1 ...6 7 8 10 11 12 ...19 Ludger hingegen äußerte sich lautstark: „Was hat er gesagt? Er ist eine sie? - Was hast du dir dabei gedacht sie hierherzubringen? Wir können keinerlei Weibervolk gebrauchen. Wieso hast du sie keinesfalls gleich ebendort zurückgelassen? Die Tiere hätten sich gewiss ihrer angenommen. Weiber bringen nichts außer Ärger. Weshalb trägt sie überhaupt diese Burschensachen? Hat sie auch irgendeinen Namen?“
Veland, sowie Ludger stellten sich neben Harroh, abweisend verschränkten sie ihre Arme. Derweilen kamen auch Minna sowie Bruder Matthias hinzu. Verächtlich sowie herablassend sahen sie mich alle der Reihe nach an. Lediglich der Mönch blickte ein wenig besorgt.
Harroh räusperte sich und meinte: „Nun gut, wenn sie verletzt war konntest du sie wahrhaftig keinesfalls im Wald zurücklassen. - Einverstanden wir legen sie erst einmal in der hinteren Höhle auf ein Lager. Bruder Matt sowie Minna werden sich die Wunde zunächst einmal ansehen. Ansonsten betritt niemand die Höhle, verstanden? - Was ist mit dem Pfeil, hast du ihn bereits herausgezogen?“ Harroh blickte mich mehr als fraglich an, jedoch in seinen Augen sah ich den aufkommenden Zorn. Ich nickte lediglich, drehte mich mit ihr um und schritt in Richtung der Höhlen, wo sich einige unserer Schlafplätze befanden.
Inzwischen ging ihr Atem wesentlich unruhiger. Auf ihrer Stirn hatten sich kleine Tropfen gebildet und ihr Körper begann bedenklich zu zittern an. Ich versuchte sie behutsam auf einen Schlafplatz zu legen, jedoch als ihre Schulter die Unterlage berührte, stöhnte sie gequält auf. Dennoch erwachte die unbekannte Schönheit keinesfalls aus ihrem Schlaf. Was mich, wenn ich ehrlich zu mir war, erheblich beunruhigte. Bruder Matthias sowie Minna, sie wart Harrohs Weib, folgten mir in einiger Entfernung.
Als sie mich erreicht hatten blickte Bruder Matthias mich wissentlich an. Gelassen legte er seine Hand auf meine Schulter und meinte ruhig: „Samuel, wir kümmern uns um sie. Du solltest zu Harroh zurückkehren, er will gewiss mehr über den Vorfall sowie ihren Verfolger erfahren.“ Ein wenig irritiert schaute ich ihn an. Konnte er vielleicht meine Gedanken lesen? Bei dieser Art der Überlegung wurde mir unwohl, sagte allerdings kein Wort.
„Einverstanden. Den Pfeil habe ich zwar herausgezogen, allerdings bin ich mir keinesfalls sicher, ob sie sich noch weitere Verletzungen zugezogen hat. Sie ist bereits seit einer geraumen Zeit ohne Bewusstsein.“ Beunruhigt blickte ich den Mönch an, was sonst nicht im Geringsten meine Art war. Schließlich drehte ich mich noch einmal in ihre Richtung und atmete tief durch meine Zähne aus. Mein Blick streifte ihren wundervollen Körper. Für einen Moment schloss ich meine Augen, nahm dieses Bild in mir auf. Wiederum öffnete ich diese, atmete laut aus und schritt ohne ein weiteres Wort zu Harroh.
5. Sonnenschein der Nacht
Nächte sowie Tage vergingen, meine Ungeduld wurde wahrhaftig immer unerträglicher. Was war bloß los mit mir? Warum war ich so ungeduldig? Wieso wollte ich um jeden Preis erfahren wer sie, diese fremde Maid, tatsächlich war. Weshalb?
Jeden Tag verrichtete ich die gleichen belanglosen Dinge, sodass ich mehr alsdann genug Zeit damit verbrachte über diese seltsame Fremde nachzudenken. Meine Gefährten bemerkten, dass mich irgendetwas beschäftigte. Zudem waren sie mehr als erstaunt, dass ich auf Ludgers Bemerkungen, die er aus purer Gewohnheit tat keinesfalls reagierte. Dennoch fragte keiner oder sprach diesbezüglich ein Wort über den vergangenen Vorfall. Und dies war wahrlich auch gut so!
