Pit K
Semester of Love
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Inhaltsverzeichnis
Titel Pit K Semester of Love Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1 Auf ein Neues
Kapitel 2 Graue Herbsttage
Kapitel 3 Proll ist toll
Kapitel 4 Schwere Prüfungen
Kapitel 5 Urlaubstage und neue Feinde
Kapitel 6 Kann es Liebe sein
Kapitel 7 Gute Zeiten und schlechte Zeiten
Kapitel 8 Am Ende ist immer Alles ganz anders
Impressum neobooks
Die folgende Geschichte handelt von einem banalen Stoff, nämlich dem Leben, und zwar von meinem. Mein Name ist Till, wobei ich meinen Nachnamen für mich behalten möchte. Ich möchte erzählen von den letzten Monaten und Tagen meines Studiums, wie ich zum akademischen Führungsnachwuchs wurde und mich ins Berufsleben stürzte. Manch einer wird sich fragen, was daran Besonderes ist. - Viele werden sich an eigene Erlebnisse erinnert fühlen, die schon längst verdrängt worden sind, andere werden mit Spannung verfolgen, was auf sie zukommen könnte, und vielleicht werden sich einige wiedererkennen. Es handelt sich um eine lustige Geschichte, die eigentlich gar nicht lustig ist. Es geht um lästige Dinge wie Prüfungen und Bewerbungsverfahren, aber auch um so faszinierende wie die große und manchmal doch nicht so große Liebe, um Erfolge und oft auch um Misserfolge. Kurz gesagt: Es geht um alles, was im Leben wichtig ist.
Meine Geschichte beginnt Mitte der 90iger Jahre an einem grauen Oktobertag. Ich bin VWL-Student der ehrwürdigen Universität in Münster. Es war der erste Vorlesungstag von dem Semester, das mein letztes werden sollte. Es war ein richtiger Scheißtag und dieses nicht nur wegen des Wetters. Vormittags hatte ich gearbeitet, leider wieder mal viel zu lange, so dass ich zu spät an der Uni erschien. Mir war mehr nach einer Dusche als nach einer Vorlesung zumute, aber solange sich niemand über mein nicht dem Klischee des dynamischen Wiwis (Wirtschaftswissenschaftlers) entsprechenden Outfits beschwerte, sollte mir das egal sein. Glücklicherweise beschwerte sich tatsächlich niemand, zumal in der Reihe vor mir Michaela Assmann saß. Obwohl ich froh war, einen Sitzplatz ergattert zu haben, saß ich nicht zufällig hinter ihr. Leider konnte ich ihre braunen Locken nur von hinten betrachten, lieber hätte ich direkt in ihre hübschen Kulleraugen geschaut. Dies tat der Kommilitone Steinhoff, der obendrein ein Fisherman’s angeboten bekam. Mir schenkte sie ihr Lächeln, man hatte sich ja lange nicht mehr gesehen.
Nun folgte eine höhepunktlose Stunde. Außer mehrfacher Aufforderung aus der Reihe vor mir, mich nicht zu laut mit meinem Nachbarn zu unterhalten, dem ich in meinen ersten acht Semestern nie zuvor begegnet war (jedenfalls dachte ich das - Stichwort: Massenuni, Anonymität, Entfremdung...), passierte eine Sache, die mich äußerst skeptisch werden ließ. Meine beiden Kritiker auf den Plätzen vor mir tauschten rege bisher kopiertes und vorbereitetes Material bezüglich des Examens aus. Meine Nachdenklichkeit erklärte sich daraus, dass ich weder genau wusste, welche offensichtlich hochwichtigen Unterlagen das waren, geschweige denn, dass ich selbst irgendwelche eigenen zusammengetragen hatte. Mein dato vorhandener Anstand verbot mir außerdem, mich näher kundig zu machen. Der eigentümliche Klang der eben erhaltenen Tadel war allzu präsent.
So kam in mir die bange Frage auf, ob ich denn eine Chance hätte, das große Finale zu schaffen. Man hörte soviel von Leuten, die trotz größter Bemühungen den Anforderungen nicht gewachsen waren. Von fünf überdimensionalen Klausuren wurde berichtet. Diese waren nur über zwei Termine verteilt zu bezwingen (außer natürlich für Genies). Die vielen Nichtbezwinger der ersten Runde hatten eine Strafrunde in Form mündlicher Ergänzungsprüfungen zu absolvieren. Was sollte dabei aus jemandem wie mir werden, der es nicht einmal nötig hatte, sich in seinen Semesterferien vorzubereiten? - Angst kam in mir hoch. Allerdings nur für kurze Zeit, da der vorne stehende, im Laufe der Zeit etwas grauhaarig gewordene Entertainer das Einsehen hatte und seine vermutlich die Wissenschaft revolutionierenden Ausführungen beendete, die mir wieder mal fremd geblieben waren.
