Die Freunde standen sofort auf und folgten dem großen Wächter, der doch sehr an einen Indianer erinnerte. Die kleine Elfe hatte sich bereits zu ihnen gesellt und saß bei Tobias auf der Schulter, was für Tobias ein winziges Kitzeln an dieser Stelle fühlen ließ. Baptisè ging auf ein großes Fenster zu, das es, nach Tobias´ Meinung, zuvor noch nicht gegeben hatte.
Baptisè hielt das Fenster geöffnet. Seine Haare begannen zu wehen.
Tobias und Schniefer hatten den großen Verdacht, dass, wo immer sie jetzt hin mussten, es dort wohl sehr, sehr windig sein musste. Weshalb sonst sollten die Haare des Indianer ähnlichen Wächters so sehr fliegen?
Schniefer begann an den Füßen zu frieren ein Gefühl, das er seit Jahrhunderten nicht mehr kannte, noch gefühlt hatte.
Was kam da auf sie zu? Wohin mussten sie gehen, um die Vergangenheit des Geistes wiederzufinden? Und was würde dort, hinter dem Fenster, das Baptisè immer noch für sie geöffnet hielt, verborgen sein? Was würde sie dort erwarten? Würde es ihnen gelingen Schniefers Vergangenheit wiederzufinden, oder würden sie niemals mehr wieder zurückfinden?
Der Wächter hielt das Fenster immer noch geöffnet. Er sah zu der kleinen Elfe hin und nickte ihr zu.
Minze flog hindurch. Die Freunde folgten der kleinen grasgrünen Elfe.
Tobias hatte Emilie mal wieder vorsichtshalber auf seine Arme genommen.
Kapitel 12: Eintritt in eine verzauberte Welt
Kaum, dass die Freunde das Fensterportal durchschritten hatten, war es auch bereits in ihrem Rücken wieder verschwunden. Genau wie der Wächter gesagt hatte, nun gab es kein Zurück mehr.
Eigenartigerweise war es kein bisschen windig. Was auch immer das Wehen der Po-langen Haare Baptisès verursacht haben mochte, es war kein Wind, der hier vorherrschte. Hier war alles ganz, ganz ruhig.
»Wir müssen Spirito finden. Erst wenn wir ihn gefunden haben, erst dann können wir die Vergangenheit von Schniefer finden.« sagte die kleine grasgrüne Elfe mit ihrem zarten Stimmchen.
»Spirito? Wo können wir ihn finden, Minze?«, fragte Tobias die kleine Elfe.
Auch Schniefer hatte eine Frage beizutragen: »Ja, Minze, und wo können wir diesen Spirito finden? Wer ist das überhaupt?«
»Spirito ist der Weise Zauberer. Eigentlich ist er ein Geist, aber ein Zauberer ist er auch. Aber das muss Euch jetzt gar nicht weiter interessieren. Wichtig ist, dass wir ihn schnellstmöglich finden. Er weiß alles und er weiß auch über alles Bescheid. Wo und wie wir ihn finden können, das weiß ich auch nicht. Wir müssen uns einfach durchfragen.« antwortete die kleine Elfe.
»Durchfragen? Bei wem, hier ist doch niemand.« Tobias sah sich suchend um. Aber er konnte nichts, außer einem großen Stollen, erkennen. Er vermutete schon, dass sie sich im Schlossgewölbe aufhalten könnten, doch das konnte ja wohl nicht sein, denn wie könnte ein Geheimweg, der auf dem Dachboden versteckt war, wie könnte dieser unterirdisch weitergehen? Nein, so konnte es nicht sein.
»Zuerst einmal müssen wir den Ausgang aus dieser Grotte finden, dann muss ich mal auskundschaften wo wir überhaupt sind. Also, Tobias, lass mal Deinen Hund runter, der findet den Ausgang nämlich schneller als ich.« Damit dreht sich die Elfe zu Emilie und setzte sich bei dieser auf den Kopf.
Tobias ließ seine Hündin auf den Boden, und kaum, dass ihre Pfoten diesen wieder fühlen konnten, rannte sie auch schon, laut kläffend, los.
»Nicht so laut, Emilie, wer weiß, wen Du auf uns aufmerksam machst.« rief ihr Tobias hinterher.
Schniefer, der den beiden hintennach schwebte, wurde im nächsten Moment von Tobias zurückgepfiffen: »Hey, Geisterfreund, hier geblieben, Du kannst mich hier doch nicht so ganz alleine lassen. Immerhin bin ich wegen Dir hier und nicht wegen mir.«
»Oh, entschuldige, Tobias. Ich bin doch nur so aufgeregt, das musst Du doch verstehen, oder nicht?!« versuchte der Geist sein Verhalten zu erklären.
