„Was soll das heißen?“
„Nun, wir haben festgestellt, dass der Boden um den Monolithen herum sich verändert. Alles in seiner Nähe stirbt, nicht so schnell und auf einem begrenzten Raum, doch wir wissen nicht, wie weit das noch geht.“
Garondirs Augen schrien Mord, doch ein Elf durfte nicht derartig überbordende Gefühle zeigen.
„Also, was gedenkt ihr zu tun?“
„Nun.“ Jetzt erhob wieder der Alte die Stimme. „Wir hatten überlegt, den Stein zu zerschlagen, doch wir haben festgestellt, dass jedes einzelne, noch so kleine Teil die Nekromantie in sich trägt. Damit würden wir das Problem also vervielfachen. Dann haben wir überlegt, den Monolithen im Meer zu versenken. Doch das Wasser umspült den Stein, verdunstet, wird zu Wolken und Regen, der dann auf uns herunterfällt. Was könnte das für uns und die Natur bedeuten? Wir wissen es nicht und sind nicht bereit, es auszuprobieren. Genauso ist es mit dem Vergraben, wenn der Monolith den Boden um uns herum verseucht.“
„Sagt mir nicht, was ihr nicht tun könnt, sagt mir was ihr tun werdet.“ Dem Magier fiel auf, dass Garondir die Verantwortung für den Verbleib des Monolithen offensichtlich ausschließlich in die Hände der Magier, Druiden und Alchemisten legte. Solange Aussicht bestanden hatte, dass der Monolith sein Heil über das Volk der Elfen bringen würde, hatte Garondir keine Gelegenheit ausgelassen, über seine Idee und die Fortschritte zu schwelgen. Jetzt distanzierte er sich rasend schnell von Allem und ließ die, denen er den Auftrag erteilt hatte alleine mit dem Problem zurück.
„Wir werden den Monolithen weg bringen.“
„Wohin“, bellte der Elfenfürst.
„Es gibt eine kleine Insel vor dem Land der Zwerge. Sie ist nur durch eine schmale Brücke mit dem Festland verbunden. Wenn es uns gelingt, den Monolithen unbemerkt dort hin zu bringen, dann kann er kein Unheilmehr anrichten. Die Menschen, die dort leben, sind Abtrünnige, Flüchtige und Wesen, die die Einsamkeit suchen. Es gibt praktisch keine Verbindung zur sonstigen Welt.“
„Und sollte sich etwas Böses auf der Insel regen, so wird es die Zwerge angreifen und nicht uns.“ Die Augen des Anführers verengten sich, ein Anzeichen besonderer Belustigung.
„Ein Gedanke, der mir durchaus zusagt. Aber wie kriegt ihr den Stein dort hin.“
„Nun.“ Jetzt fühlte auch einer der Alchemisten sich gefordert. „Wir werden den Stein auf ein Schiff laden und damit an der Küste des Zwergenreiches landen. Einige werden dann von Bord gehen und sich über die Brücke auf die Insel schleichen. Das sollte kein Problem sein. Dann wird das Schiff an der Steilküste entlang fahren, bis es eine ausreichend ruhige Stelle findet. Die Elfen auf der Insel werden Seile … .“
„Ich will das gar nicht wissen. Tut was getan werden muss und sorgt dafür, dass diese Monstrosität das Reich der Elfen nicht länger besudelt.“
Und so war es geschehen. Die Elfen hatten mit Hilfe ihrer Gefangenen den Monolithen auf das Schiff und dann weiter ins Zwergenreich geschafft. Dieser Weg hatte etliche Gefangene das Leben gekostet, weil sie dem Wahn des Steines verfielen und getötet werden mussten. Kleinere Einflüsse konnten die Elfenmagier noch zurück drängen, aber wenn die Umwandlung abgeschlossen war, half nur noch ein schneller Schwerthieb, am besten zum Abschlagen des Kopfes, um die Ausbreitung der Nekromantie zu verhindern. Sogar zwei der begleitenden Elfenkrieger verfielen der unseligen Macht des Monolithen.
Durch Glück und Einsatz von Magie gelang es auch die Brücke zu überwinden und den Stein im Dschungel der Insel zu platzieren. Die Elfen, die von der Mission zurück kehrten waren von Grauen geschüttelt, doch der Friede in den elfischen Hainen hatte ihnen geholfen, wieder zur Ruhe zu kommen. Sie wurden einem Zauber unterzogen, der sie alles vergessen ließ, was sie erlebt hatten, ihren Geist völlig reinigte von dem Wissen um den Monolithen … und um die Verantwortlichen für dieses Desaster. Am Ende gab es nur einige wenige Mitglieder des Elfenrats und der Druiden- und Magierzirkel, die von dem gescheiterten Experiment wussten. Als zwei von ihnen eines überraschenden und möglicherweise nicht so natürlichen Todes starben, verschwanden auch die letzten Informationen über den Monolithen in der totalen Versenkung.
