Baierische Truppen waren schon hinauf bis an den Niederrhein gekommen. Über alle Lande und Straßen verteilt lagerte Kriegsvolk. Die aufsteigenden Rauchschwaden des nassen Holzes, das es verbrannte, kündete allerorten von ihren Plätzen. In den Wäldern und Fluren begegnete ihnen das heimische Volk. Nirgends war man vor ihren Schnüffeleien und Übergriffen sicher. Nicht einmal in den Flecken und Dörfern. Überall nahmen sie sich, was sie bedurften. Friedrich wollte Sophie diesem unruhigen Treiben nicht aussetzen. So entschied er, mit einem Kahn über die Ruhr zu reisen und erst bei Duisbourgh wieder den Landweg nach Limbourgh zu nutzen.
Viele Fürsten gebärdeten sich widerspenstig und sahen nicht ein, auch wenn sie in Bouvines geschlagen worden waren, warum sie zum Staufer überlaufen sollen. Sie wollten mit Münze oder Schwert überzeugt werden. Anfang August unterwarf Roger Friedrich von Staufen Heinrich von Brabant.
Die Bruderschaft war sich uneins. Heinrich von Brabant war bezwungen und damit für die Bruderschaft verloren. Doch außer ihm war keiner so weit, das Bündnis verlassen zu müssen. Im Gegenteil: Waleran, Willhelm von Jülich, Dietrich von Cleve und Heinrich von Kessel hatten beschlossen, den Herzog von Baiern gefangen zu nehmen. Doch mit der geglückten Gefangennahme hatten sie nur den Zorn der Staufer entfacht.
So hatten ihre Truppen den ganzen Sommer am Rhein zugebracht – in der immergleichen Drohgebärde gegen Geldern. Roger Friedrich hatte dem Früstenbund gedrohte und gefordert, dass der Baiernherzog freigelassen werde. Erst Ende August hatte der Staufer zu Münstermarienfeld einen Frieden zwischen Wilhelm von Geldern, Heinrich von Sayn und Waleran erzielt. Im Gegenzug sicherten die Staufer zu, die gegnerischen Besitzungen unverheert zu lassen und gegen weitere Verwüstung zu schützen. Die Fürsten im Rheinland wünschten sich den Winter herbei. Denn der Staufer hatte sich durch sein Verhandlungsgeschick im Rheinland Respekt verschafft und die Besatzungstruppen an der Standfestigkeit von Volk und Fürsten genagt. Der Winter gab ihnen Zeit, über einen Wechsel zu den Staufern nachzudenken.
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An Ursula, noch bevor sich das Leichentuch des bevorstehenden Winters über die Lande legte, machte sich Friedrich wieder auf nach Cölln zu reisen. Im Gepäck hatte er das Pergament, welches er zusammen mit seinem Bruder Engelbert im letzten Jahr bezüglich seiner Besitzungen angefertigt hatte. Friedrich erreichte die erzbischöfliche Stadt im Dunkelwerden. Als er mit Cedric, Wibold, Gundalf und Berengoz zur erzbischöflichen Residenz am Rhein ritt, senkten die giebelständigen Häuser ihre dunklen Schatten bedrohlich auf das Kopfsteinpflaster des Alten Marktes. Es schien, als mieden die achttausend Seelen der sonst so lebhaften Stadt, die Straßen, aus Angst, ihr Reichtum könnte mit einem Machtwechsel vergehen. Ja, und Friedrich selbst, war von keiner anderen Furcht getrieben. Denn auch er war um den Verlust seiner kirchlichen Lehen bangend hergekommen. Froh war er, als sich ihm die Tore der Residenz öffneten und noch froher, als er die Angelegenheit mit dem Oheim erledigt hatte.
„So, mein Junge, das wäre geschafft.“
„
Danke, Vater”, erwidert Friedrich.
„
Ich danke und entlasse die anwesenden Zeugen.”
Während sich die Zeugen der soeben vorgenommen Bestätigung entfernten, führte Adolf seinen Neffen in seine Privatgemächer.
„
Damit sind dir deine Vogteien wieder sicher. Eben gestern habe ich die Überlassung des Zehnten in Warstein zugunsten des dortigen Klosters durch den Grafen Godfried von Arnsberghe beurkundet. Außerdem will er darauf gegenüber dem Cöllner Erzbischof Verzicht leisten. Alle Fürsten sind derzeit bedacht, dem neuen König und dem Papst zu gefallen, Friedrich. Ebenso tue ich alles, um Innozenz zu gefallen. Aber weder mir noch Dietrich von Heimbach, der sich immer noch in Rom aufhält, bestätigt er die Erzbischofswürde. Das einzige, was ich derzeit machen kann, ist so viele Verpfändungen zugunsten der heiligen Kirche zu empfangen, einen tatenlosen Kaiser in der Stadt zu dulden und mich mit den feisten Cöllner Bürgern auseinanderzusetzen. Friedrich, du solltest dich im Moment auch nach der derzeitigen Großwetterlage richten und deine Erblehen und -vogteien der Kirche abtreten, um sie dann wieder zu empfangen.”
