Eigentlich würde es - eine sehr genaue Kenntnis von Ns Wesen vorausgesetzt ! - genügen, Ns „Ecce homo“ zu lesen, um - ohne dass daran Zweifel blieben! - zu erkennen, dass und auch wie verrückt N war! Dass diese Tatsache aber von einem anschließend ausgebrochenen, offensichtlichen Massen-Wahn hinweggewischt wurde, - daran ist nur noch interessant, wie N nach und nach zu den am Ende seiner „geistigen Laufbahn“, hemmungslos gemachten Aussagen über sich selber gekommen war.
Es gibt eine Unzahl von Belegen dafür, wie N sich gesehen, erlebt und empfunden hat ohne irgendetwas davon wirklich zu sein und es hat viele, sehr viele - entschieden zu viele sogar! - gegeben, die - trotz der Ablehnung dessen, was N eigentlich am Herzen lag! - ihm genau dies - allzu anbetungsfreudig und willig! - im Verhältnis von eins zu eins! - abgenommen haben und damit ihrem eigenen, als elitäre Leistung ausgegebenen Herden trieb folgten: Immer blind dem sich selbst ernannt habenden Leithammel nach! - Einen solchen wollte N - „bis zum Defekt“ NR.320getrieben! - immer sein , ohne dies wirklich sein zu müssen , denn die Rolle lag seinem einsiedlerischen Wesen in der Praxis nicht ! Im genügte es, bloß als „ mehr als die Anderen“ zu gelten ; - an allen und allem vorbei! Auch an der Realität! Als ob die Stellung und Geltung, die jemand in der Welt einnimmt, ausschließlich von seinem eigenen Dafürhalten abhängen würde! - Die zu einem vollständigen Weltbild dazugehörenden „Anderen“ kamen - und das ist immer wieder zu betonen! - in Ns Weltbild jedoch nicht und nirgends mit einem eigenen und von ihm respektierten Stellenwert vor und wurden dem nicht einmal siebzehnjährigen N auch von den Essays des Amerikaners Ralph Waldo Emerson, in einem Nürnberger Bücherladen 1861 nicht nahegebracht, als N vieles andere in diesen weisgemacht wurde und er mit überhöhten, wohlklingenden Versprechungen auf einen Lebensweg gelockt wurde, dem er weder nach seinen seelischen noch nach seinen geistigen und auch nicht nach seinen selbstkritischen, alles in allem also nach seinen im wahrsten Sinne des Wortes menschlichen Fähigkeiten - eben nicht ! - gewachsen war.
„Sich behaglich zur Geltung bringen“ BAW3.67, - darauf war, wie es der 20-jährige Abiturient formulierte, aus als er 1864 und dies im Verhältnis zu seiner angeblichen Genialität ja reichlich spät und auch noch nur knapp bestand, bei N alles angelegt und dazu musste er vor allem widersprechen , um zu zeigen, dass er „eigene“ - wenn auch nur maximal gegenteilige! - Meinungen besaß und zu vertreten hatte. - Etwas, das nicht von seiner Ansicht her bewertet und abgeurteilt war und einfach nur Zustimmung gelten zu lassen, bot ihm keinerlei Aussicht darauf, sich als etwas Besonderes auszuweisen! Durch wissenschaftliches Arbeiten zu irgendwelchen „neuen Ufern“ zu gelangen scheiterte an Ns Unfähigkeit, die ihn umgebende Welt - einschließlich „ der anderen “ Menschen ! - unvoreingenommen wahrzunehmen und anzuerkennen! Als Künstler fehlte ihm die „handwerkliche“ Begabung, etwas an Materie gebundenes nach seiner Vorstellung zu formen und darzustellen! So blieb ihm nur das, wozu er eine wirklich auffallende Begabung mitgebracht hat: Sein Umgang mit Worten , - der aber insofern ins Leere lief, weil seine Gewandtheit sich darauf beschränkte, die Worte geschmeidig, fließend, überraschende Wendungen nehmend und sicher in ungewohnte Zusammenhänge zu setzen ! - Denn ansonsten waren seine Themen ohne eigentlich aktuellen „Gehalt“ inhaltlich nicht wesentlich: Außer eben darin, sich selber - seine Subjektivität ! - zur Sprache zu bringen, das heißt, seine Befindlichkeiten , Sehnsüchte , Träume , Hoffnungen , Wünsche , Bedürfnisse , Illusionen zu benennen ! - Darin war er in jeder Hinsicht unübertrefflich! - Auch was seine Ängste betraf! - Kurz das, was Er seine „Tugenden“ und seine „Ideale“ nannte! Aber weiter gab es nichts! Dass davon das ein oder andre den Einen oder den Anderen etwas angehen mag, daran weiterzuspinnen, gut und schön, - aber es hatte doch entfernt nicht alles für Alle zu gelten, so wie es von N selber beabsichtigt war!
