Mit rüstigen Schritten, ohne weiter ein Wort laut werden zu lassen, stieg der Ältere jetzt voran, und Thomson, wohl einsehend, dass der erfahrenere Kamerad Recht habe, folgte, dann und wann nur, wenn er gerade auf einen recht spitzigen Stein getreten war, seinen Schmerz mit einem halb unterdrückten Fluch beschwichtigend.
Eine kleine Stunde mochten sie so langsam fortgestiegen sein, der Mond goss freundlich vom hohen Himmel herab sein silbernes Licht durch den Wald, als Preston anhielt und, nach vorn deutend, seinem Kameraden zuflüsterte, dass dort das Schilfdickicht sei und er den Klang eines Glöckchens zu hören glaube. Klar und deutlich drang auch jetzt der feine, reine Ton einiger kleiner Schellen durch die Nacht, und die Männer hielten, um sich über ihr weiteres Vorschreiten zu beraten.
„Sind sie denn auf der rechten oder linken Seite des Flusses?“, fragte Thomson leise seinen Kameraden, der aufmerksam dem Schall der Glocken horchte, um zu wissen, wie viel Tiere sie diesmal mit sich führten.
„An der rechten“, flüsterte Preston zurück, „wenigstens gingen jedes Mal an dieser ihre Fußspuren hinauf; aber“, unterbrach er sich, „horch doch einmal, wie viele Glocken Du hörst – das bimmelt ja untereinander herum, als wenn es fünf oder sechs wären.“
Mit gespannter Aufmerksamkeit lauschten jetzt beide dem vermischten Klange, der aus dem Tal zu ihnen heraufdrang, bis Thomson endlich das Schweigen brach und leise vor sich hinmurmelte, dass er v i e r verschiedene Glocken gewiss höre.
„Und mir ist’s, als wären’s fünf“, erwiderte eben so leise Preston. – „Nun, zum Teufel, so lass es zehn sein!“, entgegnete unmutig Thomson. „Wir sind einmal hier, und auf ein paar Spanier mehr oder weniger wird es jetzt auch nicht ankommen; wir stehen hier auf Onkel Sams 19eigenem Grund und Boden, und haben die Fremden, im Fall sie uns entdecken sollten, böse Absichten, nun, so mögen sie sich’s selber zurechnen, wenn wir mit unserem Blei freigebig sind. – Aber was hast Du denn da?“, fragte er, sich unterbrechend, seinen Kameraden, der sich dicht niederbog und den Boden genau zu untersuchen schien.
„Eine Spur, so wahr ich lebe, und von einem beschuhten Fuß!“, rief Preston. „Sie müssen hier hinauf gegangen sein.“
„Pst“, flüsterte Thomson, seinen Arm ergreifend und festhaltend, „ich höre Schritte.“
In gespannter Erwartung horchten beide jetzt auf, und deutlich und immer näher kommend klang das Geräusch eines langsam bergan steigenden Mannes zu ihnen her. Lautlos schmiegten sie sich an die Erde, auf der sie standen, hinter einige zerstreut umherliegende Felsstücke, und erwarteten die Gestalt, die, in einen braunen, langen Mantel gehüllt, den Kopf mit einem breiträndigen schwarzen Filzhut bedeckt, langsam die Terrasse, an deren Rand die zwei Jäger lagen, erklomm, dort stehen blieb, sich etwa fünf Minuten lang vorsichtig umschaute, nach allen Himmelsrichtungen hinhorchte, und dann einen leisen, aber vernehmlichen Ruf, den Ton der Eule nachahmend, dreimal ertönen ließ.
Er wurde einmal aus dem Rohrdickicht heraus beantwortet, und darauf war alles wohl eine halbe Stunde lang still wie im Grabe; dann scholl derselbe Ruf wieder aus dem Tal herauf. Die Schildwache, denn etwas anderes konnte die hoch aufgerichtete, dunkle Gestalt, die, an einem Stamm lehnend, dem geringsten Laut zu horchen schien, nicht sein, antwortete wie das vorige Mal, stieg dann den Weg, den sie gekommen, wieder hinunter, und nach wenigen Minuten, als ihre Schritte in der Entfernung verhallt waren, lag die ganze Gegend so einsam und verlassen, als ob sie noch nie von einem menschlichen Fuß entweiht worden wäre.
Wohl noch eine Viertelstunde blieben die beiden Männer in ihrem Versteck, dann aber, als alles sicher zu sein schien und sie glauben konnten, dass sich die Fremden wieder entfernt hätten, hob Thomson den Kopf, schaute einen Augenblick in das von dem jetzt hoch stehenden Monde erhellte Tal, und wandte sich gegen seinen älteren Kameraden, der indessen ebenfalls aufgestanden war und wiederum nach dem Schloss seiner Büchse schaute, ob durch das Niederlegen des Gewehrs das Pulver nicht von der Pfanne gefallen sei.