Wahrscheinlich hatte ich lediglich einen Anflug von Neugierde? Nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich erst einmal ihr Geheimnis herausgefunden hätte, was mit dieser seltsamen Maid wahrhaftig geschehen wart, so würde ich gewiss das Interesse an ihr verlieren. Sie wäre eine unter vielen Geschichten, die ich ohnedies in meinem Leben sooft vernommen hatte. Darüber hinaus war sie ja lediglich eine Maid und dennoch…
Gedankenversunken schweifte mein Blick über die Bäume, wobei ich einen Greifvogel erblickte. Dieser spähte nach seiner Beute aus. - Frei wie ein Vogel, manchmal wäre dies von Vorteil. Ein tiefes Seufzen entglitt mir. Freiheit was würde ich damit wohl anfangen?
Wie auch immer, die Männer von Gundsrad suchten anscheinend keineswegs mehr nach ihr. Wahrscheinlich war sie keinesfalls mehr so bedeutsam oder Gundsrad hatte sich ein neueres Opfer ausgesucht. Selbst wenn Gundsrad keinesfalls mehr hinter ihr her war, musste es ja irgendeine Bewandtnis haben. - Wenn sie ungeachtet dessen endlich aufwachen würde, sodann könnte sie uns gewiss alles gänzlich erklären. Fragen über Fragen sowie keinerlei Antworten. Darüber hinaus hatte diese Maid irgendetwas an sich… Was?! Was war es bloß, dass sie, diese junge Maid, mich so in ihren Bann zog?
Ein weiteres Mal dachte ich über sie nach und ehrlich gesagte verärgerte mich das zunehmend. Nachdem ich sie fand, beabsichtigte ich ihr lediglich zu helfen. Da sie verletzt war und zugleich von Gundsrads Männern verfolgt wurde. Indessen allerdings, mit zunehmender Stunde und Tagen, wurde diese junge Maid auf einmal so… so bedeutsam für mich. Ich wollte lediglich noch eines, dass sie wahrhaftig überlebte! Unerheblich wer oder was sie zudem immerfort war.
Zum Glück verstand Bruder Matthias mich. Er schaute mich lediglich an, jedoch fragte er keineswegs über meine Veränderung. Bei ihm wäre sie in guten Händen, er verstand sich auf die Heilkunst mit diversen Kräutern. Wenn einer dieses bewerkstelligen könnte sie zu retten, sodann er. Bruder Matthias! Ohne jede Frage hatte der Mönch so viele geheilt, warum sodann keinesfalls auch sie?
***
Trotz alledem schritt ich gedankenverloren durch die verworrenen Pfade, mittendurch Farne sowie Flechten. Der Wald wurde hierselbst noch dichter. Man hatte das Gefühl der Weg wäre an dieser Stelle zu Ende und eine undurchdringbare, grüne Wand würde den Weg versperren. Grün… wild… undurchdringbar!
Schließlich stieg ich eine kleine Anhöhe empor, sodann trat ich augenblicklich zwischen einige Bäume und blieb stehen. Was sich jetzig vor mir auftat war ein riesiger Wald, mit Tälern sowie Bergen, in denen sich einzelne Höhlen verbargen. Es war so farbenprächtig, dass jeder erdenkliche grüne Farbton vorhanden war. Dieser Duft von Moosen, satten grünen Farnen und wildem Efeu verblüffte mich immer wiederum aufs Neue. Schwer vorzustellen, dass ich vor zwei Jahren nicht einmal annähert daran gedacht hätte, in diesem feuchten, nebligen England zu verweilen. Fernab von meiner eigentlichen Heimat! Dortig, war es immerfort heiß. Die sengende Hitze war manchmal so unerträglich und das hiesige Wasser war so kostbar, als wäre es Gold oder Silber.
Einige Regentropfen auf meinem Gesicht holten mich wiederum in die Gegenwart zurück. Ich war beinahe an unserem Versteck, unserem zweiten Lagerplatz. Diesen benutzen wir lediglich in den kalten Monaten, da es mehr Schutz bot. Durch die vielen hohen Tannen, dem verworrenen Gebirge sowie den undurchschaubaren Ebenen waren wir so gut wie unsichtbar. Natürlich hatten wir unsere Vorsichtsmaßnahmen, die aus einigen Spähern sowie ihren Pfeilen bestand. Deswegen vermutete ich gleichwohl, dass Harroh sowie die anderen mich bereits erwarteten. Ich blickte auf die Mitte des Berges, der sich in nördlicher Richtung befand. Ebendort, gut verborgen hinter Gräsern sowie Büschen waren mehrere Höhlen und in einer dieser Höhlen war sie.
„Es ist Samuel!“, rief ein leicht dickbäuchiger Mönch, der mir in einer braunen Kutte entgegenkam. Bruder Matthias! Er musste aus seiner Kirche fliehen, da er einem armen Bauern etwas zu essen gegeben hatte. Damit hatte er die Obrigkeit gegen sich aufgebracht, wie auch immer. Er beschloss sich unserem unbeugsamen Haufen, der wir nun einmal waren, gänzlich anzuschließen.
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