Womit aber? Auf welche Weise hätte er das können sollen? Kritik am Bestehenden - woran es bei ihm nicht mangelte! - reichte dafür allein nicht aus. Da musste er mehr zu bieten haben. - Zum mindesten bedurfte es einer neuen Moral, um die er jahrelang ringen musste und sich mühte! - Dass ihm eine solche Aufgabe - von wem auch immer! - zugeteilt worden wäre , erschien als Argument für den Anspruch auf Anerkennung einer derartigen „Rolle“ ebenfalls zweifelhaft, - ja so direkt herausposaunt wirke das geradezu lächerlich! - Schon eines zeitgemäß mangelnden Messiasglaubens wegen hätte ihm eine so nackte, unmaskierte Direktheit niemand abgenommen! Er musste den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend etwas überzeugend Anerkennenswertes schaffen , etwas, das hinausging über eine zwar nach allen Seiten hin ausschlagende, aber nichts wirklich Neues bietende Kritik an der Welt. - Es bedurfte vorzuweisender „Leistungen“, konkreter Themen und dazu Lösungsvorschläge , die den Beweis lieferten für seine überragende Zuständigkeit und die bei ihm vorhandenen „Fachkenntnisse“, an denen er sich hochranken und die Bedeutung seines Ichs nachweisen konnte! In 2 früh veröffentlichten Fällen - über Schopenhauer und Wagner - bot er blank und leicht durchschaubar Vergötterung , - ansonsten aber bot er - ebenso blank! - in Aphorismen dosiert und verpackt nichts als Kritik, - mittels derer sich - wie er dafür hielt! - sein freigeistreich überragender Intellekt bestens zu Schau stellen ließ: Je extremer, je gegensätzlicher, je umwertender und umso überraschender umso besser! Mit der gesteigerten Schärfe kritischer Abgrenzung und Ausschließlichkeit stieg das Maß und die Erfolgsaussicht seines Anspruchs, sich in seinem Widerspruch zur Geltung zu bringen und damit, in Abfärbung wohl auch, sein Ansehen und seinen „Ruf“ „alles besser zu wissen“, in erheblicher Weise zu steigern; - womit aber nicht verbunden sein musste, das auch wirklich zu können !
Neben seiner bis zum Exzess getriebenen Kritik an Bestehendem gelangen N konkret nur zwei „ Gedanken “, Ideen, oder „kreativ“ zu nennende Einfälle, die eine neue Wertekategorie hätten darstellen können, - wenn es ihm denn gelungen wäre, diese durch einen überzeugenden Logikschluss in irgend einer Weise in eine verträgliche Übereinkunft mit der „ Wirklichkeit dieser Welt “ zu bringen! Dabei handelte es sich zum Einen um seine angebliche „Lehre“ von einer „Ewigen Wiederkunft des Gleichen“ 9.494, 6.160als Grundlage einer neuerdings verbindlich sein sollenden und für so gut wie „göttlich“ zu erachtenden „Moral“ - und zum Zweiten um die „Verwirklichung“ seines - eigentlich erst in seinem „Zarathustra“, 1883-84, zentral gewordenen - Gedankens und „Kultur-Zieles“: - Nämlich die von Charles Darwin, 1809-1882, einem britischen Naturforscher mit wesentlichen Beiträgen zur Evolutionstheorie - für N damals „gerade erst“! - 1859 (auf Deutsch 1860 - da war N 15 Jahre alt und von derlei noch ahnungslos!) - in seinem Werk über „Die Entstehung der Arten“ erstmals in ziemlich klaren Umrissen öffentlich bekannt gemachte „ Evolution “, die N willentlich und - mit Hochdruck gewissermaßen! - beschleunigend fortzusetzen gedachte.
Für N hieß Darwins Werk, dass die in der Natur „erkannte“, und deshalb von dieser „gewollt“ sein müssende, aber eigentlich - im Zuge des immer weiter beschleunigten universellen Sich-Ausdehnens! - eine nur zwangläufig zu nennende „ Entwicklung von einfachen zu immer komplexeren Formen “ war - dass diese nun im menschlich errungenen Bewusstsein ihrer „ Tatsächlichkeit “! - und weil es keinen darüber hinausgehenden Superlativ gab, den man sich - mit allen verfügbaren Kräften und Mitteln - hätte unter den Nagel reißen können ! -und dass dies - in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts! - ausgerechnet auf die Ideale eines Herrn Friedrich N „ zusteuernd “! - voranzutreiben wäre! - Dass „man“ also entschlossen das „Natürliche“ wollen müsse und dafür - um das durchzusetzen! - auch eine, von eben diesem Herrn Friedrich N zu erfindende „neue Moral“ nötig wäre ! - um mittels dieser entsprechend wollen zu dürfen ! Nämlich das , was der Natur als deren beabsichtigter Grundzug gerade abgeschaut worden war und nun, zumal nach dem „Tod des bisherigen Gottes“ FW.108- auf gerechtfertigte Weise! - in menschliche Regie übernommen werden müsste: Das war, ganz konsequent, ein derart vollkommen irres Gedankenkonstrukt, dessen Vermessenheit eigentlich jedem Größenwahn die „Krone aus dem Boden schlugen“!