„
Nein, Vater, das würde meine Position verschlechtern.“
„
Ich würde dir keine Vogtei entreißen, Sohn.“
„
Ja, das weiß ich doch. Aber die Zeiten sind unsicher, Herr.
Was meinst du damit, Junge?! Sprich!”, doch im gleichen Atemzug und mit einer verächtlichen Handbewegung, wischte er das eben Gesagte fort und riet Friedrich missgestimmt, „reite nach Hause und warte ab, bis die Zeit reif ist, dem Staufer zu huldigen.”
In Friedrich stieg Ablehnung auf: Jetzt hat mich der Alte. Jetzt will er mich zu den Staufern herüberziehen.
Gequält fragte er, „was denkt Ihr, Vater, wie lange soll ich warten?”
Widerwillig antwortete der Oheim, „das kann ich dir nicht sagen. Wenn der Staufer genug Wahlmänner hinter sich vereinigen kann, kann es noch vor dem Winter zur Übernahme kommen, wenn nicht, leben wir noch bis zum nächsten Jahr in diesem Schwebezustand. Noch ist dem Staufer Cölln, Aachen, Trifels und Mainz verschlossen. Auch stehen die askanischen Fürsten von Brandenburg und der Herzog von Sachsen und sein Bruder Heinrich zum Kaiser. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch einmal die Kraft aufbringen, genug Rückhalt im Reich zu gewinnen.”
Friedrich machte sich auf den Rückweg nach Isenberghe.
Am Tag schien die Stimmung in der Stadt so wie immer; emsig entspannt, die Bevölkerung ging ihren Geschäften nach – satt und träge, wie eh und je. Hatte er sich geirrt, als er durch die dunklen Gassen her ritt? Nichts deutete auf die angespannte Ruhe vor dem Sturm hin, die er erwartete. Friedrich verachtete diese Gleichgültigkeit. Oder war nur er es, den die Anspannung drückte. Er konnte nicht so untätig herumsitzen und die Dinge auf sich zu kommen lassen.
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Die kalte Jahreszeit zeigte sich von ihrer strengen Seite. Zum Glück verlief der Winter in der Grafschaft ohne kriegerische oder räuberische Zwischenfälle, soweit Friedrich informiert war.
Trotz der Besetzung des Rheinlandes durch Staufer, Wittelsbacher und Baiern waren die Speisekammern der Isenburg gut gefüllt und Westfalen war nach Bouvines von den seit der Schneeschmelze heraufziehenden Scharmützeln zwischen Staufern und Welfen so gut wie verschont geblieben. Auch das Volk litt keinen Hunger. Friedrich hatte es vor dem Winter sogar geschafft, neben der Töpferei und der Kornmühle an der Ruhr, verschiedene Handwerker am Fuße der Burg anzusiedeln. Sie hatte er nun aus den Vorräten der Burg über den Winter bringen müssen. Doch dies hatte er sich, der wachsenden Kraft seines Schaffens bewusst, ohne Arg auferlegt. Seine unermüdlichen Ritte durch das Land hatten ihn bekannt gemacht. Die Bauern schätzten ihn und entrichteten ihren Zehnten fast immer pünktlich.
Im Winter und auch im Frühjahr des folgenden Jahres musste Friedrich kein Todesurteil aussprechen. Die Schulzen reichten zumeist aus, die Streitigkeiten zwischen benachbarten Bauern in den Freigerichten zu regeln. Wirklich Unangenehmes gab es in Friedrichs Landen so gut wie nicht zu entscheiden, soweit es an Friedrich herangetragen worden war.
Während seine Lande gut bestellt waren, hatte er im eigenen Haus einen schweren Stand. Der junge Ehemann durfte die Nächte nicht mehr bei Sophie verbringen. Der war ewig übel und sie hatte ständig Hunger. Friedrich konnte zunächst wenig mit ihrer Zickigkeit anfangen, bis Sophie ihm offenbarte, dass sie schwanger war. Von da an behandelte Friedrich sie wie ein rohes Ei, beschaffte Felle, schürte das Feuer und keifte jeden an, der sich in Sophies Nähe ungeschickt anstellte.
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