Torsten Marold - Der Fernseher
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So wie es oft im Leben spielt, beginnt ein großes Unheil mit einem Kleinen.
So auch an einem wunderschönen Frühlingstag im Mai bei uns.
Das Chaos brach in unserer Familie aus, als eines Abends unser Fernseher – ich habe seine Tage nicht gezählt – seinen elektrischen oder zumindest nipkowschen Geist aufgab. Noch waren wir uns der verheerenden Folgen dieses Ereignisses nicht bewusst. Wähnten wir uns doch an jenem Abend in einem neuen, für unsere Epoche einzigartigen Frieden. Ein Leben ohne Glotze, Flimmerkiste, Sesselkino, schien uns fast wie ein Geschenk.
Am nächsten Tag verblasste die abendliche Euphorie jedoch sogleich im Angesicht unserer drei Kinder. Die Entscheidung des Familienvorstands, bestehend aus meiner Frau und mir, stieß bei unseren Kindern einhellig auf den schärfsten Protest. Schnell wurde uns bewusst, dass wir uns dem Diktat des Pöbels beugen müssten oder aber einer Sippenrevolution erster Güte entgegen gingen.
Kurzum wurde die ganze Familie in unseren Großraumwagen befördert und zum nächsten – nein, eben nicht – Rundfunk- und Fernsehfachgeschäft kutschiert. Denn wie ich mit einem pfiffigen und geistesgegenwärtigen Blick in die «Gelben Seiten» schnell feststellte, gab es diese in der neuzeitlichen Konsumlandschaft nicht mehr.
Statt der mir vom letzten Erwerb eines Televisionsgerätes bekannten Fachhändler, mit einem Flair familiären Ambientes, gab es nur noch Großraumsupermarktfachfilialen in Plattenbauweise.