Deine Reise von unbewusst nach bewusst bringt im Idealfall alle Anteile wieder zusammen. Das innere Kind kann nachreifen und erwachsen werden und dein Drache wird mit seinem Erträumen von Erfahrungen dafür sorgen. Er liebt die Jungfrau, das Mädchen, den kleinen Jungen, das Kind in dir. Er schützt und behütet beide. Das innere Kind muss in allen Themen irgendwann erwachsen werden. Du musst ihm das erlauben, was es als Kind nicht durfte: Im Tagesbewusstsein da sein. Du gibst ihm dafür bewusst Spielräume, sich auszuprobieren und nachzureifen. Dir wird schon was einfallen, was deinem inneren Kind Spaß macht. Wenn alles in dir da sein darf und du ganz unverbogen und ohne Abspaltungen lebst, dann ruhst du in dir und folgst kraftvoll deiner eigenen Spur. Das Sammelsurium beim Drachen ist dann längst verschwunden, du hast aufgeräumt. Das innere Kind ist nachgereift und hat sich mit deinem Drachen und deinem Tagesbewusstsein vereint. Dann ist nicht mehr unterscheidbar, was in deinem Denken, Fühlen, Reden und Handeln gerade von deinem Tagesbewusstsein, deinem inneren Kind, deinem Drachen oder von einer übergeordneten Macht kommt. Du bist bewusst alles. Das Ego wird dabei immer kleiner, aber es verschwindet nie ganz. Es wird nur zum Diener, zum Assistenten. Dein Verstand muss die unbewussten Anteile bewusst in der Geschäftsleitung aufnehmen und Weisheit zulassen.
Diese Nachreifung kann schnell gehen und in diesem Buch zeige ich dir, wie du das machst. Ich möchte dich fördern, ganz du selbst zu sein. Und das ist mehr, als du dir jetzt überhaupt vorstellen kannst. Der Begriff ‚Selbstbewusstsein‘, wie wir ihn benutzen, ist irreführend. Es ist nicht das Bewusstsein deines Selbst, das aufgebaut wird. Du stärkst in der Regel nur eine künstliche Persönlichkeit und mit der definierst du dich im Vergleich zu anderen. Was wir umgangssprachlich ‚Selbstbewusstsein‘ nennen, ist pures Ego-Bewusstsein und damit das genaue Gegenteil. Ein Ego erzeugt im Inneren einen riesigen Schatten als Nicht-Ego. Es ist ein selbst gebautes Gefängnis, denn nun träumt der Drache abgeschottet von der Welt immer wilder. Es sind dann die anderen da draußen, die keinen Charakter haben. „Wie kann man sich so benehmen?“ sagt dann die Ego-Persönlichkeit. "“Wie kann der so etwas tun?“ wird dann geurteilt. Und dann will man selbst mit einem solchen Menschen nichts mehr zu tun haben. Schnell ist eine Schublade gefunden (links, rechts, Antifa, Aluhut, AFD, Nazi, dumm, verrückt), um ihn abzuwerten und zu bekämpfen. Doch dann machen sie Erfahrungen. Ein Schicksalsschlag oder zwei, oder drei und aus den Trümmern der alten Persönlichkeit entsteht Demut.
Manche Menschen bauen einen Panzer aus Standpunkten um sich herum auf. Ihre Persönlichkeit steht dann so fest wie eine Burg und sie selbst sind immer bereit für Krieg (Angriff und Verteidigung bzw. Urteil und Verletzung). Die wehrhafte Burg schützt vor Veränderung und soll diesem bedauernswerten Menschen wenigstens ein winziges Gefühl von sich selbst vermitteln. Diese Persönlichkeiten wirken meist psychisch sehr stabil und verteidigen ihre Grundansichten erfolgreich. Man nennt sie dann einen starken Charakter. Ich nenne sie Charakterpanzer und wie dieses militärische Gerät sind sie auch unterwegs, sie bedrohen ihre Mitmenschen mit abfälligen und wenig empathischen Äußerungen und fühlen sich selbst schnell bedroht und verletzt. Dabei haben sie nur eine dicke Schicht Meinungen um sich herum gebaut und ziehen ihr Verhalten durch, komme was wolle. Bewusst ist das nicht. Die Befreiung ihres Selbst gestaltet sich wegen der dicken Mauern viel schwieriger als bei Menschen ohne Panzer, da muss dann schon mal eine Abrissbirne bestellt werden (staatliche Grenzen gesetzt). Sie können durch Argumente nicht mehr geöffnet werden. Leider erreicht sie in ihrem Persönlichkeitswahn nur noch ein charismatischer Führer. Der kann mit ihnen eine sehr stabile Gruppe loyaler und treuer Mitläufer aufbauen, die ihm bedingungslos folgen, oft sogar kampfbereit bis in den Tod.
