Jan Riebe
Romica und Julio
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Inhaltsverzeichnis
Titel Jan Riebe Romica und Julio Dieses ebook wurde erstellt bei
Ein Spektakel, das sich niemand entgehen lassen sollte. Ritter, Drachen und die einzige, wahrhaftige, große Liebe. Lassen Sie sich bezaubern, von:
CHOR: Nun Vorhang auf, das Leben ruft nach Schicksals Hand, Theaterluft. Zu kitschig, hör’n wir manche klagen, fingiert, die vorgespielten Plagen. Doch der, den das nicht weiter stört, wer sitzen bleibt uns singen hört, erlebt die Liebe, sie brennt hell wie Stroh, von Romica und Julio.
Szene 1
Szene 2
Szene 3
Szene 4
Szene 5
Szene 6
Szene 7
Szene 8
Szene 9
Szene 10
Szene 11
Szene 12
Szene 13
Szene 14
Szene 15
Szene 16
Szene 17
Szene 18
Szene 19
Szene 20
Szene 21
Szene 22
Szene 23
Szene 24
Szene 25
Szene 26
Szene 27
Impressum neobooks
Ein Spektakel, das sich niemand entgehen lassen sollte.
Ritter, Drachen und die einzige, wahrhaftige, große Liebe.
Lassen Sie sich bezaubern, von:
Romica und Julio
CHOR: Nun Vorhang auf,
das Leben ruft
nach Schicksals Hand,
Theaterluft.
Zu kitschig, hör’n wir manche klagen,
fingiert, die vorgespielten Plagen.
Doch der, den das nicht weiter stört,
wer sitzen bleibt
uns singen hört,
erlebt die Liebe,
sie brennt hell wie Stroh,
von Romica und Julio.
Warum nur, fragte sich Apfelkern, war es so schwierig, ins Innere der Menschen zu blicken?
Nicht wörtlich ins Innere, ermahnte sie sich zur Genauigkeit. In ihre Gedanken schauen wollte sie, hinter einen Blick, eine Geste, ein Wort. Denn all das, was die Leute »miteinander reden« nannten, schien offenbar im Grunde dazu da zu sein, genau davon abzulenken, was sie eigentlich sagen wollten.
Apfelkern war an diesem Morgen die erste in der Schule gewesen. Sie hatte gesehen, wie der Nebel in seine Höhlen und die Schatten zurück zu ihren Besitzern gekrochen waren. Die Luft hatte nach Erwartung gerochen, als sie über den Dorfplatz gehuscht war, das Buch in der Hand, zu der Hütte, die sie die Schule nannten. Sie konnte sich nicht erinnern, in der letzten Nacht geschlafen zu haben.
Nach und nach waren die anderen gekommen. Es gab keine Sitzreihen, sondern ein großes U aus Tischen und Bänken und am offenen Ende eine Tafel. Die Schule war für alle da, von den jüngsten bis zu den ältesten Kindern des Tals, von der Schäfertochter bis zum Sohn des Fürsten. Minna, Jurte, Arthur, Tomas, Nils, Stiff, die beiden Zwillinge Christian und Christopher, Gabriela, Klaudius, Tzementina, Aaron, dessen Hosenbeine aussahen, als hätte ihn sein Schulweg an diesem Morgen durchs Moor geführt, Jasper, Terry, Judidth, Annette, Patrik, Chulian, Oomir, Andreas, Lilli, Lilly und Lillith, Andrea, Waldemar, Finja, Bruno, Lars und Veronica. Martha und Bärbel tuschelten miteinander, sahen kurz zu Apfelkern und kicherten dann hämisch. Dierk, Nickola und Thea hatten das Buch aufgeschlagen und lasen darin. Als einer der letzten war Julio gekommen. Sein Blick hatte den von Apfelkern getroffen und einen Moment gebrannt. Dann hatte er sich eilig abgewandt, als er bemerkte, dass sie ihn beobachtete, und jetzt schien er sie aufmerksam zu ignorieren. Er blickte so deutlich nicht in ihre Richtung, dass es sich anfühlte, als starrte er sie unentwegt an.
Wie viel einfacher alles wäre, wenn sie seine Gedanken lesen könnte, seufzte Apfelkern in sich hinein. Was bedeutete es, dass er versuchte, sie nicht zu beachten? Wollte er ihr damit etwas sagen? Oder war er einfach nur schüchtern?
War er jetzt so erwachsen, dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, oder bedeutete es, dass ihre Freundschaft seit neuem eine andere Ebene gefunden hatte. Bedeutete es vielleicht doch... scheue Zuneigung?
