WICHTIG!
Im Leben außerhalb des CallCenters bin ich auch Kunde. Und ich weiß, WIE nervig es sein kann stundenlang in einer Warteschleife zu hängen, bis man endlich eine menschliche Stimme am Apparat hat, die dann u.U. keine Ahnung hat, einen weiter verbindet, man wieder stundenlang in der Warteschleife hängt und schon Mordgedanken hegt, sodass der arme Servicemitarbeiter allen Frust abbekommt. Ich weiß.
Und ich weiß auch wie schwer es ist, wenn man sich mit der Materie nicht auskennt, die richtigen Fragen zu stellen oder dem CallCenter-Agenten die Informationen nach und nach aus der Nase ziehen zu müssen. Dann kommt noch dazu, dass gerade die Generation, die mit der Technik nicht aufgewachsen ist, sich zurecht überfordert fühlt. All diese Menschen verstehe ich und möchte nicht, dass diese sich vielleicht zurechtgewiesen fühlen.
Wie gesagt – ich bin auch Kunde, wenn ich nicht gerade arbeite und fasse mich selbst richtig fest an die eigene Nase!
SO!
Und wenn ich in den Wochen, in denen ich neben meinem CallCenterJob dieses Buch hier schreibe, nicht völlig paralysiert sein werde, oder in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen werde, dann werde ich es das Buch auch beenden. Schaut mal am Ende nach, ob ich fertig geworden bin und sagt mir dann Bescheid, würde mich dann doch interessieren...
Bevor man ein CallCenterAgent wird, muss man den CallCenter-9-Kampf beherrschen. Dies ist überlebensnotwendig im Arbeitsalltag.
Dabei ist zu beachten, dass die einzelnen Disziplinen nicht anteilmäßig in einem regelmäßigen Prozentsatz anzuwenden sind, da sich eine, nach neuester CallCenterStudie, gewisse Häufung in den einzelnen Disziplinen herauskristallisiert hat. Da die Disziplinen Extremsituationen entsprechen, hat sich dies bei der Namensgebung der einzelnen Disziplinen erfolgreich durchgesetzt.
Jede Disziplin wird am Tag zu folgendem Prozentsatz gefordert:
23,54 % Zwischenmensch-Extrem
16,05 % Hardware-Extrem
12,84 % Schriftverkehr-Extrem
Kopfschüttel-Extrem
Störung-Extrem
8,56 % Rechnung-Extrem
7,49 % Beleidigung-Extrem
Entschädigung-Extrem
Storno-Extrem
Der Prozentsatz sagt natürlich nichts über die reelle Dauer und Belastung der CallCenterAgents in der Ausübung der einzelnen Disziplinen aus.
Eben sowenig sind die Disziplinen in sich abgegrenzte Bereiche ohne Überschneidungen. In jeder Disziplin finden mehrere Überschneidungen in andere Disziplinen statt, im schlimmsten Falle werden alle Disziplinen in einem einzigen Kundengespräch berührt, was nachweislich zu einer erheblichen Belastung des CallCenterAgents führt.
Daher ist es für jeden CallCenterAgent wichtig ALLE Disziplinen zu beherrschen.
Ein entsprechender Trainingsplan ist derzeit in Ausarbeitung. Die Verwirklichung wird zeitnah ausgeführt. Die CallCenterAgents werden durch eine E-Mail entsprechend benachrichtigt, wann das Training am Arbeitsplatz durch entsprechend geschulte Coachs durchgeführt wird.
Im Anhang befindet sich ein Trainings-Plan, der die einzelnen Disziplinen genauer erläutert und versucht, die Hintergründe, Abgründe, Gedanken, Kommentare, Verbesserungsvorschläge und wertvolle psychologische Tipps genauer zu beleuchten.
1.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde: Ich habe eine Stinkwut auf ihren Verein, aber sie haben eine so süße Stimme, an ihnen will ich das jetzt nicht auslassen. Ich ruf nochmal bei jemand anderem an. >Klick<
2.
Agent (beim Abschluss des Gespräches): Darf ich sonst noch was für sie tun?
Kunde: Ja, geben sie mir die Lottozahlen vom nächsten Samstag.
