Das Lagerfeuer nach dem Erscheinen des Jona
Ich erinnere mich an einen Mann, der seinen besten Bemühungen zum Trotze stets vom Peche verfolgt schien. Er war ein guter Soldat und er gab stets sein Bestes, aber hin und wieder unterlief ihm ein grober Schnitzer. Seine letzte Tat als Soldat bestand darin, beim Behauen eines Baumstammes seine Axt in seinen Stiefel zu schlagen. Zu seinem Unglücke befand sich zu diesem Zeitpunkt sein Fuß darin. Als er seinen Stiefel abstreifte und seinen Fuß in Augenschein nahm, stellte er fest, dass einige seiner Zehen "sich unerlaubt von der Truppe entfernt hatten". Er packte also seinen Stiefel, drehte ihn um und schüttelte seine Zehen heraus. Dabei wirkte er so gefasst, als sei dies ein alltäglicher Teil des Soldatenlebens. Dieser Unfall bedeutete das Ende seiner militärischen Laufbahn.
Der Pechvogel
Der Jona konnte seine "Begabung" in den verschiedensten Bereichen zeigen, doch hier müssen wir uns leider von ihm verabschieden, um uns einem anderen Charakter zuzuwenden, über den ich einige Worte verlieren möchte. Es handelt sich hierbei um die sogenannte "Plage". Plagen kamen in den verschiedensten Varianten. Ursprünglich bezeichnete der Ausdruck "Plage" einen Faulpelz oder Drückeberger, der sich mit allen nur erdenklichen Mitteln seiner soldatischen Pflichten zu entziehen versuchte, fand jedoch rasch ein breiteres Anwendungsfeld.
Eine der erträglicheren Formen der Plage war jener Mann, der im Zelt am Feuer saß und ohne Sinn und Verstand unablässig Brennholz nachlegte, sodass sich das Zeltinnere in eine Räucherkammer verwandelte. Dieser Feuerwächter schien sich diesbezüglich nicht um das Recht seiner Zeltgenossen auf eine ungestörte Freizeit zu scheren, denn ihn fröstelte es ständig. Er trug Mantel, Uniformjacke, Hemd und Flanellunterwäsche, kurz jedes Kleidungsstück, das von der Regierung ausgegeben wurde, aber man hörte ihn niemals klagen, ihm sei zu heiß. Er trug stets seinen gesamten Kleidungsbestand am Leibe, tags wie nachts, und nur eine bevorstehende Inspektion konnte ihn dazu nötigen, sich widerwillig des einen oder anderen Stückes zu entledigen. Am wohlsten fühlte sich dieser Charakter beim Arbeitseinsatz, denn er war ein Meister der Arbeitsvermeidung und erledigte seine Aufgaben mit dem Tempo der Kontinentaldrift. Burschen seiner Art schienen ein fester Bestandteil des Unionsheeres zu sein und in jeder Einheit waren einige Exemplare zu finden.
Auf Wassersuche
Ein weiterer und weniger nervenzehrender Typus der Plage war der Mann, der niemals Wasser in seiner Feldflasche hatte. Selbst wenn die Armee ein festes Lager bezogen hatte, war Wasser nicht immer direkt verfügbar, ohne eine teils beträchtliche Entfernung zu einer Quelle zurückzulegen. Diese Art von Plage war dafür bekannt, sich niemals persönlich auf die Suche zu begeben. Die Burschen schafften es stets, ihre Feldflasche einem anderen Soldaten aufzuschwatzen, der sich gerade auf dem Wege zu einer Quelle befand. Wenn die Armee sich auf dem Marsche befand und die Männer während einer kurzen Rast auf der Suche nach Wasser davoneilten, rührte diese Plage sich nicht vom Fleck. Sie gab sich damit zufrieden, auf der Erde zu liegen und den gröbsten Durst mit einigen Schlucken zu stillen, welche sie sich bei den unerfahrenen Neulingen zusammenbettelte. Hatte hingegen ein anderer Soldat das Pech, sich aufgrund eines leeren Brotbeutels eine Kleinigkeit zu essen von einer solchen Plage erbitten zu müssen, so konnte er sicher sein, diese kleine Gefälligkeit tausendfach zurückzahlen zu müssen.