Sie kannten sich seit sie sprechen konnten. Gemeinsam hatten sie die Höhlen in den Felsspalten erforscht und in den alten Gemäuern gespukt. Julio trug noch heute eine Narbe auf dem Rücken seiner rechten Hand von dem Tag, an dem sie den Gipfel der Schroffen Klinge hatten erklettern wollen. Sie waren nicht höher gekommen als Oma Werther auf ihrem wöchentlichen Spaziergang, aber ein Abenteuer war es trotzdem gewesen. Julio war abgerutscht, und ein Zacken im Fels hatte ihm die Hand aufgeschlitzt. Blutüberströmt waren sie beide ins Dorf zurückgekehrt, und Apfelkern hatte seine Wunde verbunden, weil er es nicht gewagt hatte, nach Hause zu gehen aus Furcht vor der Ansprache, die ihn dort erwartet hätte.
Sie waren im Spiel in die unterschiedlichsten Rollen geschlüpft, waren Berglöwen gewesen und Drachen, Abenteurer und Schafhirten. Julio hatte gerne Prinz gespielt – eine Rolle, die ihm nicht viel Fantasie abverlangte – und sie war die Prinzessin gewesen, die er aus den Fängen jeder Kreatur gerettet hatte, die sie sich ausdenken konnten.
Wehmütig erinnerte sie sich an die Spiele zurück.
Sie hatten gemeinsam Kaulquappen aus den Teichen gefischt und großgezogen, bis es Frösche waren, jedes Jahr.
Nur in diesem nicht.
Sie seien zu alt für so etwas, hatte Julio erklärt und war mit seinem Vater auf die Jagd geritten. Apfelkern hatte alleine Kaulquappen gefischt und sich gewundert, dass man für etwas zu alt sein konnte. Früher war sie für alles nur immer zu jung gewesen.
»Wenn ich jetzt nicht zu ihm gehe, dann niemals«, ermahnte sie sich. Zumindest nicht mehr heute. Und wer wusste, wann sie dann den Mut dazu fand?
Sie schloss die Augen und erhob sich, so natürlich wie sie konnte. Sie spürte die Blicke der ganzen Klasse auf sich ruhen. Vorsichtig öffnete sie die Lider und sah sich um, doch niemand schien Notiz von ihr zu nehmen. Sie setzte sich neben Julio.
»Aufgewacht!« strahlte sie ihn an. Das Grinsen half. Sie war weniger nervös.
»Morgen.« Seine Stirn lag in Falten.
Sie blickte in seine müden Augen und wusste, dass es der Moment war, an dem sich alles entschied. Sie musste etwas sagen. Doch in ihrem Kopf waren so viele Worte wie auf einem weißen Blatt Papier.
Die Runzeln auf Julios Stirn wurden noch tiefer. Er sah Apfelkern verwirrt an, als hätte er an diesem Morgen ein bellendes Schaf gesehen. Dann sah er zur Tafel, als versuchte er, dort etwas zu entziffern.
»Hast du es gelesen?« fragt er.
Apfelkern löste sich aus ihrer Starre. »Was?«
»Das Stück.«
»Ach«, stotterte sie und lachte. Sie nickte und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie hatte einmal gelesen, dass es auf Jungen anziehend wirkte, wenn sich ein Mädchen die Haare aus dem Gesicht strich. Es musste eine Art geheimer Code sein, den alle kannten, ein Zeichen der Zuneigung, das niemand bemerkte, und doch jeder verstand. Ebenso verhielt es sich mit Blinzeln und besonders mit langen Blicken.
»Und?« riss Julio sie wieder aus Gedanken. »Was meinst du?«
»Über das Stück?«
»Ja.«
Innerlich jubelte sie. Ein normales Gespräch zwischen ihnen. Das hatte es schon länger nicht mehr gegeben. Es war eine gute Grundlage. Jetzt musste sie zusehen, dass sie einer Meinung waren, und wenn die Stimmung aufgelockert war, würde sie es ihm sagen.
»Es ist gut geschrieben, finde ich?«
»Wirklich?« Er sah sie aus großen Augen an.
»Na ja, sprachlich. Da war es wirklich außergewöhnlich, finde ich. Die Worte, die sind außergewöhnlich.«
Sie nahm das Buch, blätterte und zitierte: »'Geziemt euch wohl, hulde Knaben.' Wann hast du jemals jemanden 'Geziemt' sagen hören?«
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