1 ...6 7 8 10 11 12 ...23 „Ich bin kein Reformator“, sagte der Abt verwundert über die Heftigkeit.
„Ihr nicht, aber es gibt noch ganz andere als den läppischen Mönch.“
„Und das ist's, was ich fürchte,“ hub der Abt an, mit einer so festen, ernsten Stimme, als die des Bischofs eben heftig und sprudelnd war. „Das Klagelied hat die Welt durchdrungen, es summt aus allen Winkeln wieder. Alle Ketzergerichte haben es nicht totgemacht, im Gegenteil, sie haben ihm nur immer neuen Stoff gegeben. Die Kirche freilich auch, vor allem das ärgerliche Leben der Welschen, die vielen Doppelpäpste haben vorm Volke die Autorität der Kirche angegriffen –“
„Lieber Freund und Bruder, lest mir kein Kollegium, ich muss es täglich hören, wenn ich in Berlin bin.“
„Aber die deutsche Nation muss es hören von den Kathedern herab, aus den Buchdruckereien, die Gelehrten sind es ja, die das Volk aufwiegeln. In Basel, Straßburg, Rotterdam, wo wird nicht gedruckt, dass die Geistlichen ein abscheuliches Leben führen, dass die Klöster Konvente der Faulheit, des Ungehorsams und der Unzucht sind, dass die Prälaten im Fette schwimmen, wo werden nicht unsere Bäuche verschrieen. In Gesetzbüchern liest man's sogar, wir wären unkeusch, gefräßig, habsüchtig und was weiß ich. Alle die Gelehrten, die in hohem Ansehen stehen, die Reuchlin, Erasmus, spitzen ihre Federn gegen uns.“
„Lateinisch! Das Latein ist eine herrliche Sprache, schon darum, weil das Volk sie nicht versteht.“
„Aber Luther spricht deutsch, er spricht deutsch, er wird auch deutsch drucken lassen, wie ich hörte. Erwägt das, Hochwürdiger; in die großen Haufen des Volkes geht das Gift nun über, das in den einzelnen Schalen und Gefäßen uns keinen Schaden tat. Es spritzt in alle Adern.“
„Es ist längst da.“
„Wie Asche, unter der der Funke glimmt, wie Zunder, der sich danach sehnt, wie eine Mine, die der Feuerwerker gelegt, um eine Festung in die Luft zu sprengen. Nur eines Funkens bedarf es, sie zu entzünden. Dieser Wittenberger, dieser Mönch aus dem Volke, ich fürchte, er wird der Funke sein. Man sagt, er geht damit um, die Vulgata ins Deutsche zu übersetzen; mag er übersetzen, was er Lust hat, aber er übersetzt in lebendige Rede die Stimmungen und das Missvergnügen der Vornehmen, die uns abhold sind. Den gelehrten Spott, solange er gelehrt bleibt, konnten wir ertragen, werden wir es, wenn er zum Gassenhauer wird und die Bänkelsänger ihn ableiern?“
Das Gesicht des Bischofs, auf dem sich im Verlauf des Gespräches etwas Ernst gelagert, ward plötzlich wieder heiterer.
“Ich gestehe Euch, dass auch mich unterweilen solche hässliche Träume beunruhigen; aber der Grund liegt ganz anderswo. Hier belauscht uns niemand, lieber Freund. – Lasst die Augustiner und Franziskaner, und die Gelehrten von allen Universitäten sich rühren, was sollte es uns rühren, wir bleiben im Possess; aber die bekannte Lust, die unser gnädigster Kurfürst schon von seinen jungen Jahren an hat, in Theologices zu stänkern, die ist es, welche mich manches Mal besorgt macht; wenn er mich am Knopf fasst, und über dieses Dogma und jene Institution disputiert. Noch neulich beim Hofball zog er mich in die Fensterblendung, und eine Stunde lang hielt er mir ein Kollegium über die Erbsünde, und warum die Doktrin der Pelagianer ketzerisch sei. Gott weiß, wo er's her hat, ob's im Blut liegt, oder wer's ihm angetan, aber wenn's nach ihm ginge, sind wir alle ihm nicht orthodox und konform genug. O, er hat Entwürfe im Kopf von Klosterzucht und Kirchenregiment und neuen und alten Spitalrittern und Spitalweibern und möchte die Bischöfe zurechtsetzen und die Päpste dazu, und Konzilien berufen, wo der wahre Glaube bis aufs kleinste aufgeschrieben und festgesetzt würde. Und Konkordate möchte er schließen und Bistümer bei den Heiden anlegen, und Gott weiß was alles.“
„Es bleiben aber doch immer Entwürfe.“
„Das ist das einzige Gute dran.“
„Er liebt den geistlichen Stand; man hätte nicht zu besorgen, dass er in unsere Rechte griff, noch unsere Einkünfte schmälerte.“
„Das weiß kein Mensch. Wenn er heute liebt und ans Herz drückt, wer weiß, ob es morgen noch so ist! – denkt doch nur an den Adel. Hat er ihn nicht zugeritten wie ein wildes Pferd, mit seinen Schenkeln gepresst, dass er Zeter und Wehe schrie, mit seinen Sporen zerrissen, dass das Blut noch auf den Landstraßen klebt; und im Grunde des Herzens, ich sage es Euch, liebt er ihn. Werde daraus ein anderer klug. Wer um ihn ist und seinen Gedankensprüngen folgen muss, glaubt es mir, der hat seine Not. Heute in Gunst und morgen abgetan, und dann wieder in Gunst. Eine wahre Gunst für uns noch, dass, als man's kaum mehr erwartete, andere Grillen und Leidenschaften ihn gepackt haben. Er ist ein wilder Jäger geworden und –“,
Der Abt und der Bischof begegneten sich mit einem vielsagenden Blicke.
