf, suchte schnell sein Portemonnaie aus der Strandtasche und ging zügig in Richtung der nahegelgenen Strandbar.
Als er dort angekommen war, bekam er grade noch mit, dass es wohl um zwei deutsche Polizisten ging, welche die französischen Kollegen aus irgendeinem Grund suchten und kontaktieren wollten.
Der Barkeeper schien beiden nicht weiterhelfen zu können, und so verabschiedeten sie sich nach einem kurzen Gespräch und gingen wieder zum Auto.
Wohlwissend, dass er in seiner jetzigen Gemütsverfassung imstande war, Geister zu sehen, fragte er den Barkeeper, was die Polizisten wollten, nachdem er ein Wasser bestellt hatte. Der Barkeeper fügte Eiswürfel und ein Schirmchen in das Wasserglas, dann füllte er das Glas auf.
„Nichts bestimmtes“, antwortete der Barkeeper, und so war er nicht wirklich weniger verwirrt zu seinem Handtuch zurück gekommen, als er von dort gestartet war.
Ich Idiot, dachte er. Warum muss ich mich auch noch mit solchen Dingen verrückt machen?. Lautes Kinderlachen schallte über den Strand.
„Wenn meine Freunde doch schon hier wären“, entfuhr es ihm, „die würden mich schon wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen“.
Sich dessen bewußt, dass auch ein Psychiater an seiner eigenen Psychologie scheitern konnte, sah er den Möwen hinterher die über den Wellen kreisten, als er sich wieder mehr oder weniger entspannt auf seinen Platz legte. Mord, dachte er, Mord und Möwen.
Thomas und Frederik standen am Bahnhof.
Bis auf wenige Einheimische und ein paar Touristengruppen, die mit Ihrem Gepäck zusammenstanden, war der Bahnhof menschenleer. Es war fast acht Uhr am Abend, und so gab es wenig Gründe, hier an diesem Urlaubsort um diese Uhrzeit auf größere Menschenansammlungen an diesem Bahnhof zu treffen, der als Endbahnhof mit lediglich drei Gleisen ausgestattet war; mehr um die ab- und einfahrenden Züge nicht kollidieren zu lassen, als das es notwendig war, wegen der starken Frequentierung mehrere Gleise vorzuhalten.
„Sie müssen auf Bahnsteig 3“, hatte ihnen ihr Fahrer noch erklärt, „Dort fährt jede Stunde ein Zug nach Emden, wie ich schon sagte; von dort fahren alle weg, die Richtung Heimat oder Süden wollen, und von Emden kommen sie dann auf jeden Fall auch weiter.“
Es handelte sich bei ihrem Fahrer um den Kioskbetreiber, nicht Kioskbesitzer, das hatten die beiden in ihrer 10 minütigen Fahrt herausgefunden. Sonst war die Fahrt eher langweilig verlaufen.
Die Landschaft gab nicht viel her, über das man sich hätte unterhalten können, die Kargheit der Umgebung hatte sie übermannt, und der Bahnhof lag mitten in der kleinen Stadt, bei der um diese Uhrzeit die Bürgersteige hochgeklappt waren.
Der Bahnhof war sehr alt und bautechnisch in die Jahre gekommen, die Ausstattung gab nicht viel her, passte jedoch gut zu den Ansprüchen, die man an so einen kleinen Bahnhof haben kann.
Da der Bahnhof inmitten des Urlaubsortes lag, wimmelte es hier nicht von Geschäften und Automaten oder dergleichen, denn man konnte außerhalb des Bahnhofgrundstücks überall etwas kaufen; eigentlich bekam man in der näheren Umgebung alles, was das Herz begehrt.
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