So fand es sich 1895 bei Brockhaus gedruckt und gehörte zum Anfang einer unübersehbaren Flut von Aussagen über den angeblich großen Denker N, der alles Bisherige im Bereich der Philosophie - wie von dem amerikanischen Schriftsteller Ralph Waldo Emerson, 1803-1882, vorhergesagt ? - in jeder Beziehung und auch endgültig gemeint in den Schatten stellen sollte. Bemerkenswert sind die genau wirkenden, aber betrügerisch zustande gekommenen Angaben zu den jeweils angeblich erreichten oder zu erreichenden Auflagenzahlen, mit denen es N bis zu seiner geistigen Umnachtung, Anfang 1889, allesamt und ausnahmslos nicht über die 1., jeweils zum größten Teil unverkauft gebliebene Auflagenzahl von 1000 Stück je Titel nicht hinausgebracht hatte, aber jetzt, bei Brockhaus wohl auf Betreiben des geschäftstüchtigen und auflagensüchtigen Wirkens der Schwester so demonstrativ überhöht gerechnet herausgestellt wurden. Das Interesse an Ns „Philosophie“ war seinerzeit vor allem durch den Anfang 1889 offen ausgebrochenen Wahnsinn und ab 1893 erst durch die massive Propaganda der Schwester wachgerufen und in Szene gesetzt.
Abzüglich der letzten gut 11 Jahre, während denen Ns Wahnsinn nicht mehr zu verleugnen und es ihm unmöglich war - ihm vielleicht aber auch nur nicht mehr nötig schien ? - seine „Bücher-Produktion“ - die inhaltlich zum wesentlichen Teil aus Selbstrechtfertigungen bestand! - fortzusetzen , währte seine „geistig zurechnungsfähig“ zu nennende Lebenszeit bis in die ersten Tage des Jahres 1889 hinein gut 44 Jahre, - während denen er viel Geschriebenes - als „Faktenlage“ für das, was ihm bedeutsam schien! - entstehen ließ. -
Bevor N mit der Produktion seiner Schriften - die als philosophisch angesehen werden können! - begann ereignete sich in seinem Leben etwas, das zwar für Fälle wie dem Seinen typischerweise im Alter von ungefähr 17 Jahren zu geschehen pflegt, aber deshalb durchaus nicht als etwas „Normales“ anzusehen ist! - Wenn die ersten 17 Jahre aus der zeitlichen Rechnung zu seiner Schaffenszeit abgezogen werden, so verblieben N 27 Lebensjahre für seine - wie man voraussetzte! - „denkerische Tätigkeit“.
Als N fast 17 Jahre alt war, widerfuhr, ereilte, passierte ihm offenbarungsähnlich ein umfassender, grundlegender und anschließend durch keinerlei Kritik mehr anfechtbarer - somit irreparabler! - „Kenntnisgewinn“, welcher bei ohnehin schwierigen und wegen etlicher auf komplizierte Weise tollkühn übertriebenen und erklärungsbedürftigen Eigenheiten, schwerwiegende Folgen für das „Welterlebnis“ des jeweils Betroffenen zeitigen kann und bei N auch gezeitigt hat ! In einem unvorbereiteten und nicht jedermann mit dermaßener Wucht treffenden „Erklärt-finden“ von zuvor dunkel und geheimnisvoll gebliebenen Eigenheiten seiner Existenz stieß N in einer Buchhandlung in Nürnberg zufällig auf die „Essays“ des amerikanischen Schriftstellers - und unverantwortlich großspurigen Schwätzers! - Ralph Waldo Emerson, 1803-1882. Dessen ausschweifende Behauptungen und Formulierungen traten N im Sommer 1861 a) aus rein persönlichen Gründen, b) auf überwältigend neue Weise als für ihn zutreffend erlebt - und deshalb c) für sich selbst in ungeahntem Ausmaß als gültig anzusehen entgegen, weil ihm in diesen - scheinbar sehr speziell auf seine Existenz zugeschnitten ! - und ihm überdies außerordentlich zusagend ! - in nicht unerheblichem Umfang eine Fülle von ihn bevorzugenden „Wertungen“ zugänglich wurde!
