Der Therapeut entpuppt sich als blutrünstiger Koch, der anderen das Fell über die Ohren zieht, und zur Abendeinladung bei einem enttäuschten Liebhaber sollte man sich sein Essen besser selbst mitbringen.
Manchmal steckt das eigene Glück in einer Tiefkühltruhe im Supermarkt fest. Eine Mutter erklärt ihrer Tochter mit Brausepulver das Leben. Und gelegentlich findet sich in Gelatine ein Geheimrezept für die Liebe.
Dieses Buch schmeckt bunt, frech, verführerisch, mal zärtlich, mal melancholisch, boshaft und lustig. Stöbern Sie nach Lust und Laune darin, lassen Sie sich im Fluss Ihrer Emotionen treiben und entdecken Sie dabei Gerichte und Geschichten für jede Lebenslage, gemäß dem Motto: Die nächste Stimmung kocht bestimmt.
Köchin: Katharina Burkhardt
knackiger Silbensalat an pfeffrigem Ideendressing
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feine Buchstabensuppe
aus hausgemachten Vokalen und Konsonanten
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zartes Filet vom jungen Text,
eingelegt in einer kreativen Marinade
aus Wünschen, Ideen und Möglichkeiten,
auf den Punkt genau gegrillt
Dazu reichen wir originelle Wortschöpfungen
mit geraspelten Ausrufezeichen
und unkonventionelle Lösungsvorschläge,
kross gebacken in glühender Leidenschaft.
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luftig-leichtes Gedankensoufflé
aus hauchfeinen Zukunftsvisionen und frischen Fantasien,
garniert mit einem fruchtig-roten i-Tüpfelchen
aus eigenem Anbau
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Getränkeempfehlung:
ein wohltemperierter Esprit, Jahrgang 1967
humorvoll, zart, elegant im Abgang
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Spezialität des Hauses:
ein erfrischender Hessengeist von 1964
temperamentvoll, herzerwärmend,
mit südländischer Note
Katharina Burkhardt
Die Hitze lag an diesem Samstag im August 1963 drückend auf dem kleinen sächsischen Ort. Der Marktplatz war menschenleer, als Richard Krempin ihn überquerte, und auch er wäre lieber in der Kirche geblieben, hinter deren dicken Mauern es angenehm kühl war. Doch er konnte unmöglich den ganzen Nachmittag dem Organisten zuhören, der für den Gottesdienst am nächsten Morgen probte; schließlich hatte er noch Termine. Als er in die Poststraße einbog, kam ihm eine junge Frau entgegen, die einen Kinderwagen vor sich herschob.
»Guten Tag, Herr Pfarrer«, grüßte sie freundlich, und als sie sah, dass Richard trotz der hochsommerlichen Temperaturen einen dunklen Anzug trug, fügte sie mitfühlend hinzu: »Ach, müssen Sie denn an so einem heißen Samstag unbedingt noch arbeiten? Ein bisschen Ruhe täte Ihnen doch auch gut, oder?«
Richard lächelte höflich und erwiderte den Gruß. Annemarie Stegmann kam regelmäßig in seine Bibelstunden.
»Nun ja«, fügte er hinzu, »wir Pfarrer sind ja sozusagen immer im Dienst. Und heute wartet eine schöne Aufgabe auf mich. Die alte Frau Hempel wird neunzig, da möchte ich ihr gratulieren.«
Er verabschiedete sich freundlich von Frau Stegmann und öffnete das schmiedeeiserne Gartentor zur Poststraße Nummer vier.
Mit raschen Schritten ging er durch den Vorgarten bis zur Haustür und wischte sich dabei mit einem Taschentuch den Schweiß von Stirn und Nacken. Das Haus zeugte von einer Zeit, in der man noch großzügig gebaut hatte, mit hohen Decken, Bogenfenstern und Stuckverzierungen. Doch wie überall im Osten fehlte es den Eigentümern auch hier an Geld und Baumaterial. Feine Risse durchzogen den grau gewordenen Putz, und an Fensterrahmen und Haustür blätterte die Farbe ab. Nachdenklich musterte Richard die Tür, während er darauf wartete, dass ihm geöffnet wurde. Es dauerte lange, bis er Schritte vernahm. Endlich stand Gertrud Engelmann vor ihm, die Tochter der Jubilarin.