„Die Kirche wird in diesem Punkte milder sein als die durchlauchtigste Kurfürstin,“ lächelte der Abt.
„Ihren vollen Segen darüber! Denn dem verdanken wir es vielleicht, dass er die Reformation so lange vergaß.“
„Und nun! Wird der Mönch ihn nicht wecken?“
Ein Blick fast wie Schadenfreude, oder wie ihn der Stolz auf ein höheres Wissen dem Weltmann entlockt, traf den Lehniner.
„Wie wenig kennt Ihr ihn! Joachim hört nur auf sich selbst, er glaubt nur an sich. Gerade dadurch, dass der Mönch in Wittenberg etwas auszusprechen wagt, was er allein zu verstehen, was er allein glaubt wagen zu dürfen, sind wir gerettet. Und wenn, was Joachim mit der Kirche vorhatte, auf einen Punkt mit dem zusammenträfe, was der Augustiner im Kopf hat, wird der Kurfürst von Brandenburg das nachtun wollen, was der vor ihm tat? Wird er es ihm nur vergeben, dass dieser arme tölpische Bauernsohn sich durch sein Tun untersteht, ihn zu erinnern, dass er, der große kluge Fürst, nur geträumt und nichts getan hat? Der Vorwurf wird, sag ich Euch, an ihm nagen wie ein Wurm, gestehen wird er's niemand, aber im Innern –“,
„Er könnt es ihm aber nur zuvor tun wollen.“
„Kurfürst Joachim mit einem Barfüßer um die Wette rennen! Mein Lieber, er ist so stolz auf seine fürstlichen Ahnen als auf seine eigene Weisheit. Er duldet keine Gleichen um sich. Nun gerade – ich meine, wenn Euer Lucer auf den Wegen fortgeht, wie Ihr glaubt – nun wird er keinen stärkeren Widerpart finden, als unseren Markgrafen. Unterstützt ihn der Sachse, desto besser. Rüttelt er an unseren Domstiftern, unseren Bischofshüten, desto fester wird Joachim sie halten. Je weiter der vorwärts will, so mehr Rosse spannen wir hinten an. Dann lass sehen, wer stärker ist.“
„Ihr beruhigt mich.“
„Ruhen, lieber Bruder, heute ja; aber morgen nicht mehr. Ihr habt mich etwas beunruhigt, dass ich's Euch gestehe. Auch auf mich hatte der Mönch gleich anfangs einen seltsamen Eindruck gemacht, aber ich gebe nichts auf augenblickliche Eindrücke; ich hatte es fast vergessen, als Eure Observationen sie wieder erweckten. Saht Ihr ihn essen?“
„Ich zog ihn einst an meine Tafel.“
„Er rührte die Speise aber wohl nur an?“
„O nein, er aß wie ein hungriger Mann mit gutem Magen.“
„So schlang er die Bissen hinunter, ohne zu kosten?“
„Die gute Kost schien ihm zu behagen. Auch trank er“.
„Hastig? Er stürzte hinunter, was man ihm einschenkte, und dann sprudelte es von seinen Lippen.“
„Er schlürfte den guten Wein mit Wohlbehagen und sagte, es wäre eine gute Gabe Gottes.“
„Der Mann kann gefährlich werden. Er ist kein Schwärmer. Es wäre am gescheitesten, ihm eine fette Pfründe in den Mund zu stopfen.“
„Wenn er sich nun den Mund nicht stopfen ließe!“
„Er will ja kein Heiliger werden. Er isst und trinkt. Widerruf, Abt eine Pfründe oder ein Scheiterhaufen. Kennt Ihr einen vierten Fall? Meine Logik weiß nur diese Drei.“
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