Zuerst wusste ich gar nicht, was ich von dieser Bemerkung halten sollte. Es klang nicht gerade nach Bewunderung für den Freund. Schließlich dämmerte es mir: Er beneidet seinen Freund ob gewisser Fertigkeiten, die er selbst nicht besitzt.
Ich habe versucht, mit ihm darüber zu reden; aber er weicht mir aus. Ich mache mir Sorgen.
23. Mai anno domini 1667
Ich befürchtete schon, nun sei das Ende der dicken Freundschaft zwischen Olaf und Tobias erreicht. Zum Glück ist dem nicht so. Die beiden hängen immer noch eng zusammen. Sie haben sogar wieder einen Ausflug in den Wald geplant. Hanne will sich den beiden anschließen. Ich habe nichts dagegen – zumal Tobias sich draußen anscheinend tatsächlich gut zurechtfindet, wie mir auch seine Eltern bestätigt haben.
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20. Juni anno domini 1668
Hanne und Olaf sind gerade von ihrem neuerlichen Ausflug mit Tobias zurückgekehrt. Hanne wirkt überaus glücklich – Olaf hingegen niedergeschlagen. Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Ich traue mich ihn nicht zu fragen. Hanne hingegen muss ich nicht fragen. Sie wird nicht müde, von Tobias zu schwärmen.
Ich beginne zu ahnen, was Sache ist. Olaf ist eifersüchtig auf Tobias. Ich habe schon längst beobachtet, dass sich Hanne stark zu Tobias hingezogen fühlt, und mir ist auch nicht entgangen, dass es Tobias genauso geht. Mir ist erst jetzt bewusst geworden, wie sehr Olaf an Hanne hängt.
Olaf beschäftigt sich wieder mit den Kleinen. Das lenkt ihn ab und bringt ihn hoffentlich auf andere Gedanken. Zum Glück ist Hanne nicht seine einzige Bezugsperson.
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2. Juli anno domini 1668
Tobias und Hanne sind jetzt immer öfter zusammen und besuchen fast jedes Wochenende Tanzveranstaltungen. Dies hat Siw und mich dazu bewogen, uns ihnen gelegentlich anzuschließen. Ich werde mir bewusst, dass wir zuletzt in der Silvesternacht vor unserer Ankunft in der neuen Welt getanzt haben. Es wird Zeit, dies zu ändern!
Hanne und Tobias legen Wert darauf, dass Olaf mitgeht. Sie wollen ihn nicht allein lassen, da nach außen keinen rechten Anschluss gefunden hat – von einer Herzensdame ganz zu schweigen. Ich finde es rührend, dass sie stets bemüht sind, ihm das Gefühl zu geben, dass er noch dazugehört; aber weiß er es auch zu schätzen? Er geht mit, um kein Spielverderber zu sein; aber er sitzt die meiste Zeit nur am Tisch und beobachtet die anderen beim Tanzen. Gott weiß, was in ihm vorgeht!
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10. Februar anno domini 1669
Es herrscht ein strenger Winter, der uns das Leben recht schwermacht. Aber so streng vermag kein Winter zu sein, um uns die Freude zu verderben, welche Hanne und Tobias uns mit ihrer Verlobung gemacht haben. Die Hochzeit soll im Sommer gefeiert werden, wenn das Wetter es zulässt.
Auch Max hat ja sein Herz verschenkt. Seine Braut Yngvild stammt aus Åbo in Finnland. Ein nettes Mädchen. Es sieht ganz so aus, als müssten sie noch vor Hanne und Tobias heiraten …
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18. März anno domini 1669
Heute haben Max und Yngvild geheiratet. Es war eine schöne Feier mit vielen Gästen. Nur schade, dass wir im Wirtshaus feiern mussten. Der Frühling scheint noch weit, der Winter ist noch sehr nah.
Ja, es musste sein; denn es fehlt nicht mehr viel bis zur Geburt unseres ersten Enkelkindes. Das Brautkleid überdeckt diese Tatsache zum Glück tadellos – obschon es jeder wissen dürfte, auch der Pastor.
Sie haben eine Wohnung am Hafen gefunden. Max hat es also nicht weit bis zur Werft. Wir haben bei der Einrichtung mitgeholfen.
