1 ...6 7 8 10 11 12 ...33 „Genau das!“ Der Direktor ließ sich daraufhin anstandslos in einen etwas angestaubten Sessel mit grünbraunem Streifenmuster fallen und ließ ein Ächzen hören.
„Aber wie kann das sein?“, der Herzog hatte nicht die leiseste Ahnung, wie so etwas geschehen konnte. „Ist dies vielleicht Eure Schuld? Möglicherweise treibt ein goldvertilgender Parasit in Euren Räumlichkeiten sein Unwesen?“ Gosbert bildete sich ein von so einem Geschöpf schon einmal in Dr. Brehmers Tierleben gelesen zu haben.
„Ach was!“ Fast zornig wischte der Bankier diese Unterstellung von Seiten des Herzogs beiseite. „Wenn ich mich nicht irre, dann kam besagtes Vermögen doch direkt aus Hallgard, dem Amtssitz eures verehrten Schwiegersohnes, Durchlaucht?“
„Nun, da irrt ihr nicht, genau so ist es“, überlegte Gosbert. „Wie ihr wisst, greift mir der gute Bodo manchmal etwas unter die Arme. Ihr wisst es ja am besten, die Zeiten sind schlecht. Früher, ja, früher…..“
Direktor Hurmel wartete noch eine geschlagene Minute ab, doch allem Anschein nach wollte seiner Durchlaucht nichts mehr an Ausreden, sein heruntergewirtschaftetes Staatsgebilde betreffend, hinzufügen.
„Und in Hallgard gehen seit einiger Zeit merkwürdige Dinge vor sich“ sagte dann Hurmel, „Zauberer, Alchimisten, Magier, zwielichtige Gauner, die die Finanzmärkte mit selbstgebrauter Währung in große Gefahr bringen könnten, wenn denn so ein Unsinn wie die Verwandlung von schnödem Metall in Gold überhaupt möglich wäre!? Was ich allerdings als Unfug ansehen muss!“
„Aber Direktor, Ihr vermutet also hier finstere Mächte im Spiel?“ Darüber musste Gosbert erst einmal eine Weile nachdenken. „Wie sollte so etwas denn möglich sein?“
„Das kann ich Euch auch nicht beantworten, aber vielleicht haben es die Alchimisten, die im Dienste Hallgards stehen, doch tatsächlich fertiggebracht, Gold herzustellen, oder zumindest etwas, das eine Zeitlang so aussieht wie Gold. Obwohl wie ich gestehen muss, es von Anfang an schon irgendwie etwas fischig gerochen hat!“
„Fischig?“, fragte nun Gosbert zögerlich. „Ihr wisst ja wohl, dass in diesem Monat, der ja auch ein 'R' beinhaltet, der Genuss dieser Tiere strengstens untersagt ist!“, die Stimme des Herzogs war nur noch als Flüstern wahrzunehmen. Er wusste nie so ganz genau, wo sich seine Gattin gerade befand. Elspeth hatte diese fast schon unheimliche Fähigkeit ganz plötzlich, wie aus heiterem Himmel, einfach aufzutauchen.
„Verbote, hin oder her!“, meinte der Bankier daraufhin, der im Grunde diese ganzen Auflagen der reformierten Kirche für bloßen Unfug hielt, und sich so wenig wie möglich danach richtete. Freilich sündigte er nur hinter geschlossenen Türen und Fenstern oder er begab sich zu gewissen Anlässen bis an die Landesgrenzen, um es sich einmal gutgehen zu lassen. Schließlich war Hurmel nicht von Geburt an Kopoksianer und fühlte sich daher auch nicht an all die merkwürdigen Regeln in diesem Landesteil gebunden.
„Ich denke, es ist wohl ebenso verboten falsches Gold unter die Leute zu bringen“, fuhr der Bankier jetzt fort. „Und, was noch schlimmer ist, ich habe einige der Barren schon zu Münzen verarbeiten lassen, Herzog! Die noch dazu Euer edles Bildnis tragen!“
„Und Ihr habt damit etwa ausstehende Rechnungen beglichen?“ Erneut fuhr der Schrecken Gosbert durch den ganzen Körper, „Aber das ist ja eine Katastrophe!“
„Nun die Vereinigte Lokomotive wird nicht gerade begeistert sein, wenn die Münzen, mit denen ich die ausstehenden Schulden bezahlt habe, sich ebenso wie die restlichen Barren, in zähen, zum Himmel stinkenden Schleim verwandelt haben.“
Gosbert brach jetzt innerlich endgültig zusammen. Ausgerechnet noch die Vereinigte Lokomotive. Mit dem Direktorium dieser Firma hatte er schon seit Jahren immer wieder die größten Schwierigkeiten gehabt. Am Ende würden sie doch noch den Gerichtsvollzieher in Kopoks vorbeischicken, obwohl es Gosbert ein Rätsel war, wie dieser, die kleine Eisenbahn, die Kopoks Tag für Tag umrundete, pfänden würde sollen. Dies war das einzige der vielen Steckenpferde aus Gosberts Jugendjahren, das bei seiner gestrengen Gattin noch kein Missfallen erregt hatte. Er hatte ihr gegenüber immer behauptet, die Bahn wäre unbedingt nötig zum Transport von Gütern und Gerätschaften für den Gartenbau. Ohne diese technische Errungenschaft, könnte das Fürstentum in diesen modernen Zeiten unmöglich bestehen. Die Lokomotive fuhr die vernachlässigten Streuobstwiesen von Kopoks an, verband die Vororte der Stadt miteinander, und wagte sich auch hinaus zu den alten Erzmienen, die jedoch kaum mehr Erträge erzielten. Herzog Gosbert liebte seine kleine Eisenbahn. Als er ein kleiner Junge gewesen war, gerade als die ersten Loks am Rande der Hauptstadt unter Dampf gesetzt worden waren, war es sein innigster Wunsch Lokomotivführer zu werden. Mit rußgeschwärztem Gesicht eine solche mächtige Maschine zu bedienen und über den Kontinent zu bewegen, hiervon hatte der kleine Gosbert lange, lange Zeit geträumt.
