Wolfgang Gröne
Kleine Sonne
Thriller
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Inhaltsverzeichnis
Titel Wolfgang Gröne Kleine Sonne Thriller Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Epilog
Impressum neobooks
Tiefhängende Wolken, vollgesogen mit Regen, trieben in Richtung Osten über die englische Kanalküste. Böen fegten mit zerstörerischer Geschwindigkeit über das Land, bogen zornig Bäume bis auf den Grund, wirbelten durch verlassene Straßen und Gassen. Ringsum zuckten Blitze und stürmischer Wind trieb dichte schwarze Wolken wie eine Herde Vieh brüllend ins Meer.
Ein kleines Flugzeug kämpfte sich in niedriger Höhe durch die aufgewühlten Luftmassen. Es wurde auf und nieder geworfen und tanzte wie eine kleines Boot in schwerer See gegen die Wolkenfront an. Trotz der schlechten Sicht, der Böen und der heftigen Turbulenzen hielt es erstaunlich gut westlichen Kurs und eine stabile Höhe. Im ersten Licht des Morgengrauens, das hin und wieder durch die zerrissenen Wolken schien, erreichte es die britische Küste.
Sofort wurde es, trotz des schlechten Wetters, von den sich kreuzenden Strahlen der Suchscheinwerfer der Küstenverteidigung erfasst. Das Flugzeug war bereits erwartet worden. Wie die tastenden Finger eines Blinden hatten es Radarstrahlen weit vor der Küste in der Dunkelheit erfühlt und dessen Nahen an den Küstenschutz weitergegeben. Nun standen die Frauen des freiwilligen Hilfskorps in den Flakbatterien und suchten den Himmel nach dem Eindringling ab.
Zu Anfang des Krieges hätte ein einzelnes Flugzeug bei diesen Sichtverhältnissen vielleicht der Luftabwehr entgehen können. Aber jetzt nicht mehr. Im Juni 1944 arbeitete der britische Küstenschutz mit Annäherungszündern und Radarunterstützung. Die ersten Granaten explodierten daher ganz in der Nähe, tasteten sich heran und hinterließen kleine schwarze Farbkleckse vor dem wilden Gewölk des zerrissenen Himmels. Das Flugzeug versuchte an Höhe zu gewinnen, zu entkommen und in der schützenden Schwärze niedrig hängender Wolken zu verschwinden. Doch die Granaten folgten, ohne vom Ziel abzulassen. Eine Detonation hinter dem Flugzeug riss kreischend ein Stück des Leitwerks ab. Splitter trafen den Motor und schon begann er zu stottern und verstummte schließlich ganz. Schwarzen Rauch hinter sich herziehend, segelte es, schnell an Höhe verlierend, weiter in Richtung Westen. Schwarzer Rauch bedeutete brennendes Öl und eine tödliche Verletzung des Motors. Die Frauen an den Flugabwehrkanonen sahen es, schlugen sich in die Hände und kehrten in ihren Unterstand zurück, in dem gerade heißer Tee serviert wurde.
*
In Houghton St. Giles, einer kleinen Ortschaft mit einigen an der Straße gelegenen Häusern, begann es zu regnen. Peter St. Giles, der Farmer des Gehöftes, nach dem der kleine Ort benannt war, konnte nicht schlafen. Er stand auf und beschloss, die Schweine heute früher zu füttern. Als er über den dunklen, von Regenschlieren umtobten Hof rannte, hörte er plötzlich Rauschen über sich, das nichts mit den üblichen Windgeräuschen eines Sturms gemein hatte. Er blickte auf und erkannte einen dunklen länglichen Schatten, der einem wedelnden Schwanz gleich etwas hinter sich herzog. Das Ding flog recht niedrig über die Stallungen hinweg. Peter musste unwillkürlich an die Drachen in den Phantasien seiner Kindheit denken, vor denen er nicht unerhebliche Angst gehabt hatte. Während ihm der Regen ins Gesicht prasselte, beobachtete er erstaunt, wie der Wind diesen seltsamen Schatten gerade noch mit einem Hopser über das Dach des Schweinestalls hob. Dann war es verschwunden.
