Dann, mit etwa zwanzig, war es modern, sich sein Horoskop erstellen zu lassen. So ließ ich mir auch eins machen. Neugierig, wie ich nun einmal bin, wollte ich es Wort für Wort verstehen, und der arme Astrologe musste es mir ganz genau erklären.
Nur zur Erinnerung: Schreiben war zu diesem Zeitpunkt noch tabu und ein Ehemann auch noch nicht in Sicht.
Der Astrologe legte los.
1 Aszendent Schütze: Reisen und Religion bedeutet dir sehr viel.
2 Sonne-, Merkur- und Venus-Konjunktion im Widder: Du liebst es, dich schön auszudrücken und hast Botschaften mitzuteilen, bei denen du unter Umständen auch kein Blatt vor den Mund nimmst.
3 Mars-, Pluto- und Uranus-Konjunktion im 8. Haus: Du liebst es, sehr direkt mit deiner Umwelt zu kommunizieren, ggf. auch mit dem Kopf durch die Wand. Opposition Saturn, die angezogene Handbremse. (Dieser Umstand bereitete mir als Teenager oft Migräne, jetzt als Erwachsene kann ich ihn besser kanalisieren)
4 Waage im zehnten Haus: Deine Bestimmung ist Gerechtigkeit für die Menschen, vielleicht wirst du Rechtsanwältin. In Verbindung mit dem Schützen als Aszendent kann es aber auch etwas im Ausland sein.
Das waren auszugsweise die Worte des Astrologen. Damals konnte ich damit nicht viel anfangen, denn Jura wollte ich auf keinen Fall studieren, und das Ausland war für mich auch nicht aktuell. Doch jetzt, Jahrzehnte später, ergibt vieles plötzlich einen Sinn.
Als ich 27 Jahre alt war, machte meine Mutter eine Kreuzfahrt auf dem Nil. Mit an Bord war ein Numerologe, der ein Seminar gab. Sie lernten dort, was die Zahlen unserer persönlichen Daten aussagen. Meine Mutter ließ dann auch meine Zahlen interpretieren. Das Ergebnis: Mein Leben würde sich mit 34 grundlegend verändern.
Natürlich vergaß ich auch dieses Ereignis wieder. Doch jetzt im Nachhinein stelle ich fest: Ein paar Wochen vor meinem 34. Geburtstag gründeten wir den Verein, und ein paar Monate danach kamen meine Zwillinge auf die Welt. Und beide Ereignisse haben definitiv mein Leben grundlegend verändert.
Der Islam lehrt uns, dass es die Vorbestimmung durch Gott gibt. Von den esoterischen Disziplinen halte ich inzwischen nicht mehr viel, doch könnten die oben genannten Erlebnisse kleine Anzeichen für das gewesen sein, was sich später ereignete.
Ich war auf der Suche. Auf der Suche nach dem roten Faden in meinem Leben. Doch alle esoterischen Richtungen schienen so unabhängig voneinander. Ich aber wollte etwas Ganzheitliches, das meinem Leben einen Sinn gibt. Ich suchte, und ich fand: den Islam. Dort gibt es Antworten auf alle Fragen, und der Islam ist in sich stimmig und eine große Lebenshilfe.
1992 war es dann soweit. Ich konvertierte zum Islam und heiratete auf muslimische Art. Es war die beste Entscheidung in meinem Leben. Jetzt ergaben viele Erlebnisse plötzlich einen Sinn. Ich verstand, dass Allah uns zu unserem Besten prüft, und dass es für jeden eigentlich nur ein Ziel gibt: nach dem Tod ins Paradies eintreten zu dürfen. Ist das nicht ein Ansporn für uns hier auf Erden? Ein Ansporn, Gutes zu tun, Enttäuschungen zu vermeiden und möglichst im besten Sinne und im Einklang mit der Schöpfung zu handeln. Das ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich
Wie und warum ich den Islam als meine Lebensgrundlage angenommen habe, schreibe ich gern an anderer Stelle ausführlicher. In diesem Buch soll es vor allem darum gehen, wie ich die Freude am und die Berufung zum Helfen gefunden habe.
