Susanne Weiss
Sprachgewalt
Warum Manipulation und Framing so gut funktionieren – und wie wir uns davor schützen können
Ein kurzer Blick auf das geheime Wirken der Wörter im Kopf
©Wortwandel
Berlin 2020
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Persönliches Schreibcoaching
(Dann klappt’s auch mit dem Perspektivwechsel)
Inhalt
Einführung
„Pseudoumwelt“
Gelenkte Demokratie
Frames und andere Manipulationsversuche
Wie funktionieren Frames?
Plastikwörter
Reise ins Reptiliengehirn (und benachbarte Regionen)
Der ordnende Gedanke: Rhythmus
In der Wirklichkeit ist die Abstraktion konkret
Virtuelle Realität
Im Inneren der Wörter
Unscharfe Ränder
Metaphern
Meine Sprache, Deine Sprache
Gruppensprachen
Das Nichts nichtet und die Followerschaft der Influencer
Abschottung
Was ich nicht sagen, kann ich auch nicht denken
Sprache und Denken
Die Relativitätstheorie der Sprache
Nachwort
Verwendete und zitierte Literatur
Vorbemerkung
Dieses Buch ist eine Neufassung meines Titels „Das Wort im Kopf. Die unterschätzte Macht der Sprache“. Die Performance der „Leitmedien“ angesichts der Ereignisse des Jahres 2020 machte mich fassungslos. Daher habe ich „Das Wort im Kopf“ in einigen Punkten bearbeitet und ihm einen neuen Titel gegeben. Ich reagiere also damit in diesem kleinen Rahmen auf Entwicklungen, die mir als Schreib- und Medienprofi keineswegs neu sind, die ich aber in dieser Form nicht für möglich hielt.
Nota bene:Dies ist kein Spezialtitel über Medien im Allgemeinen. (Ich weise auf solche hin.) Bei aller Ergänzung zu diesem Thema bleibt es doch im Wesentlichen ein Buch darüber, wie und warum Manipulationen durch Sprache funktionieren, wie Sprache wirkt und wie Sprache und miteinander verbunden sind.
Dazu folgen wir auch in dieser stark überarbeiteten und anders betitelten Neuauflage dem Wort in den Kopf. Die ursprüngliche Version ist nach wie vor erhältlich.
https://wortwandel.de/das-wort-im-kopf/
Einführung
„Es ist viel leichter, Menschen zu belügen, als sie davon zu überzeugen, dass sie belogen wurden.“
Mark Twain
Es gibt ein paar dunkle Geheimnisse in den Tiefen des Schädels, die kaum jemand kennt und die uns täglich Streiche spielen. Niemand lässt sich gern manipulieren und hinters Licht führen. Aber es geschieht millionenfach. Wir rühmen uns unserer Freiheit. Aber sind wir wirklich frei? Gleichzeitig beleidigen wir unsere Mitmenschen, ohne es zu ahnen ( Das habe ich nicht gewollt ...) und setzen ohne Ende Missverständnisse in die Welt ( das habe ich so nicht gemeint ... ) Und warum, so fragen sich Chefs und streitende Paare, reagiert mein Gegenüber nicht so, wie ich es gern hätte? Nun, der Glaube, unsere goldenen Worte kämen 1 : 1 beim anderen an, ist magisches Denken. Und mehr Menschen als je zuvor glauben jeden Mist, der ihnen in Kübeln voller Plastikwörter vor die Füße gekippt wird.
Fake News, Hate Speech und Framing sind in aller Munde, aber leider nicht in jedermanns Verstand. Von wenigen Dingen haben Menschen so wenig Ahnung wie von diesem großartigen Werkzeug echter Aufklärung, das zugleich so viel Schaden anrichten kann: Sprache. Sie umgibt uns wie Luft und Leben. Und dennoch wissen wir mehr über Autos, Fernseher, Smartphones, Fußball und Wimperntusche als über eine unserer wichtigsten Kulturtechniken. Wir nutzen sie täglich. Aber wir sind ihr auch täglich ausgesetzt. Um das Maß voll zu machen, erklären uns funktionale Analphabeten, es läse ja sowieso niemand mehr und Bilder täten es auch. Hier trifft es ein altes Sprichwort auf den Punkt: Wenn dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, ist jeder Gegenstand ein Nagel.