Auf jeden Fall hatte ich nun wichtigere Dinge zu tun als mir Sorgen über weit in der Ferne liegende Prüfungen zu machen. Einmal war da der mir im Moment recht angenehme Kommilitone Christoph Mattern aus der Weite des Hörsaales erschienen, mit dem ein Smalltalk zu halten war. Ich spekulierte nämlich auf dessen Kooperationsbereitschaft bei weiteren Examensangelegenheiten. Zum anderen hielt ich es für notwendig, nach einer gewissen Anja Ausschau zu halten, die ich einige Tage vorher auf einem Sektempfang kennengelernt hatte und von der ich lediglich wusste, außer dass sie sehr hübsch war, dass sie sich in ihrem Wagemut ebenfalls im Schlussakt befand. Leider war keine Anja auszumachen, dafür mit Christoph eine Tasse Kaffee bei Bölling zu trinken, dem monopolistischen Bäcker vor unserem Hörsaalgebäude. Im Mittelpunkt des Kaffeeklatsches standen die unwesentlicheren Geschehnisse der letzten Wochen, deren Pseudowichtigkeit so wichtig war, dass sie erneute Verspätung im nächsten Seminar legitimierte.
So begab es sich, dass der begehrte Platz neben Michaela Assmann wieder belegt war. Zwischen ihr und mir machte sich eine Bettina breit, die ich nur mit Vornamen kannte. Diese war recht klein, hatte kurze, rote Haare und richtig blaue Augen, und ihr Gesicht war mit den typischen Sommersprossen überzogen. Eigentlich sah sie recht knuffelig aus, war mir aber vorher nie sonderlich aufgefallen, weil sie ebenso unscheinbar wie klein war. Zu meiner Überraschung drückte sie mir, den sie für eine Arbeitsgemeinschaft auserkoren hatte, eine rosa Karteikarte mit ihrer Adresse in die Hand. Ich hatte auf eine Zusammenarbeit mit Michaela gehofft, musste jedoch vernehmen, dass sie das betreffende Fach (öffentliche Verwaltung, abgekürzt ÖV) erst im Sommersemester schreiben wollte. So beugte ich mich meinem Schicksal und willigte in eine Zusammenarbeit mit Bettina Claas ein, wie mir die eben erhaltene Karte verriet.
Zum Seminar war zu sagen, dass ein gewisser Dr. Fecht die Leitung innehatte. Gerüchten zu Folge handelte es sich bei diesem um einen der vielversprechendsten Mitarbeiter des Lehrstuhles für Verkehrswissenschaften, wenn nicht der gesamten Fakultät. Von seinem Charme, jedenfalls wie er ihn im besagten Seminar darbot, war leider nicht auf diese fachlichen Qualitäten zu schließen. Unter herablassenden Bemerkungen über Wissensstand, Motivation und allerlei mehr der Studentenschaft wurden Gruppen für die Bearbeitung einzelner Fallstudien formiert. Es war zu erfahren: "Wer sich nicht bereit erklärt, hier mitzuarbeiten, hat nichts in diesem Seminar verloren und eigentlich auch nichts im Examen."
...und eigentlich nichts an der Universität, welch Wunder, dass ein solcher überhaupt die Anmeldung geschafft hatte! Die Würfel warfen mich glücklicherweise mit Christoph Mattern und Volker Steinhoff zusammen. Anschließend bekamen wir einen weiteren Mitstreiter, Martin Haim, der, wie Volker, im ersten Termin steckte. Zu unserer faszinierenden Aufgabe wurde es, sich in den nächsten Wochen mit den evolutionistischen Verfassungstheorien der beiden Nobelpreisträger van Hayek und Buchanan auseinanderzusetzen. Immer wieder was Neues!
Alles in allem war somit dieser Tag vom studentischen Standpunkt her erfolgreich geworden. Ohne eigenes Engagement zu entwickeln, war ich in zwei Arbeitsgemeinschaften gerutscht. Darüber hinaus war es mir gelungen, zwei von fünf der relevanten Literaturlisten meiner drei zu schreibenden Klausuren in die Hände zu bekommen. Diese Erfolge waren Grund genug, mir zu erlauben, ein weiteres Mal bei Bölling einzukehren, wobei diesmal der Kaffee gegen ein Bier getauscht wurde. Der Nachmittag war ja schon weit fortgeschritten.
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