»Ja, sicher, aber Du musst trotzdem auf mich warten. Immerhin kann ich nicht, so wie Du, schweben. Wenn ich das könnte, dann wäre ich auch schneller, aber so habe ich nur meine beiden Füße und die können nun mal nicht schneller laufen.« dabei deutete er auf seine Füße.
»Wenn wir auf einen Zauberer treffen, müssen wir unbedingt daran denken, dass wir Deine Füße verzaubern lassen, hörst Du, Tobias. Vergiss das bloß nicht, sonst sind wir womöglich nochmals vier Jahrhunderte unterwegs, bis ich meine Vergangenheit gefunden habe.« riet der ungeduldige Geist seinem Menschenfreund.
»Wenn Du glaubst, dass das machbar ist. Aber, dann nur für so lange, wie wir auf Deiner Suche sind, hörst Du. Denn ich bekäme großen Ärger mit meiner Mutter, wenn ich plötzlich Turbofüße hätte. Ja, zieh nicht so an meinem Shirt, ich beeil mich ja schon.« Tobias begann ganz schnell zu laufen, damit sein Geisterfreund nicht allzu lange auf ihn warten musste.
Es dauerte nicht sehr lange, dann hatte Emilie den Ausgang gefunden.
Die Freunde traten raus aus dem Gewölbe, hinein in eine Wasserwelt. Sie hatten immer noch keinen Himmel über sich.
Da standen sie nun und um sie herum nichts als Wasser und in ihrem Rücken die Grotte.
»Wir müssen das Wasser überqueren.« sagte die Elfe.
»Was Du nicht sagst. Hättest Du es nicht erwähnt, ich wäre nie im Leben darauf gekommen.« erwiderte Tobias ironisch.
– Klar, müssen wir über´s Wasser, nur, wie sollen wir dort rüber kommen? Wir können ja nicht fliegen, so wie die Elfe oder schweben wie Schniefer. Nein, wir können nur laufen, Emilie und ich. Nur zu Fuß geht da mal gar nichts. Also bleibt uns ja nur ein Weg: Wir müssen schwimmen –, dachte Tobias.
»Dann müsst ihr beide, Du und Dein Hund, schwimmen. Anders geht es nicht, Tobias.« sagte Minze mit einem traurigen Ton in ihrem Stimmchen, im gleichen Moment, geradeso, als hätte sie Tobias´ Gedanken gelesen.
»Dort soll ich rüber schwimmen? Für was hältst Du mich? Für einen Delphin? Ich kann da nicht rüber schwimmen.« erklärte Tobias der Elfe.
»Doch, Du kannst es. Auch Dein Hund wird es können. Ich werde Dich ein klein wenig mit Elfenhauch bepusten, dann kannst Du es.« Die Elfe sagte dies in einem Ton und einer Überzeugung, die Tobias im ersten Moment verwunderte. Aber dann bekam er so seine Zweifel an ihren Worten und fragte: »Minze, was soll mir Dein Elfenstaub, oder was immer das sein soll, nutzen? Sieh mal wie winzig Du bist und wie groß ich gegen Dich bin. Selbst Emilie ist riesig, im Verhältnis zu Dir. Dein Zauberstaub, er wird uns niemals tragen können.«
»Doch, Tobias, vertrau mir einfach. Bitte.« Mit flehenden Augen sah Minze den Jungen an. Auch Schniefer sah Tobias mit bittenden Augen an.
Tobias schluckte und seufzte, dann sagte er: »Auch, wenn ich dies alles doch sehr bezweifle, so bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig, wie Euch, Dir Minze, zu vertrauen...«
»Wenn Du nicht mehr kannst, wenn das Elfenpuder, der Elfenatem, nein, Elfenhauch, ach geisteregal, also, wenn Du nicht mehr kannst, Tobias, ich werde über Dir schweben, und wenn Du nicht mehr kannst, dann werde ich Dich einfach festhalten. Und Dich an Land ziehen. Also hast Du mal so gar nichts zu befürchten. Und jetzt lasst Euch anhauchen, damit es endlich weitergehen kann. Bitte.« bat der Geist.
Die Elfe Minze kam zu Tobias und Emilie geflogen. Sie nahm ihre rechte winzige Elfenhand und legte sie an ihren linken Elfenflügel. Ganz vorsichtig strich sie über diesen drüber. Dann zog sie ihre Hand vor ihren Mund, beugte sich zu Emilie und blies den Elfenstaub Emilie ins Gesicht. Anschließend wiederholte sie die gleiche Prozedur nochmals und blies auch Tobias ihren Elfenflügelstaub ins Gesicht.
Danach flog sie über den großen Fluss hinweg. Tobias sah der Elfe nach. Langsam ging er auf das Wasser zu. Er zog sich die Schuhe aus und band sich diese an die Hose. Langsam ging er hinein ins kalte Wasser. Dachte er, denn das Wasser war kein bisschen kalt, im Gegenteil, es fühlte sich an wie frisch eingelassenes Badewasser.
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