Im weiteren Verlauf und bei zunehmend verstärktem Bedürfnis, sich aufgrund seines vorbildhaften Lebensgefühls philosophisch weltbelehrend zu betätigen - und zu bestätigen ! - vollzog sich bei N - parallel zur geschehenen Prägung durch die Auslassungen Emersons! - der Prozess eines schleichend fortlaufenden „Verfalls“, einer „Enthemmung“, einer Abnahme und Auflösung seiner Fähigkeit , sicher unterscheiden zu können zwischen a) seinen Wünschen und Idealvorstellungen und b) dem Maß seines eigenen Ich! - gegenüber andererseits der - von ihm aus gesehen! - c) weit außerhalb seines übermäßig fest geprägten Selbstverständnisses liegenden - und ihm deshalb zutiefst fremden und ihm fremd bleibenden ! - ihn aber genauso wie jeden anderen umgebenden „Wirklichkeit“ als die Welt um ihn her - zu deren Bewältigung er auf selbstgefährdende, weil hilflose Weise insofern mangelhaft gerüstet war, als es ihm - im Gegensatz zu den meisten „normalen“ Anderen! - nicht gelingen wollte, in dem nun einmal für jeden unabweislich bestehenden Spannungsfeld zwischen innen - seinem Ich! - und dem Außen, der Welt mit „den Anderen“! - verstanden als Lebenstüchtigkeit ! - sich „vernünftig“, d.h. vorteilhaft und lebenserleichternd mit der Realität auseinanderzusetzen , sich zu orientieren und durchzusetzen - in dem und mit dem, was das Leben so bringt, - ohne dauerhaft ein großes, philosophisch anmutendes Spektakel darum machen zu müssen!
N war bis zu Beginn seiner geistigen „Umnachtung“, Anfang 1889, für sehr wenige - wurde aber nach dem deutlich gewordenen Ausbruch seines Wahns für sehr viele! - ein Interesse weckendes Phänomen! - Es ist viel über ihn geschrieben worden und hat sich deshalb um ihn eine uferlose Sekundärliteratur gehäuft. Man hat ihn interpretiert, rauf und runter, hin und her - je nach vorgefasster Meinung und mehr oder weniger weit gehender Bewunderung! Das waren und sind Meinungen über ihn.
Was aber sind bei und zu N die Fakten ? - Als Fakten zu N kann nur das gelten, was von ihm selber stammt, also das, was er geschrieben hat und sich aus seinem Lebenslauf als unzweifelhaft geschehen ergibt: Das sind a) sein „Werk“, b) seine „Briefe“ sowie c) seine „Notizen“, die er sich in Hülle und Fülle, heute über 4.700 Druckseiten hinweg, machte: Dies a) um die vielen Einfälle nicht zu vergessen, die er sich „über sich selbst gegenüber dieser Welt “ leistete - und b) wie es mit dieser Welt - seiner Vorstellung nach ! - bestellt sein müsste! - damit Er und die Dinge des Lebens überhaupt als ihn zufriedenstellend betrachten konnte! - Das allein sind Ns Fakten ! - Was andere, die N nicht persönlich gekannt haben, über ihn geschrieben haben, gehört nicht dazu. Alles andere - wie übrigens auch jede Wahrnehmung dieser Fakten! - ist zwangsläufig Interpretation - und als solche mit fremder Subjektivität belastet ! -
Für eine auf das wirklich „Sachliche gerichtete“ Darstellung Ns erscheint es ratsam, sich in erster Linie streng an das zu halten, was in dargelegtem Sinn als Fakten zu N zu gelten hat. Ergänzend dazu kann bedeutsam sein, was und wie er zeitgenössisch , von Menschen, die ihn persönlich kannten , beurteilt wurde, - samt dem, was ihm von Vorgängern und Zeitgenossen - am ehesten zu fassen in gelesener Literatur und den Briefen an ihn! - nachweislich zugeflossen ist. Unter diesen Voraussetzungen geht es in dieser Darstellung nicht darum, N thematisch zu deuten und dies mit entsprechenden Zitaten zu unterlegen, sondern hier wird - anders herum! - ausgehend von dem, was er selber - zumeist über sich! - geschrieben hat - aufgezeigt, - so, wie er gesehen werden wollte - und wie er zu sehen war und ist! - In seinem Wahn und seiner Wirklichkeit.
Vom Prinzip her ließe sich eine Schrift über N in diesem Sinn - wenn man denn so etwas wie die Notwendigkeit einer „Beweisführung“ außer Acht lassen würde! - um mehrere Zehnerpotenzen kürzer fassen, als sie hier geraten ist - so kurz letztlich, dass beinahe ein Satz genügen würde, um zu erklären, dass es sich bei Ns Eigenheiten - und somit auch bei seiner Weltanschauung und deren „Gültigkeit für die Anderen“! - um einen in vielerlei Hinsicht weit außerhalb der Gauß‘schen „Glocke statistischer Normalverteilungen“ stehenden Charakter oder auch „Fall“ gehandelt hat und seine „Philosophie“ folglich eine entsprechend „verzerrte“ Weltsicht - allerdings als Ns Normalität ! - ausbilden musste und er somit weniger als ein philosophisches, sondern vielmehr als ein psychologisches Problem zu betrachten ist! - Mit dem fundamentalen Unterschied, N nicht als einen aufgrund von fundierten Erkenntnissen mächtig Entscheidenden, sondern infolge hilf- und haltloser Überforderung in unverstandenen Gegebenheiten und Zusammenhängen durch das Leben Getriebenen darstellen zu müssen, - um den vorliegenden Fakten gerecht zu werden.
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