Dass N dabei an Darwin - zu dem er überdies ab Frühjahr 1888 auch eine besserwisserische Umwertungs-Position einnehmen sollte! - weit vorbeigedacht hatte, ist ihm in seiner Unfähigkeit zu wissenschaftlichem Denken nie zum Bewusstsein gekommen, denn Er wusste natürlich weit besser als Charles Darwin, 1809-1882, der einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler seines Jahrhunderts war, was es mit der Evolution „im eigentlichen Sinn“ auf sich hatte und auch was von Darwin zu halten war, da dieser sich hatte zuschulden kommen lassen, dass er in seinem Hauptwerk „On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or The Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life“ - (Die Entstehung der Arten) nicht Schneid und Mut genug aufgebracht hatte, zu so etwas, wie zu Ns Deutungen des Ganzen vorzudringen. Nicht erkannt hatte N dabei auch seinen eigenen „Grund-Wahn“, sich für seine diesbezüglichen Ideen überhaupt für zuständig halten zu können! - Es ist von eigenartiger Faszination, nachzuvollziehen auf welche Weise N diese „Grundlagen“ in sein Weltbild eingefügt hatte!
Aufgrund von Ns „Logik“ sollte sich „der Mensch“ selbst , Zarathustra-herrlich kraft seiner - d.h. Ns! - „Erkenntnis“ - ohne die Hand eines uralt überlieferten Schöpfer-Gottes dazwischen ! - endlich die diesseitig wirkliche „Krone der Schöpfung“ selber aufs Haupt setzen und die „Erhöhung des Typus Mensch“ FW.377- „in Eigenleistung“ gewissermaßen! -, bewerkstelligen , denn so, wie N den Menschen vorgefunden hatte, schien ihm dieser in höchstem Maß ungenügend zu sein. Zu wenig ! Und unerträglich ! Gewogen und für zu leicht befunden! Und als nichtswürdig „zu überwinden“ eben, schlechthin als „ein Gelächter und eine schmerzliche Scham“! 4.14, was so viel heißen sollte, dass N die Schöpfung besser in Szene gesetzt hätte als - wie im 1. Kapitel der alttestamentarischen Bibel beschrieben! - seinerzeit des alten Jahwe dilettantischer Umgang mit der größtmöglichen Unordnung, dem Tohuwabohu, welches in dessen „Jugend“ allüberall an der Tagesordnung gewesen war. Das sollte nun - Ns Überzeugung nach und „ aufgrund seiner Erkenntnis “, was zu beachten wäre! - in jeder Hinsicht den zukünftig einzig vernünftigen und deshalb - weil es dabei für N keine anderen Superlative gab! - auch den einzig zulässigen Sinn, Zweck und Lebensinhalt der Menschheit - bis in alle Zukunft hinein - bedeuten!
Damit sind die „Absichten“ von Ns „Gedankengebäude“ ihrem wesentlichen Inhalt nach umrissen. Bei ihm bestand alles nur aus Worten ! - Zu wirklichen Taten hat es bei N nie gelangt, schließlich konnte er bei all seinen markigen Sprüchen tatsächlich keiner Fliege etwas zu Leide tun. Er lebte ausschließlich in Worten, in dem Getöse, das er mit diesen veranstalten konnte - und im selig geheiligten Glauben daran - wenn er sie nur richtig setzte und führte! - mit diesen eine ihn g edanklich zufriedenstellende Ordnungen fassbar machen zu können, - obgleich sie keine solche boten ! Intern besaß das eine konsequent zu nennende Logik, mit der N sich schwer genug tat, sie nach und nach zusammenzubringen: Weil oder obwohl für all das, was er sich ausgedacht hatte, keinerlei Verbindung zur Realität der Welt bestand. - Was sich hinsichtlich der Realität ergab war bei Ns mangelhaft ausgebildeter Fähigkeit zu produktiven Ideen, dass aufgrund von seiner einseitig überkritischen, von „Werk“ zu „Werk“ heftigerem Niederreißen des Bestehenden, an diesem, weil es nie vollkommen sein konnte, der Makel des grundsätzlichen Ungenügens hängen blieb.
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