Zudem half die Fähigkeit der Elfen, ungeliebtes Wissen so zu verdrängen, dass sie es wirklich vergaßen, aus ihren Köpfen verbannten.
Eigentlich war damit alles gut. Die Elfen hatten das Problem verlagert, wenn jetzt die Nekromantie ausbrechen sollte, dann wäre es das Problem der Zwerge.
Langsam nahm Garondir wieder die Gegenwart um sich herum wahr. Er verfluchte innerlich das Schicksal, dass die Götter ihm aufgezwungen hatten.
Wer konnte denn ahnen, dass diese rotäugigen Monster sich gleich einen Verbündeten auf Iskandrien suchten und in diesem Maße Unruhe stifteten. Dann wurde die Brücke zerstört und das ganze Elend hätte auf den paar Quadratfuß Land bleiben können. Aber nein, einer der verdammten Untotenmacher musste einen Drachen an sich binden und mit diesem über die Insel reisen. Warum, ihr Götter?
Im Nachhinein musste Garondir zugeben, dass es ein Fehler war, Arkadien so fluchtartig zu verlassen. Doch die Nachricht von der Flucht des Nekromanten hatte etwas in ihm ausgelöst, dass er nicht mehr sicher war, ob er seinen Ärger über die tölpelhaften Menschen und Zwerge noch länger unterdrücken konnte. Ja, er war ein Elf, er hatte seine Gefühle eisern unter Kontrolle, aber der Anblick dieser unzureichenden Völker, die über diese Insel stolzierten, als wäre sie ihre, das war mehr, als ein aufrechter Elf ertragen konnte.
Er musste jetzt einen guten Grund finden, warum die Elfen verschwunden waren, insbesondere dann, wenn einige von ihnen wieder zu den anderen Trupps zurückkehren sollten. Aber da würde ihm schon etwas einfallen, ihm fiel immer etwas ein.
Vielleicht sollte er Yillimar schicken. Dieser unechte Elf, der immer wieder die Freundschaft mit den anderen Völkern predigte. Der wäre da doch genau richtig. Und wer weiß, vielleicht könnte es sogar ein großes Unglück geben, dass ihm etwas zustieß. Das wäre sehr bedauerlich.
Garondir spürte, wie seine innere Ruhe wieder Einzug fand in seine Seele. Vielleicht bot diese unselige Situation ja doch Möglichkeiten, die er noch nicht vorher gesehen hatte. Vielleicht hatten die Götter ihm Gelegenheiten geschickt und es lag an ihm, diese zu nutzen. Ein tiefes Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit breitete sich in ihm aus. Er überließ seinen Körper wieder dem kaum spürbaren Schwanken des Pferdekörpers unter sich und etwas, dass Unwissende für ein Lächeln halten könnten, umspielte seine Züge. Unter dem Licht einer blakenden Welfernbrunstlampe standen Siegoin und Brenok in einem Zelt, in der Nähe des Monolithen, über eine Karte gebeugt. Die Karte hatte Siegoin aus Arkadien mitgebracht. Sie zeigte sehr genau alle Besonderheiten Iskandriens, alle Städte, Berge, Flüsse, die Küstenlinien, ja sogar die Brücke zur Insel der Nekromanten.
Siegoins knochiger Finger fuhr langsam über den Strich, der die Meerenge überspannte.
„Ich bin noch unentschlossen, ob es ein Nachteil für uns ist, dass es die Brücke nicht mehr gibt. Vielleicht schützt uns das auch davor, von einem vereinten Heer der Zwerge, Menschen und Elfen überrannt zu werden.“
Brenok gab ein trockenes Geräusch von sich, fast wie ein Seufzen.
„Vereintes Heer. Das hätte nie passieren dürfen. Dieser Verrückte, der glaubte, die Völker gegeneinander aufbringen zu können hat dafür gesorgt, dass sie sich so nahe stehen, wie noch nie zuvor. Vor einigen Umläufen wäre es noch undenkbar gewesen, dass Zwerge und Elfen, Menschen und Barbaren gemeinsam Schulter an Schulter in einen Kampf ziehen.“ Der Nekromant schüttelte sich.
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