Die Geheimniskrämerei, die ein zum ersten Male befallener Mann plötzlich an den Tag legte, war für die Außenstehenden ausgesprochen unterhaltsam. Er versuchte die Anzeichen für die Gegenwart seiner kleinen Bewohner mit einer Umsicht zu verschleiern, wie es ein alter 49er mit dem Lageplatz seiner frischentdeckten Goldader getan haben mochte. Manchmal fand er zunächst nur eine einzige Laus an seinem Körper; diese meuchelte er in aller Stille an einem unbeobachteten Ort und verschwieg das Ereignis seinen Kameraden, alles in der Hoffnung, es könnte sich um den Robinson Crusoe der Läusewelt, einen einsamen, ohne jegliche Begleiter in fremden Gefilden Gestrandeten, gehandelt haben. Doch wie trügerisch war diese Selbsttäuschung! In 99 von 100 Fällen erwies sich die einsame Laus als Stammvater künftiger Generationen, dem es vor seiner Vernichtung noch gelungen war, unbemerkt seine Saat auszubringen. Nach nur allzu kurzer Zeit sah der Soldat sich dann gezwungen, ein Ein-Mann-Untersuchungskomitee hinter geschlossenen Türen zu bilden und zog sich zu einer angemessen abgeschiedenen Örtlichkeit zurück. Dort setzte er sich nieder, legte seine Kleidungsstücke über seine Knie und konzentrierte sich auf seine "Erntearbeit", wobei er jede Faser so sorgfältig prüfte, als sei er ein Tuchhändler.
Eine lausige Arbeit
Das Gefühl angewiderten Ekels, das man beim ersten Kontakt mit den kleinen Kriechern empfand, wich schon bald einer routinierten Gleichgültigkeit, wenn man sich bewusst wurde, dass es völlig unmöglich war, sich die Läuse gänzlich vom Halse zu halten. Die Geheimhaltung, mit welcher ein Soldat sein erstes "Gefecht ausgefochten" hatte (wie die Läusejagd häufig genannt wurde), wurde aufgegeben und fürderhin wurde der Kampf unter den Augen seiner Kameraden fortgesetzt. Tatsächlich galt es bald als ein Anzeichen für die Reinlichkeit eines Soldaten, wenn man ihn häufig seine Kleidung lausen sah und da es ohnehin jeder tun musste, ergab es keinen Sinn, sich dabei zu verstecken. Bei kaltem Wetter wurden die Gefechte in den Behausungen ausgefochten, aber wenn es draußen warm war, verließen die Männer zu diesem Zwecke gerne das Lager. Man fand sie dann für gewöhnlich in einem nahegelegenen Wald, wo sie alleine oder in kleinen Grüppchen herumsaßen und ihre Opfer zu tausenden vernichteten. Hin und wieder sah man einen Mann, der das Zelt des Quartiermeisters mit einer nagelneuen Uniform über dem Arm verließ, um einen läusefreien Neuanfang zu wagen. Er hängte die frische Uniform über einen Busch, streifte seine alten Kleidungsstücke ab, verbrannte sie und schlüpfte in seinen neuen unionsblauen Rock. So weit, so gut, doch der Soldat konnte sich glücklich schätzen, wenn er nicht binnen einer Woche bereits wieder mit den kleinen Blutsaugern zu kämpfen hatte.
Auf der Suche
Die Läusejagd verschaffte zugegebenermaßen nur geringfügige Erleichterung von den Graurücken und nahm zudem viel Zeit in Anspruch. Heißes Wasser war das Mittel der Wahl, denn es durchdrang jeden Stoff und kochte die noch ungeborenen Millionen, die selbst der gründlichste Soldat nicht alle zwischen seinen Fingern hätte zerquetschen können. So zählebig waren die Tierchen, dass einige Veteranen noch heute beschwören, sie hätten einige von ihnen auf Kleidungsstücken herumkrabbeln gesehen, welche gerade erst aus kochendem Wasser geholt worden waren. Angeblich konnte man sich der völligen Vernichtung der Pediculi nur sicher sein, wenn man das kochende Wasser noch kräftig salzte.
Ich bin überzeugt, dass alle Soldaten hinsichtlich der Graurücken dieselbe Meinung vertraten, nämlich, dass das Angebot die Nachfrage in einem derart unerhörten Maße überstieg, dass das Wohlergehen der Nation daran Schaden nahm. Was der Kartoffelkäfer für die Kartoffel ist, das waren die Kleiderläuse für die Soldaten beider Seiten. Ich wünsche jenem Manne Ruhm und Reichtum, der vor Ausbruch des nächsten großen Krieges ein Mittel erfindet, welches mit der Laus dasselbe tut, was das sogenannte "Pariser Grün" mit dem Kartoffelkäfer tut. [Anm. d. Übers.: Pariser Grün, ursprünglich ein Pigment für Malerfarbe, fand aufgrund seiner hohen Giftigkeit ab der der Mitte des 19. Jahrhunderts weitverbreitete Anwendung als Insektizid.] In Anbetracht dieser Tatsachen ist es wohl verständlich, dass kein guter Soldat sein Bett als Gemeinschaftseigentum behandelt sehen wollte.
