Zurück zur besten Freundin. Die wird von nun an wichtigster Ansprechpartner in allen Fragen rund um den finalen Tag. Beate, so nennen wir die Dame einmal, ist ein steter Quell neuer Inspirationen. Hat Beate bereits mindestens einen „Höhepunkt“ hinter sich – dann redet sie wenigstens aus Erfahrung und kann auf eigene Verfehlungen während der Feier hinweisen und Warnungen einstreuen. Das befreit sie natürlich nicht davor, neue Fehler zu machen. Die Idee „Was bei mir funktioniert hat, wird auch bei euch eine große Nummer“ gehört ins Reich der Fiktionen. Trotz allem ist diese Beate auf alle Fälle gewinnbringender als eine selbst unverheiratete Beate, die sich ihr gefährliches Halbwissen meist aus Soaps, Dokus und der „Bunte“ zusammengebastelt hat. Nie gehen ihr die Ideen aus, ganz egal wie unrealistisch diese auch sind. Was bei George und Amal Clooney in Venedig funktionierte, könnte allerdings eine Nummer zu groß sein für Sybille und Thorsten aus Bottrop.
Bevor man sechsspännige Kutschen mit geschmückten Schimmeln, 1.000 weiße Tauben am Firmament und den Auftritt eines A-Promis zwischen Hauptgang und Dessert in Betracht zieht, lohnt oft ein erster prüfender Blick in die Geldbörse. Budget-Planung heißt das Zauberwort. Hat man am Ende des Monats bereits Probleme, die neue Waschmaschine zu finanzieren oder den Fiat Panda durch den TÜV zu bekommen, könnte es heikel werden mit all dem Pomp und Glimmer. Da sollte man sich vielleicht doch eher für ein All-you-can-eat-Buffett beim Chinesen um die Ecke entscheiden. Die Faustformel lautet also: Was können wir uns leisten und wie steht die Finanzierung in Einklang mit unseren Wünschen. Egal in welchem Restaurant ich bisher gearbeitet habe, erschienen exakt am Sonntagnachmittag, wenn das Kaffee-Geschäft gerade brummte, junge, unsicher wirkende Pärchen auf dem Radar, die sich einmal unverbindlich über Hochzeits-Modalitäten beraten lassen wollten. Unangemeldet – natürlich.
Am schlimmsten war meine Zeit als Restaurantleiter in einem sogenannten Romantik-Hotel, wo jedes Wochenende die Pärchen im 5-Minuten-Rhythmus angewackelt kamen, um sich beraten zu lassen. Ganz klar, dass kaum jemand von den Herren aus der Chefetage Zeit hatte, sich um die Anfragen der frisch Verliebten zu kümmern. Also wurde den Heiratswütigen in Windeseile der Ballsaal und die anderen Räumlichkeiten präsentiert, eine Bankettmappe mit Menü-Vorschlägen in die Hand gedrückt und schon wurden die Täubchen genau so ratlos zurückgelassen, wie sie gekommen waren. Meist strichen die zwei unsere Lokalität sofort wieder von ihrer Liste, weil (Eintrag bei Tripadvisor) das Personal extrem unfreundlich und unprofessionell sei. Der ewige Dauerbrenner bei der Bewertung lautet einmal mehr: „Die haben es wohl nicht nötig“.
Bitte – liebe Hochzeitsaspiranten – ruft doch einfach kurz an und macht einen Termin mit einem Restaurant – oder Bankettleiter aus. Viele eurer Fragen könnte man somit auch schon im Vorfeld klären, um Zeit und Mühe zu sparen. Veranstaltet das Etablissement überhaupt Hochzeiten, bietet das Haus Räumlichkeiten für die gewünschte Personenzahl, wie sehen die Konditionen aus?
Sollten jetzt einige Leser den Kopf schütteln über meinen Verdacht – es gäbe Restaurants, die Vermählungs-Happenings kategorisch ablehnen, so sei ihnen glaubhaft vermittelt – ja es gibt sie tatsächlich. Wirtschaften, die kein Interesse an solcherart Veranstaltungen hegen, sondern eine andere Klientel bevorzugen. Die Gründe dafür sind wie immer vielschichtig. Was die Terminbesprechung angeht – so haben wir Gastronomen durchaus Verständnis dafür, dass die meisten Leute halt am Weekend die meiste Zeit haben, da sie unter der Woche arbeiten.