„Nun, Preston, was hältst Du von der Erscheinung? – Mir gefiel sie gar nicht; ich hatte einmal große Lust vorzuspringen und dem langen Burschen das Messer in die Kehle zu stoßen – es wäre einer weniger gewesen!“
„Das würde so unbesonnen als töricht gewesen sein“, entgegnete mit halb unterdrückter Stimme der Angeredete, „und hätte unseren ganzen Plan nicht allein verderben, sondern uns auch der Rache sämtlicher brauner Schurken preisgeben können. Nein – mir ist es jetzt klar geworden – die Burschen müssen mit ihrer Beute im Tal herabkommen, und zwar im felsigen Bett des Bergstroms selbst, sonst hätte ich in früheren Jahren ihre Spuren gefunden, und dieser lange Gesell war nur hier oben aufgestellt, um sie vor irgend einer Überraschung von unten her zu sichern, während sie indessen ihre Last zum Sammelplatz brachten, um dort nachher alles bequem aufladen zu können. Wir haben aber jetzt keine Zeit mehr zu verlieren, denn wer weiß, ob sie den Weg noch mehr als einmal machen, und finden wir sie nicht beim Graben beschäftigt, so dass ich mir den Platz genau merken kann, so hilft unser ganzer Zug nichts.“
„Sie können aber doch unmöglich all‘ das beste Erz in der Nacht finden, und werden sicher ihre Arbeit noch nach Tagesanbruch fortsetzen“, antwortete Thomson.
„Was sie am gestrigen Tage erbeutet haben, schaffen sie jetzt in Sicherheit und vernichten wieder alle Spuren, die sie hinterlassen könnten“, entgegnete Preston, „nein, nein, auf Tagesanbruch dürfen wir nicht warten, überdies scheint es, als ob sie Verrat ahnten, was der Posten zur Genüge beweist. Komm also ins Tal hinunter, wir schleichen durch den Schilfbruch, wo sie schwerlich eine Wache zurückgelassen haben, und folgen leise dem Lauf des Flusses. Finden wir sie bei der Mine beschäftigt, so merken wir uns den Platz und entfernen uns wieder so schnell und leise als möglich, denn ich vermute nicht ohne Grund, dass sie diesmal in stärkerer Anzahl als gewöhnlich da sind. Lass sie dann, was sie gesammelt haben, mit fortnehmen – wenn sie das nächste Jahr wieder kommen, sollen sie’s schwerer finden, ihre ledernen Felleisen zu füllen, als bisher, das Silber müsste denn haufenweis in den Bergen vorkommen.“
Die Jäger stiegen jetzt vorsichtig in das enge Flusstal hinab, und krochen, Schlangen gleich, in den nicht sehr dicht stehenden kleinen Schilfbruch hinein, aufmerksam dabei auf das Geringste achtend, was ihnen Gefahr oder Entdeckung drohen konnte. Aber keine Wache war bei den Maultieren, die ruhig weideten und die Anschleichenden gar nicht zu beachten schienen, zurückgelassen, und hoch aufatmend erreichten sie wieder den offenen Wald oberhalb des Schilfs, wo Preston schnell weiter eilen wollte, als ihn Thomson am Arme hielt und frug, ob sie nicht lieber das Silber erst aufsuchen sollten, was die Spanier schon irgendwo hierher getragen haben.
„Geh zum Henker mit Deiner Torheit!“, entgegnete mürrisch Preston. „Nicht wahr, die Zeit hier mit Kinderspielen versäumen, um eine Sache aufzufinden, die wir nicht einmal anrühren dürfen, ohne augenblicklich Entdeckung fürchten zu müssen. – Komm, komm, wir können jeden Augenblick den wieder zurückkehrenden Schuften begegnen, und es wäre doch zu wünschen, dass wir sie eher hörten, ehe sie von unserer Nähe eine Ahnung hätten.“
Mit diesen Worten machte er sich von Thomsons Hand los und glitt mit unhörbarem Schritt über die runden, glatten Kiesel des Flussbettes, von seinem Kameraden ebenso geräuschlos gefolgt, wie zwei den Gräbern entstiegende dunkle Schatten der Unterwelt.
Wohl eine Weile mochten sie ungestört und ununterbrochen ihren Weg fortgesetzt haben, ohne auch nur das Geringste zu vernehmen, was die Nähe lebendiger Wesen hätte verraten können, als sie plötzlich, dicht vor sich, Stimmen hörten, und kaum noch Zeit behielten, sich in den Schatten einer umgestürzten Platane zu werfen, ehe fünf dunkle Gestalten, mit kleinen Säcken auf den Rücken, die übrigens, dem gebückten Gehen der Männer nach zu urteilen, ein bedeutendes Gewicht haben mussten, ihnen gerade entgegen kamen und lautlos, von einem großen Stein auf den anderen tretend, dem Schilfbruch zuwanderten. Als sie nur noch wenige Schritte von dem Versteck der Jäger entfernt waren, blieb der Führer stehen und richtete einige Worte in spanischer Sprache an die ihm Folgenden; gleich darauf aber setzte er wieder seinen Weg fort und war bald mit seinen Begleitern an einer Biegung des Hurricane hinter einer Felsecke verschwunden.
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