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13. Juni anno domini 1669
Was für ein wunderschönes Brautpaar! Siw und ich fühlen uns an unsere eigene Hochzeit vor 25 Jahren erinnert. Wir haben damals ebenfalls bei schönstem Sommerwetter geheiratet. Die Hochzeit von Max und Yngvild musste ja bereits im März gehalten werden, inmitten von Schneeschauern. Ich gebe zu, dass deren Feier bei Weitem nicht an dieses Fest heranreichte. Aber dafür haben Max und Yngvild eine wunderschöne Tochter, die das Ganze wieder ausgleicht. Sie haben sie Lisa genannt.
Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass auch bei den Frischvermählten etwas bzw. jemand im Anmarsch ist. Bislang wurde darüber kein Wort verloren.
Ich freue mich, dass Olaf sich bereit erklärt hat, Tobias’ Trautzeuge zu sein. Hanne hat sich für ihren Bruder entschieden.
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24. Februar anno domini 1670
Unser zweites Enkelkind ist geboren. Wir sind überglücklich. Es ist wieder ein Mädchen. Sie haben es Klara genannt. Ein Engelchen!
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18. März anno domini 1670
Olaf sondert sich immer mehr ab. Ich habe das Gefühl, seit Klaras Geburt noch mehr als zuvor. Er verlässt das Haus sehr früh und kommt erst sehr spät wieder. Er spricht nur das Nötigste mit uns. Er kümmert sich kaum noch um Bengt und Margarethe. Ich habe das Gefühl, dass sie darunter leiden. Er hält auch keinen Kontakt mehr mit Tobias und Hanne, auch nicht mit Max. Sie machen sich auch Sorgen.
Tobias hat beschlossen, sobald das Wetter wieder schön ist, mit Olaf wie in alten Zeiten auf die Jagd zu gehen, um ihn aus sich herauszuholen.
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10. April anno domini 1670
Bei Hanne hat sich eine seltsame Krankheit bemerkbar gemacht. Sie fühlt immer häufiger Kribbeln in den Beinen und leidet manchmal an Sehstörungen. Sie sagt zwar, das sei nicht so schlimm; aber ich bin beunruhigt. Ich werde einen Arzt zurate ziehen.
11. April anno domini 1670
Dr. Jones ist sofort mitgekommen; aber leider vermag er sich keinen Reim auf diese Symptomatik zu machen. Es sei eindeutig, dass das Nervensystem betroffen sei; aber um was es sich genau handle, könne er nicht sagen.
Scheinbar geht es Hanne wieder besser; aber ich bin über alle Maßen beunruhigt – zumal sie nun verstärkt unsere Nähe sucht – so als sei ihr bewusst, dass es ihr nicht gut geht.
Sie klammert sich nicht nur an uns und ihren Mann Tobias; sie legt ebenso großen Wert darauf, dass auch Olaf möglichst oft bei ihr ist. Sie nennt ihn ihren Bruder – was er ja nun auch ist. Wir machen uns Sorgen.
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20. Mai anno domini 1670
Das Wetter ist herrlich. Ich bin froh, dass Olaf so bereitwillig mit Tobias zu diesem Jagdausflug aufgebrochen ist. Sie haben vor, gleich paar Tage wegzubleiben, und haben sich entsprechend ausgerüstet. Beide sind ja inzwischen älter und – hoffentlich! – reifer, so dass ich mich wohl nicht so zu sorgen brauche wie damals, als sie sich verirrten und nur dank der Lenape-Indianer wieder zurückfanden. Ich bin froh und optimistisch. Vielleicht findet auch Olaf eine Braut. Ich wünsche es ihm von Herzen!
Hanne ging es die ganzen letzten Wochen gut und sie ist froh, dass die beiden Buben zusammen aufgebrochen sind.
25. Mai anno domini 1670
Tobias ist zurück – allein, verstört. Auf unsere Frage, wo Olaf sei, ernteten wir nur ratloses Schulterzucken. Tobias konnte nicht mehr erzählen, als dass er am Morgen aufgewacht sei und Olaf nicht mehr gesehen habe. Olaf hatte sich mit all seinen Sachen und mit der gesamten Munition in der Nacht davongestohlen, ohne irgendeine Nachricht hinterlassen zu haben. Tobias war verzweifelt. Er machte sich auf die Suche – wohl wissend oder zumindest ahnend, dass es aussichtslos war. Nichts deutete darauf hin, dass er unfreiwillig gegangen war. Er traf wieder Indianer vom Stamm der Lenape. Diese sagten ihm, dass sein Gefährte sich in der Nacht in Richtung Westen gezogen sei.
Hanne ist traurig und fragt immer wieder, warum er einfach gegangen ist, ohne etwas zu sagen. Wenn ich ihr nur eine Antwort darauf geben könnte!
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