Doch was sollte man machen, wenn man zum Herrscher über ein Fürstentum geboren war? Dem Herzog war bald klar geworden, dass dies immer ein Traum würde bleiben müssen. Nur manchmal, wenn er sich von seinen vielen Regierungspflichten freimachen konnte, Grützling war ihm hierbei immer eine große Hilfe, begab er sich inkognito hinunter an den kleinen Bahnhof, bestieg die Größere der beiden Dampfloks, die im Übrigen immer noch nicht vollständig abbezahlt waren, und fuhr ein, zwei Stündchen mit dem Lokführer Willi übers Land. Willi war eingeweiht und ließ sich in keinster Weise anmerken, wen er da in seinem Führerhaus beförderte.
„Was soll ich nur tun, Hurmel?“, fragte jetzt Gosbert den Bankier, der mit einiger Befriedigung die Aufgeregtheit des Herzogs wahrgenommen hatte.
„Tja, vielleicht ..., “, begann Hurmel und lehnte sich fast schon lässig in seinem Sessel zurück. Es war schon merkwürdig, wenn man jemanden vor sich hatte, der gerade dabei war, vollständig den Kopf zu verlieren, wurde man dadurch auf seltsame Weise selbst immer ruhiger. „Vielleicht solltet Ihr euch zuallererst einmal Klarheit über die Absichten Eures werten Schwiegersohnes verschaffen, Mylord.“
„Ja, da mögt Ihr recht haben, Hurmel!“ Der Herzog war hinüber zum Fenster gegangen, lehnte sich hinaus und blickte hinunter in den Burggraben, dann vernahm er das lustige Pfeifen der Lokomotive, die unermüdlich in Richtung Westen vor sich hin tuckerte. „Ich werde eine Abordnung schicken. Und wenn Bodo wirklich dahinterstecken sollte, wird er mir diesen Verlust eben mit anderen Mitteln wieder ausgleichen müssen!“
„Tut das, aber Eile tut not, befürchte ich!“, meinte der Direktor und erhob sich dann. „Ich werde mein Möglichstes tun, um Euch die 'Vereinigte Lok, Dampf und Wasserwerke' noch eine Weile vom Hals zu halten!“
„Da wäre ich Euch äußerst dankbar, Hurmel!“
Nachdem ihn der Direktor des Kreditinstituts alleingelassen hatte, grübelte Gosbert einige Stunden vor sich hin und bestellte dann das Faktotum Grützling zu sich. Nachdem er ihn über die Umstände aufgeklärt hatte, wies der Herzog seinen Kammerdiener an, sich ein paar vertrauenswürdige Männer zu schnappen, die sich gegen etwaige Strauchdiebe zur Wehr würden setzen können, und die Reise nach Hallgard anzutreten. Gosbert konnte sich keinen diplomatischeren Menschen vorstellen als den guten Grützling, auch wenn er ihn hier in Kopoks dringend benötigte, so fiel ihm doch niemand anderes ein, dem er ein solches Vertrauen entgegenbrachte. Er sollte sich zuallererst an Priscilla wenden, die würde hoffentlich diese lästige Geschichte doch noch zu einem guten Ende bringen.
Kapitel 2 Lucy und eine denkwürdige Begegnung
Lukretia Müllerschön hatte ihren Namen schon immer aus tiefstem Herzen verabscheut. Ihr Familienname erschien ihr viel zu normal; sie fühlte sich keineswegs wie eine schöne Müllerin, die in irgendeinem Kitschroman aus vergangenen Zeiten vorkommen mochte. Sie hatte immer das Bild aus einem dieser altmodischen Heimatfilme vor Augen, wenn sie über die Bedeutung ihres Nachnamens sinnierte. Sommer, eine Wassermühle an einem fröhlich dahinplätschernden Bächlein, grüne Wiesen, am Horizont die schneebedeckten Kuppen der Alpen. Ein blondbezopftes Mägdelein tritt aus der Türe, in der Hand einen kleinen Weidenkorb. Dann eine Windbö. Das Mädchen knüpft sich ein rotkariertes Kopftuch um das Haupthaar und hüpft dann lustig vor sich hinträllernd den Feldweg entlang. Ja, so einer Person mochte ein solcher Name wohl anstehen, dachte Lukretia.
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