Zur Erinnerung an meine Kindheitserlebnisse: Ich bin mit einem gambischen Gitarristen mit dunklen Augen, dunklen Haaren und sogar dunkler Haut verheiratet. Wir haben vier Kinder, die in beiden Ländern zur Schule gegangen sind. Mittlerweile leite ich seit über zwanzig Jahren die Hilfsorganisation „Help the poor and the needy e.V.“ in Berlin und Gambia, die den Ärmsten in der Region Bakau und Umgebung hilft, ihre Lebensumstände deutlich zu verbessern, indem die Reichen in den Industrieländern etwas abgeben, um es den Armen in den Entwicklungsländern zu geben. Na, wenn das kein Einsatz für die Gerechtigkeit ist. Aber nein, Robin Hood ist jemand anderes. Ach ja, und ich liebe es, über diese Tätigkeit zu kommunizieren. All diese Informationen sind wichtig, um die nachfolgenden Geschichten ein wenig besser zu verstehen.
Suraya Jammeh, geboren 1965, humanistisches Abitur, zweieinhalb Jahre Geschichts- und Politik-Studium an der FU Berlin, Ausbildung zur IHK-geprüften Datenverarbeitungskauffrau und Fernstudium zur Autorin. Diverse Weiterbildungen in Öffentlichkeitsarbeit. Soweit meine beruflichen Qualifikationen, die mir jetzt bei der Umsetzung unserer Projekte sehr helfen
1992 bin ich zum Islam konvertiert und habe islamisch geheiratet. Das war ein großer Meilenstein.
In eine gambische Familie einzuheiraten ist etwa so, als ob du dich noch einmal neu erfinden musst. Vieles von dem, was du bisher als richtig empfunden hast, wird infrage gestellt und muss neu überdacht werden. Nicht immer ganz einfach, aber spannend und lehrreich allemal. Vielleicht animiert dieses Buch ja auch andere, die überlegen, so einen großen Schritt zu gehen, es mir gleichzutun. Das Verständnis für andere Kulturen kann unserer zerstrittenen, aber dennoch globalen Welt nur guttun.
Mein Leben ist ein ständiges Überarbeiten meiner Paradigmen, und was kann einem da besser helfen als immer wieder neue Impulse von außen? Für diese Chance bin ich meinem Schöpfer sehr dankbar. Ich wünsche mir, dass jeder in dieser globalen Welt die Möglichkeit hat, mit der gleichen Offenheit für das „Andere“, das „Neue“ durch die Welt zu gehen und ebenfalls so wunderbare Dinge zu erleben.
Ich bezeichne mich selbst als Philanthropin (Philos = Freund, Anthropos = Mensch). Ich liebe die Menschen, und mein größtes Ziel ist, dass es allen Menschen in meiner Umgebung gut geht. Daran arbeite ich täglich und freue mich, einen kleinen Teil dazu beitragen zu können.
Philanthropie gibt es schon seit der Antike; sie wird in den verschiedenen Gegenden und Religionen der Welt unterschiedlich gehandhabt. Überall auf der Welt gibt es Stiftungen, Vereine, Hilfsorganisationen und natürlich auch wohlhabende Einzelpersonen, die sich der Philanthropie verschrieben haben
Im Dezember 2016 gab es in Gambia einen Regierungswechsel, der nicht ganz störungsfrei verlief. Der abgewählte Präsident wollte nicht abtreten. Soldaten der befreundeten Nachbarländer standen an den Grenzen, um einzugreifen. Die Situation war nicht ganz ungefährlich, und alle Freunde baten uns inständig, doch das Land zu verlassen. Dazu später im Buch einen ausführlichen Tagebuchbericht.
Doch in mir sperrte sich etwas. Ich wollte nicht, auch nicht zum Schutz meiner eigenen Kinder. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, warum. Ich bin in Gambia angetreten, um den Armen zu helfen. Ich könnte nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn ich bei der ersten schwierigen Situation als privilegierte Person gleich die Flucht ergreife. So harrten wir aus, Seite an Seite mit den Menschen, für die wir da sein wollen.
Der Islam schreibt für die Unterstützung derjenigen, die am meisten Hilfe benötigen, zwei Arten der Unterstützung vor. Die zakat, das ist eine jährliche Pflichtabgabe von 2,5 Prozent auf die Vermögenswerte derjenigen, die ein gewisses Einkommen haben. Und die sadaqa, eine freiwillige Abgabe in beliebiger Höhe. Zu beiden gibt es noch verschiedene Kategorien, doch ich möchte an dieser Stelle nicht ins Detail gehen.
Da wir unsere Arbeit ehrenamtlich machen, kann ich eher weniger Geld spenden, aber ich spende meine Zeit für die Umsetzung der vielen tollen Projekte, die wir mithilfe unserer deutschen Spender und Sponsoren anstoßen und umsetzen können.
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