Bitte akzeptiert aber im Gegenzug auch, dass in unserem Beruf eher an den Wochenenden Hochbetrieb herrscht und wir daher nur einen Bruchteil unserer Zeit für eure gesammelten Fragen haben. Warum nicht an einem verregneten Montagabend vorbeischauen? Bei der Gelegenheit vielleicht ein Gericht von der neuen Wochenkarte ausprobieren und auf diesem Wege die Qualität von Küche und Service einschätzen…
Ganz in Weiß Teil 2
Endlich ist auch diese Hürde genommen. Das junge Glück hat eine geeignete Lokalität gefunden und ist mit den Konditionen des Gastgebers zufrieden. Wobei Letzteres in der Regel nicht ganz so einfach ist. Sybille möchte bis in die frühen Morgenstunden feiern – der Wirt sagt „Nein“, weil er sein für die Feier abgestelltes Serviceteam am nächsten Tag bereits wieder fit und ausgeschlafen für das Mittagsgeschäft benötigt. Hobby-DJ Thorsten möchte die Musik bis Ultimo aufdrehen, woraufhin der Pächter sofort sein Veto einlegt. Die Musik müsse pünktlich zur Geisterstunde heruntergeschraubt werden, da er Ärger mit den Nachbarn befürchte.
Ich selbst arbeitete einst in einem Restaurant, dessen Betreiber sich größtenteils auf Hochzeiten spezialisiert hatte und auf jeder Hochzeitsmesse Werbung für sein Lokal machte. Dummerweise stand er mit den meisten Nachbarn auf Kriegsfuß und jedes Wochenende sah man ihn mit Körben voller Champagner von Tür zu Tür gehen, um die Anwohner vorzuwarnen und zu beschwichtigen.
Die Tischdekoration ist der nächste heikle Punkt auf der langen Liste von Stolpersteinen. Sybille und ihre beste Freundin Beate haben wochenlang getüftelt, Kataloge gewälzt und Dokumentationen geschaut. In diesem Punkt hat Thorsten ohnehin kein Mitspracherecht – das ist echte Frauendomäne. Nicht, dass der bald-Ehemann darüber auch nur eine winzige Träne verdrückt hätte. Am Abend vor der großen Feier rücken die zwei Damen im Lokal ihrer Wahl an und präsentieren ihre geistigen Ergüsse. Körbe, die fast überquellen mit Herzen, Steinchen, Schleifen und Blumen. Da das ausführende Serviceteam gerade frei hat, wird einem Geschäftsführer oder irgendeinem Praktikanten erklärt, wie die Ladys sich das Gebilde am nächsten Tag vorstellen. Manager und Praktikant nicken eifrig, verstehen aber nur Bahnhof. Weil die Damen so eifrig daher schnattern, wagt keiner von ihnen einen Einwand. Dass die Visionen der Hochzeitsaspiranten und die Interpretationen der Kellner nicht synchron liefen, würde sich dann spätestens am nächsten Abend herausstellen – wo es in der Regel bereits zu spät war.
Ich selbst habe einen solchen Fall erlebt, wo die Braut mich und meine Crew am Morgen vor der großen Show instruiert hat, wie ihre aufwendige Dekoration im Detail auszusehen hätte. Auch sie brachte ganze Wagenladungen voller Kisten mit Muscheln, bunter Glasperlen und Steinchen in den Festsaal. Dazu ein Faltblatt mit der Dekorationsanordnung in aller Ausführlichkeit. So ungefähr stellte ich mir einen IKEA-Bauplan vor – auf schwedisch… Ich gab sämtliche Accessoires in die Hände meiner Service-Damen, die in solchen Arbeiten erfahrungsgemäß kompetenter waren. Das Ganze gestaltete sich aber selbst für die Versierten unter uns zur Herkulesaufgabe. Es wurde geflucht und neu arrangiert, wieder und wieder. Dabei zerrann die Zeit wie Sand zwischen unseren Fingern. Zeit, die eigentlich zum Eindecken und dem Arrangieren für das Fest eingeplant war. Zum Schluss musste ich noch zwei Auszubildende hinzuholen, weil wir mit unseren Vorbereitungen einfach nicht vorankamen und es allmählich eng wurde bis zum Eintreffen der Gäste. Als dann die Hochzeitsgäste am Abend eintrafen, war es die Braut, welche als erstes in den Festsaal einmarschierte, einen Blick auf das Gesamtkonstrukt auf den Tischen warf und leise, unter Tränen zischte: „Das ist alles Scheiße“.
Seitdem lehnte mein damaliger Chef es kategorisch ab, Servicepersonal für Dekorationen abzustellen. Das macht Sinn. Die Zeit und die Nerven, welche die Umsetzung der Geistesblitze der Heiratskandidatin kosten, stehen in keinerlei Verhältnis mit dem Gewinn des Hausherrn. Liebe künftige Braut – bitte sucht und findet in eurer Verwandtschaft eine kreative Gestalterin, jemanden, der bereit ist, am Vorabend oder dem frühen Morgen in der Feierstätte aufzutauchen und die Dekoration zu übernehmen. Habt ihr noch ein paar Euro über, so engagiert einen Profi – das Netz ist voll mit Adressen von Leuten, die sich für euch gerne für einen kleinen Obolus ins Zeug legen.
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