Peter wischte sich den Regen aus dem Gesicht und rannte los. Auf halbem Wege schlug er sich schmerzhaft auf die Stirn und wirbelte auf dem Absatz seiner Gummistiefel herum. Vielleicht ein deutsches Flugzeug, dachte er. Ihm fiel die Devise der Home-Guard ein: Erst die Polizei benachrichtigen, dann einschreiten ! Ein deutscher Pilot mit Waffe konnte einem übel mitspielen und Peter St. Giles wollte den Krieg überleben. So kurz vor seinem Ende allemal.
Entschlossen lief er ins Wohnhaus zurück, weckte seine Frau, rief anschließend bei der Polizei in Houghton an, was dauerte, und förderte zu guter Letzt einen alten Enfield-Karabiner und einen Stahlhelm aus dem Kleiderschrank hervor. Peters Frau war zwar aufgeregt, aber als sie ihren Mann gekleidet in Schlafanzug, Regenmantel, Gummistiefeln, dazu bewaffnet mit Karabiner, Taschenlampe und Stahlhelm im Flur stehen sah, musste sie unwillkürlich kichern. Peter, der immerhin seit Kriegsbeginn Mitglied der Home-Guard war und noch nie einen Einsatz erlebt hatte, von einigen Übungen mal abgesehen, verbat sich jegliches Lachen. Für ihn war es jetzt soweit. Endlich konnte er seinen Dienst für das Empire ableisten. Auch wenn er mehr Angst als Vaterlandsliebe in seiner Magengegend verspürte. Trotzdem war er entschlossen, seine Pflicht zu erfüllen. Zusammen mit seiner Frau marschierte er in Richtung Acker.
Schwarze Wolken hingen nun genau über ihnen, der Acker lag im Dunkel. Der Regen war zum Wolkenbruch geworden. Peter sah kaum ein paar Meter weit und taumelte halb blind über den matschigen Acker und wischte sich immer wieder Regentropfen aus seinen Augen. An seinen Gummistiefeln hingen dicke Dreckklumpen und erschwerten seine Schritte. Er griff in seinen Regenmantel, fluchte kurz, weil seine Frau sich ängstlich daran fest klammerte und zog eine Taschenlampe hervor. Schüttelnd versuchte er sie in Gang zu setzen. Dabei blickte er nervös vor sich in die Dunkelheit, während ein entferntes Wetterleuchten für Sekundenbruchteile das Feld vor ihm erhellte. Erschrocken blieb er stehen.
Er erkannte eine lange Furche, die wie ein Hinweisschild auf ein Objekt deutete, das nicht weit entfernt wie ein achtlos weggeworfener Reitstiefel auf dem Acker lag und sofort wieder in der Dunkelheit verschwand. Fast kam es Peter so vor, als hätte jemand nur kurz das Licht in einem dunklen Raum an und wieder ausgemacht.
Die Taschenlampe funktionierte endlich und Peter kämpfte sich ängstlich aber dennoch entschlossen weiter durch den Matsch. Im Lichtkegel der Taschenlampe fiel dichter Regen, silbrig glitzernden Perlenschnüre gleich zu Boden.
Tatsächlich! Ein Flugzeug. Es lag halb eingesunken im nassen Erdreich, hatte blaue Flügelspitzen und eine rot lackierte Schnauze, die über und über mit Dreck bespritzt war. Dazu zog sich ein breiter, roter Balken den Rumpf entlang. Hinter den abgeknickten Propellerblättern stieg wirbelnd schwarzer Rauch empor. Ein Flügel lag abgerissen neben dem Rumpf. Kein Feuer. Was nicht verwunderte, bei diesem Regen.
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