3.
Agent (beim Abschluss des Gespräches): Darf ich sonst noch was für sie tun?
Kunde: Ich hätte da schon ein paar Ideen, aber sie sind zu weit weg dafür und meine Frau ist zuhause.
4.
Agent (während eines Kundengespräches): Oh, ich habe Bauchweh, ich glaub, ich muss auf‘s Klo.
5.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde (älteres Baujahr): Wieso hab ich jetzt sie am Telefon?
Agent: ???
Kunde: Ich hab der Dame gleich gesagt, ich möchte mit Herrn Schmitt verbunden werden!
Agent (schmunzelt): Das war unser Sprachdialogsystem.
Kunde: Nein, nein! Ich hab der Dame gleich gesagt, dass ich Herr Schmitt sprechen möchte und sie hat dann gesagt: "Sie werden sofort mit ihrem passenden Kundenberater verbunden."
6.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde: Wenn ich ihnen jetzt verspreche, dass ich zu keinem anderen Anbieter wechsle, bekomm ich dann die Grundgebühr erstattet?
7.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde: Wissen sie schon wer ich bin?
8.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde: ---
Agent: Hallo?
Kunde: Oh, guten Tag, ich dachte, sie sind ein Computer.
9.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde (ganz stolz): Darf ich bei ihnen eine Beschwerde loswerden? Ich bin auch ganz freundlich und schrei auch nicht!
10.
Agent erklärt Kunde, wie er im Internet etwas downloaden kann, der Kunde bittet den Agenten in den Leitung zu bleiben, weil er es gleich ausprobieren möchte.
Kunde (nach einiger Zeit): Hmm, Moment, er braucht mit der Ladung etwas länger...
11.
Agent (erklärt Kunde, was der Unterschied zwischen einer einfacher*- und verbesserter Internet*-Leitung ist): Die verbesserte Internet*-Leitung ist der Speedy Gonzales unter den Internet-Leitungen*!
12.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde (etwas verwirrt, aber freundlich klingend): Mit wem red ich denn jetzt?
Agent: Na, mit mir!
Kunde: Na gut, und sie reden mit „ich".
13.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde (genervt, aber freundlich klingend): Meine Kundennummer ist 123456789, mein Name ist XX YY, ich wohne in XYZ, mein Geburtsdatum ist XX.XX.XXXX. Was brauchen sie noch?
Agent (lachend): Schuh- und Konfektionsgröße.
Kunde (nun auch lachend): Aber nur, wenn sie mir ihre auch verraten!
14.
Agent (witzelt bei einem Systemausfall): Guten Tag, mein Name ist YX, ich kann leider gar nichts für sie tun...
15.
Kunde: Wie war nochmal ihr Name?
Agent: Wörter, wie Wörterbuch.
Kunde: Können sie das bitte buchstabieren?
Agent: Wörter, wie Wort, nur die Mehrzahl.
Kunde: Ah, Wörter, wie Wörthersee?
Agent: Nein, Wörter, wie Wörterbuch, ganz einfach.
Kunde: Also Wörter mit „h"?
16.
Kunde: Wie war ihr Name?
Agent: Wörter, wie Wörterbuch.
Kunde: Ah! Sind sie eine Verwandte von dem Herrn Lexikon?
17.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde (verärgert): Vielen Dank, dass sie mich eine viertel Stunde in der Warteschleife haben warten lassen!
Agent (etwas zerstreut): Gern geschehen.
18.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde (sehr empört): Ihre Kollegin vorhin hat mich einfach aus der Leitung geworfen!
Agent: Wir werfen keine Kunden aus der Leitung. Bringt ja nichts, die kommen ja wieder.
19.
Kunde: Bei ihnen kann man gar nicht böse werden, sie haben so ein Beruhigungs-Gen in ihrer Stimme.
20.
Agent: Guten Tag, mein Name ist XY, was darf ich für sie tun?
Kunde: Haben sie 12 Minuten Zeit für mich?
Agent: Äh, ja, warum?
Kunde: Ich war jetzt 12 Minuten in ihrer Warteschleife und möchte mich mal mit einer schrecklichen Musik bei ihnen revanchieren!
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