Was sollte einem so ungemein Wort gläubigen wie ihm - der nichts so gut konnte als Worte zu setzen! - anderes übrigbleiben, als die Schriftstellerei? Aber Geschichten, Gedichte, Romane - und wohl gar Problemlösungen im Bereich der Philologie! - waren nicht in der Lage, den hell in ihm lodernden „brennenden Ehrgeiz“ NR.214nach weltumspannender Gültigkeit zu stillen: Zu seiner Selbst darstellung „ vor allen Anderen “ gehörte ein spät erst formulierter, aber früh bereits mächtig in ihm wirkender „Wille zur Macht“ 4.145, der nur über eigenwillige „Veränderungen der vorgefundenen Wirklichkeit“ - aber doch nicht in Form einer Allerwelts-Schriftstellerei! - nach seinem Bedürfnis für derlei zu befriedigen war! - Vor allem und am Einfachsten gelang ihm Beachtung und Aufsehen über Besserwisserei, Kritik, Aufdeckung von Mängeln, um damit den dummen „Anderen“ zu zeigen, was ihm als falsch erschien, - als missraten , als ungenügend , entartet ! Sein „Werk“ ist voll von Äußerungen dieser Art.
Darüber hinaus wäre ihm - unverzichtbar! - zu zeigen geblieben, wie die Welt über das Beanstandete hinaus besser einzurichten und eingerichtet wäre. Eigentlich hatte er das gewollt, - aber dazu tat echter Erfindergeist Not, über den N kaum - und schon gar nicht im jeweils angestrebten Maximal-Umfang! - verfügte, so dass er gezwungen war, die Worte so zu drehen, hinzubiegen, umzuwerten, Behauptungen aufzustellen, deren Wahrheitsgehalt mit nichts - oder nur sehr schwer und in Sonderfällen! - zu beweisen war: Paradebeispiele dafür sind Ns jeweils superlativ angelegte „Erfindungen“ wie seine „Ewige Wiederkehr“ als Grundlage seiner neuen - nach seinem Dafürhalten von ihm ersonnenen! - „Moral“ sowie den über bloße Genialität weit hinausschießenden „Übermenschen“ als Grundlage der angeblich evolutionär „gewollten“ höheren Stufe innerhalb seiner gewagten Theorie von einer ihm notwendig erscheinenden „Rangordnung“ 11.106 u. 152unter den Menschen als „Gegenbeweis“ gegen die seinem Geltungsdrang entschieden zuwiderlaufende, zur Demokratie führende „Gleichheit der Menschen“ 9.547 u. 10.455f, welche er überdies vollständig falsch verstanden und beurteilte hatte. So etwas wollte er der Menschheit schmackhaft machen. Dazu all seine Schreiberei!
Zu einer allgemeinen Anerkennung seiner „Rangordnung“ und seines „Übermenschen“ als die beiden „grundlegend von ihm zutage gebrachten Neuheiten“ in, aus und durch seine „Philosophie“, reichte die Überzeugungskraft seines gekonnten Wortgeklingels allerdings bei weitem nicht aus: Man hat sie ihm - aller Überredungskünste zum Trotz! - einfach nicht abgenommen - sie als „Entgleisungen“ bewertet und „unter den Teppich gekehrt“, fast so, als wären diese Peinlichkeiten nie geschehen, - wo doch für ihn gerade diese das „Wesentliche“, gewissermaßen das „Rückgrat“ seiner Selbstdarstellung ausgemacht hatten! Sie rausfallen zu lassen aus dem, was er anzubieten hatte, bedeutete, sich mit einem kümmerlich verbliebenen unzureichenden Rest zu begnügen. Dieser Rest allerdings besteht vor allem aus weitgehender Infragestellung und zumeist unhaltbar überzogener Kritik an der Gültigkeit des Bestehenden, - was auf dem Boden der menschlich-allzumenschlichen Eigenart überbordender Freude an zügellos-totaler Zerstörung aber ausreichte für einen enormen, die innere Bereitschaft zu weiterer Zerstörung althergebrachter moralischer Werte fördernden „Erfolg“ dessen, was er geschrieben hatte.
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