Sucht Euer Heil nicht in den „Leitmedien“ heutiger Tage. Sogenannte „Alpha-Journalisten“ denunzieren jedes noch so seriöse und robuste Wissen zum Thema Sprache und Sprachwirkung als „akademische Spielereien“ und ähnliches. Ich für mein Teil würde zu gern erleben, wie Klaus Kleber Wilhelm von Humboldt als Verschwörungstheoretiker (die neue Allzweckwaffe der „Leitmedien“) entlarvt, weil der ihm erklärt, wie Sprache funktioniert.
Nun führt die manchmal anarchische Ausdifferenzierung des Medienangebots zu einer gewissen Gereiztheit bei den Granden der „Leitmedien“. Sie wissen, dass immer mehr Menschen an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln. Überall grassiert die Furcht vor Bühnenverkleinerung und vor dem Verlust der alleinigen Deutungshoheit. „Hinzu kommt“, so der Kommunikations- und Medienforscher Norbert Bolz in einem Interview, „dass sich viele Journalisten als Oberlehrer der Nation missverstehen - und das lassen sich viele Menschen nicht mehr bieten. Die Objektivität der Medien steht also nicht nur ‚erkenntnistheoretisch’ zur Debatte. Man hat als Leser oder Zuschauer immer häufiger den schlechten Geschmack der Manipulation auf der Zunge.“
Die irrwitzige Konzentrations- und Konkurrenzsituation im Mediensektor führt darüber hinaus zu nie gekannter handwerklicher Schlamperei. Framing, Fake News und seit 2020 sogar Hate Speech kommen da gerade recht, um das Terrain zu verteidigen und um Auflage zu machen. Wenn aber unbescholtene Bürger plötzlich als rechtsradikale, antisemitische, psychisch labile Verschwörungstheoretiker und Spinner diffamiert werden, weil sie eine Frage stellen, von verfassungsmäßigen Rechten Gebrauch machen oder eine Debatte fordern, ist etwas ganz und gar schief gelaufen. Unfreiwillig komisch wird es, wenn man im Zuge solcher Kampagnen die neuen Staatsfeinde unter „Homöopathen“ und „Grundgesetzträgern“ ausmacht. Ein fast schon gruseliges Beispiel hat der Medienwissenschaftler Michael Meyen, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München in eigener Sache zu berichten.
https://medienblog.hypotheses.org/9621
„Pseudoumwelt“
Nicht, dass an Fake News und Framing irgendetwas neu wäre. Die Welt, welche die Medien erschaffen, ist ohnehin eine Konstruktion, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Walter Lippmann, berühmt-berüchtigter Propagandist der „gelenkten Demokratie“, wusste schon vor mehr als 100 Jahren genau, dass Worte und Sprachbilder soziale Realitäten gestalten. Er nannte das, was die Medien zu seiner Zeit schufen und was sie heute umso mehr erschaffen, „Pseudoumwelt“. Was wir in den Medien konsumieren, ist eine Wirklichkeit aus zweiter Hand, weil wir schlechterdings nicht überall dabei sein können. Allerdings werden es viele schon erlebt haben. Man war bei etwas offenbar Berichtenswertem selbst dabei, liest es anschließend in der Zeitung oder hört es im Radio und fragt sich: Wovon reden die da? „Je mehr Schichten zwischen einem Ereignis und dem Empfänger eines Berichts liegen, desto leichter ist Beeinflussung und Propaganda möglich. Je weniger man weiß, desto größer wird der Gestaltungsraum für eine fast beliebige Pseudoumwelt“, erklärt der Ökonom und Kulturhistoriker Walter Ötsch in einem Interview mit den „ Nachdenkseiten“.
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