Es sei an dieser Stelle noch angemerkt, dass kein anderer Vertreter des Insektenreiches dem Soldaten ernstzunehmende Probleme bereitete. Gelegentlich bohrte eine Zecke unbemerkt ihren Kopf in irgendeinen Teil der menschlichen Anatomie, aber diese Tierchen waren weder zahlreich noch richteten sie Schaden an.
Eine Zecke
Ich habe bereits einiges über die Freizeitbeschäftigungen der Soldaten berichtet. Dem bereits Gesagten möchte ich noch zwei weitere Bereiche der häuslichen Tätigkeit hinzufügen, welche bei einigen Männern mehr und bei anderen weniger, ja sehr viel weniger, Zeit in Anspruch nahmen: das Waschen und das Nähen. Einige Soldaten legten im Felde ebenso großen Wert darauf, ihre Unterwäsche mindestens einmal pro Woche zu wechseln, wie sie es im Zivilleben getan hatten. Andere hingegen waren nur unter dem immensen Druck verzweifelter Umstände dazu zu bewegen. Selbst nach all den Jahren ist es noch ekelerregend, daran zurückzudenken, mit welcher Gleichgültigkeit hunderte von Soldaten ihrer Körperhygiene begegneten. Eine Anekdote, die wohl jeder alte Soldat kennt, handelt von einem Manne, der sich nach langer Zeit schließlich genötigt sah, doch einmal ein Bad zu nehmen und beim Entkleiden mehrere Hemden und Socken an sich entdeckte, die er schon lange verloren gewähnt hatte. Diese populäre Geschichte rührte von der Tatsache her, dass sich in jeder Einheit einige Individuen befanden, welche die einfachsten Grundsätze der Reinlichkeit nicht befolgten und welchen man ein derartiges Erlebnis beinahe zutrauen konnte.
Kochwäsche
Wie wurde das Wäschewaschen bewerkstelligt? Wenn die Truppen unweit eines Baches lagerten, erleichterte dies die Angelegenheit durchaus, doch selbst dann noch musste die Wäsche gekocht werden und hierzu gab es nur ein geeignetes Behältnis: den Kessel der Messe. Über Daniel Webster existiert eine wohlbekannte Anekdote: Während seiner Zeit als Außenminister fragte ihn der französische Botschafter in Washington, ob die Vereinigten Staaten wohl die neue Regierung Frankreichs anerkennen würden (es handelte sich hierbei, so glaube ich zumindest, um Louis Napoleons Regierung). Hierauf entgegnete Webster: "Warum nicht? Die Vereinigten Staaten haben die Bourbonen anerkannt, die französische Republik, das Direktorium, den Rat der Fünfhundert, den Ersten Konsul, den Kaiser, Louis XVIII., Charles X., Louis Philippe, den ..." Der Botschafter, von der Stichhaltigkeit der genannten Präzedenzfälle überzeugt, rief schließlich aus: "Genug! Genug!" Hinsichtlich der Verwendung des Kochkessels zur Kleiderwäsche lässt sich ebenso fragen: "Warum nicht?" Wurde er nicht benutzt, um unser Fleisch, unsere Kartoffeln, unsere Bohnen-, Erbsen- und Fleischsuppen, unseren Tee und Kaffee sowie unser Apfel- und Pfirsichkompott zu kochen? Warum also nicht auch unsere Wäsche? Ich möchte dir etwas sagen, lieber Leser: Es mag dir der Gedanke, den Waschkessel als Kochkessel zu verwenden, ein wenig auf den Magen schlagen, aber glaube mir, du würdest dich im Nu daran gewöhnen. Diese vielfältige Nutzung des Kessels der Messe beeinträchtigte unseren Appetit bereits nach kürzester Zeit nicht mehr im Geringsten. Auch stellte sich die Frage nach der "Schicklichkeit" bald nicht mehr, da der Soldat unter gewissen Umständen noch weitaus "Unvorstellbareres" zu erdulden hatte. Zwar wäre es in der Tat himmlisch gewesen, jedem Manne einen exzellenten "Magee Range"-Herd mit kupfernem Abzug und eine eigene Badewanne zur Verfügung zu stellen, aber irgendwo mussten nun mal Abstriche gemacht werden. Alles Große und Sperrige, das nicht zwingend erforderlich war, wurde aus dem Leben des Soldaten verbannt. Aus diesem Grunde konnten wir keine gesonderte Waschküche mit uns führen und unsere Gerätschaften mussten zwei oder drei Funktionen übernehmen.
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