Andere Menschen halten sich für gescheitert, wenn sie so eine stabile Persönlichkeit nicht aufbauen konnten. Sie schwächeln. Wenn sie sich nur selten durchsetzen konnten, verschwinden sie kraftlos in einem halbbewussten Dämmer. Solche fragil wirkenden Persönlichkeiten sind das genaue Gegenteil eines starken Charakters. Sie konnten einfach keine stabile Persönlichkeit aufbauen, egal, wie sie es anstellten. Sie halten sich selbst für Versager. Sie wirken in dieser Gesellschaft der Bilderbuch-Lebensläufe wie maximal gescheiterte Existenzen. Sie haben sich nie mit Statussymbolen umgeben und gehörten auch nie zu den VIPs.
Ich selbst besaß dank einem Missbrauch in meiner Kindheit eine dieser brüchigen Persönlichkeiten und ich bin absolut dankbar dafür. Denn so war ich gezwungen, auf die Suche nach mir selbst zu gehen und nicht eher zu ruhen, bis ich mein inneres Kind, meinen Drachen und die Quelle selbst gefunden hatte. Fragilen Persönlichkeiten fehlt der schützende Charakterpanzer. Erst konnten sie ihn nicht aufbauen und später wollen sie es nicht mehr, weil sie durchschauen, dass es eine Fassade ist. Sie suchen in allem den Kern, das Selbst. Das sind vermutlich diejenigen, die ihren Drachen schon ganz bald wecken werden, für sie schreibe ich dieses Buch. Der wälzt sich bei ihnen schon unruhig im Schlaf.
Dann gibt es noch die bewusst falsche Persönlichkeit, sie verbraucht und bindet die meiste Lebenskraft. Um eine falsche Fassade aufrechtzuhalten muss Lebenskraft permanent bei anderen gestohlen werden. Eine Fassaden-Persönlichkeit wird immer begleitet von einem riesigen Berg an Zeugs beim Drachen. Dort steckt ihre Kraft fest und fehlt, um den Drachen zu wecken. Das Auftreten solcher Menschen überzeugt nicht einmal sie selbst, sie bleiben innen hohl. Es fehlt ihnen die Integrität und die anderen Menschen durchschauen das. Es sei denn, sie sind von der gleichen Art und spielen mit, weil sie erkennen, wie sie den Hohlkörper des anderen mit Ideen füllen und ausnutzen können.
Weil eine falsche Persönlichkeit aus sich selbst heraus nur wenig Kraft hat, bleibt sie darauf angewiesen, anderen Menschen deren Kraft abzujagen. Sie entwickelt dabei ein Geschick für Rollen, Beziehungen, Seilschaften und Taktiken, mit denen sie sich zu Bedeutung aufblasen kann. Sie will und muss überzeugen und strebt Posten an, um der Macht willen und nicht zum Wohle aller. Falsche Persönlichkeiten werden gerne instrumentalisiert, um im Ressourcenkampf gegeneinander ins politische Schlachtfeld zu ziehen. Sie sind die typischen Bauernopfer. Ein solcher Mensch ist manipulierbar und erpressbar. Mit allem, was man von ihm nicht wissen darf, also mit diesem ganzen Haufen Zeugs. Er muss einen großen Teil seiner Lebenskraft darauf verwenden, den Drachen in Schach zu halten, damit der sich nicht in seine Erfahrungen einmischt. Es gibt Zeitgenossen, die ganze Armeen im Innern dafür unterhalten, Kraft, die ihnen draußen fehlt. Die Bildung einer Ego-Persönlichkeit wirft also einen unbewussten Schatten, den ich mit dem Haufen gleichsetze, auf dem dein Drache schläft. So ist dieser Berg Verdrängungen entstanden.
Es gibt da jedoch noch einen zweiten Mechanismus, der zum unbewussten Schatten beiträgt. Du beginnst dein Leben. Dann kommt irgendwann ein Problem, das du nicht lösen kannst. Es ist dunkel im Zimmer, du kannst nicht schlafen, du hast Angst und weinst und rufst aus dem Gitterbett und keiner kommt, um dich zu beruhigen. Sie hören dich nicht, der Fernseher ist zu laut. Um als dieser kleine Knirps von knapp zwei Jahren nicht verrückt zu werden, spaltest du etwas von deiner Kraft ab und übergibst sie deinem Drachen. Der baut sich gleich brav vor dieser bedrohlichen Angst auf, hält sie in Schach, packt sie am Wickel und legt sie auf seinen Schatzhaufen ab. Dann legt er sich wieder darauf schlafen. Deine Angst ist weg.
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