»Ach, Herr Pfarrer Krempin!«, rief sie erfreut, und statt ihrer Hand streckte sie ihm eine große Kuchenplatte entgegen, auf der sich eine beachtliche Menge quadratisch geschnittener Stücke Pflaumenkuchen befand. »Was für ein Glück, dass ich Sie überhaupt gehört habe, denn wir sitzen alle im Garten. Aber ich musste mal ein bisschen Nachschub für die hungrigen Mäuler holen.«
Richard atmete den köstlichen Duft von frisch gebackenem Hefeteig ein, und ihm wurde bewusst, dass es lange her war, seit er ein bescheidenes Mahl zu sich genommen hatte. Er nahm Gertrud Engelmann die Kuchenplatte ab, und der Geruch des Kuchens umhüllte ihn sanft und verführerisch. Ein wenig benommen folgte Richard Frau Engelmann in den Garten, wo sich zahlreiche Gäste im Schatten eines Apfelbaums um eine Geburtstagstafel versammelt hatten. In der Mitte thronte auf einem schweren Lehnstuhl, den man eigens aus dem Wohnzimmer nach draußen geschafft hatte, Erna Hempel, das Geburtstagskind. Richard überreichte ihr eine Karte mit den üblichen Segenswünschen und ein Gebetsbüchlein. Erna Hempel war trotz ihres hohen Alters noch bei guter Gesundheit, und ihre Augen blitzten lebhaft hinter den Brillengläsern.
»Das ist unser neuer Pfarrer«, erklärte sie ihren Gästen. »Er arbeitet hier, seit Pfarrer Mayer in Ruhestand gegangen ist. Sie sind ja noch recht jung«, fügte sie mit einem Augenzwinkern an den schlanken, hochgewachsenen Richard hinzu, »aber mir scheint, Sie machen Ihre Sache gut.«
»Vielen Dank.« Richard schaute in schmunzelnde Gesichter, die ihn neugierig musterten.
»Und das hier sind meine Enkelkinder«, fuhr Erna Hempel mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme fort. »Die Margot und die Ingrid. Die leben beide im Westen, genauso wie der Günther mit seiner Frau Barbara. Nur das Nesthäkchen, die Erika, lebt auch im Osten, in Berlin.«
Die jungen Leute grüßten Richard freundlich. Sie trugen alle leichte Sommerkleidung, und Richard war froh, dass er sein Jackett ebenfalls ausziehen durfte.
»Es ist heute zu heiß für Förmlichkeiten«, sagte Günther und deutete Richard an, die Hemdsärmel auch noch aufzukrempeln.
»Sie möchten doch sicher auch ein Stück Kuchen, nicht wahr?«, fragte Ingrid, und Richard nahm Platz auf einem Klappstuhl, ließ sich Kaffee einschenken und einen Teller mit Pflaumenkuchen und frischer Schlagsahne reichen.
Die geviertelten Pflaumen lagen dicht aneinander und waren leicht in den luftigen Hefeteig eingesunken und zusätzlich in Streuseln eingebettet. Um dem Kuchen noch mehr Süße zu verleihen, hatte Gertrud Engelmann ihn nach dem Backen mit Zucker bestreut. Richard spürte den süßsauren Geschmack der Früchte auf seiner Zunge, noch bevor er den ersten Bissen kostete. Am liebsten hätte er vor Genuss die Augen geschlossen. Dieser Kuchen war der beste Kuchen, den er jemals gegessen hatte, ein Gedicht, die Krone sächsischer Backkunst sozusagen. Dazu gab es echten Bohnenkaffee, den Margot aus Nürnberg mitgebracht hatte, und dessen voller, herber Geschmack perfekt mit dem fruchtigen Kuchen harmonierte.
Richard beantwortete mit vollem Mund Fragen zu seiner Arbeit. Es war seine erste Pfarrstelle nach dem Vikariat. Ihm gefiel der kleine Ort gut und er konnte sich durchaus vorstellen, hier noch einige Jahre zu verbringen.
Die Kinder der Engelmanns waren schon lange aus dem Haus und er begegnete ihnen allen zum ersten Mal.
»Und wo leben Sie?«, fragte er Ingrid, die ihn mit denselben lebhaften Augen wie ihre Großmutter ansah.
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