Was die Rationen der Plage betraf, so reichten ihre Hartkekse niemals hin und sie erschwatzte sich Nachschub, sooft es ihr nur möglich war. Ganz gleich, wie groß die gegenwärtige oder erwartete Knappheit sein mochte, die Plage schaffte es einfach nicht, sich auf eine derartige Eventualität vorzubereiten und ihre Kameraden waren gemein und habgierig (so behauptete zumindest die Plage), wenn sie nicht einige ihrer mühsam zusammengesparten Vorräte an die unbedachten Verschwender abgaben. Doch dieser Typus der Plage gab sich nicht mit erbettelten Hartkeksen zufrieden. Diese Burschen waren nicht sonderlich wählerisch und wenn keine Hartkekse zu haben waren, dann genügten auch Kaffee, Zucker oder Pökelfleisch. Gelegentlich wollten sie sich auch "nur für einen oder zwei Tage" einen Dollar borgen, den sie natürlich prompt zurückzahlen würden, da mehrere Briefe aus der Heimat, von denen einige Geld enthielten, bereits überfällig seien. Die Leute im Zivilleben bilden sich ein, die Unzulänglichkeiten der Postbehörde der Vereinigten Staaten zu kennen und sie erzählen indigniert Geschichtchen von verschwundenen, falsch zugestellten oder anderweitig verzögerten Briefen. Diese Leute kennen nicht einmal einen Bruchteil all der Gebrechen, welche die US-Postbehörde plagen und ich kann mir niemanden vorstellen, der besser in der Lage wäre, ein umfassendes Zeugnis hierüber abzulegen als gewisse Soldaten im Heere der Union. In den Jahren 1862 - 65 (und wahrscheinlich sogar heute noch) hätte ich auf Männer verweisen können, die in einem einzigen Jahre mehr Briefe verloren (von denen drei Viertel beträchtliche Geldsummen enthielten) als gemäß den Angaben der Leiter der Postbehörde seit deren Gründung insgesamt verschollen sein sollen. Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um die Verluste eines einzigen Mannes; multipliziert man diese mit der Anzahl all der anderen Soldaten seines Schlages im gesamten Unionsheere, so wird ersichtlich, warum die Regierung ihren alten Soldaten mit äußerster Zuvorkommenheit begegnen sollte.
In diesem Zusammenhang entsinne ich mich einer weiteren interessanten Eigenheit des Soldatenlebens, die wohl von einiger historischer Bedeutung sein mag: Sooft den Truppen ihr Sold ausbezahlt wurde, wollte die überwältigende Mehrheit der Männer den Großteil ihres Geldes nach Hause zu ihren Familien oder Freunden schicken. Der Versand per Post barg natürlich ein gewisses Risiko. Um dieses zu minimieren, wurde ein sogenannter Anweisungsplan ausgearbeitet. Erhielten die Truppen Besuch vom Zahlmeister, so konnten die Soldaten ein gesondertes Dokument unterzeichnen, in dem sie die Auszahlung eines bestimmten Betrages an eine ausgewählte Person in der Heimat anwiesen. Veranschaulichen wir uns diesen Prozess anhand eines Beispiels: John Smith bekommt den Sold von vier Monaten (13 Dollars pro Monat) ausbezahlt. Er hat angewiesen, 10 Dollars seines monatlichen Solds seiner Gattin in Plymouth, Massachusetts auszuhändigen. Der Zahlmeister händigt nun also John 12 Dollars aus, während seine Gattin in Plymouth einen Scheck über 40 Dollars erhält, ohne dass sich John weiter darum kümmern müsste. Dieses System war eine große Erleichterung für die Soldaten und ihre Familien. Bei der Aufteilung seines Solds kalkulierte der Soldat dahingehend, dass er alle anfallenden Kosten des Lagerlebens, wie Wäschereinigung, Tabak, Zeitungen, gelegentlich von ortsansässigen Damen verkaufte Süßspeisen sowie Käse und Kuchen des Marketenders, bezahlen konnte. Doch allen sorgfältigen Berechnungen zum Trotze endete die Angelegenheit in der Regel damit, dass der Soldat sich genötigt sah, die Lieben in der Heimat nach und nach um die Rücksendung eines beträchtlichen Teiles des Geldes in Dollar- oder Cent-Beträgen zu bitten. Wie bereits erwähnt, war Silbergeld zu dieser Zeit nicht mehr gebräuchlich, da es, genau wie Gold, nur zu halsabschneiderischen Konditionen zu haben war. An seiner Stelle gab die Regierung die sogenannten "Scheine" aus, Papiergeld im Werte von 50, 25, 10, 5 und später auch 15 und 3 Cents. Einige dieser Scheine sind noch heute in Umlauf. Die Soldaten und ihre Angehörigen fanden sie damals ausgesprochen nützlich. Doch nun zurück zu unserem ursprünglichen Thema:
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