noch, und sie erkannte ihn an seinem weißen Kittel.
Da hört das Läuten auf – und in dem Augenblick
kommt der Teufel, wie ein Sturmwind ihr nachgefahren,
packt sie am Haare, wie sie gerade die Kirchthüre
in die Hand nehmen will, und sagt: »Es hilft dir
nichts, Lisbeth! Hättest du das Geschrei nicht ge-
macht bei dem Pfaffen, so hättest du immer noch eine
Weile gute Tage haben können, – jetzt aber ist's aus.
Vor einer Stunde habe ich den Herrn geholt, jetzt hole
ich die Magd. Aber die Kirche sollst du dir noch einmal
ansehen!« Wie er das sagt, fährt er mit ihr in die
Höhe und schwenkt sie bei den Haaren dreimal um
den Kirchthurm herum. Das Lisbethchen aber fängt
an zu beten: »Herr Jesu, dir leb' ich! Herr Jesu dir
sterb' ich.« Da muß der Teufel sie auf die Erde niedersetzen;
wie er's aber gethan, fällt das Mädchen um
und ist todt.
Den Staudersjörg haben die Henkersknechte abgeschnitten
und auf dem Schinderskarren hinausgeführt
auf den Hexenbrand und dort eingescharrt. Für das
Lisbethchen aber hat der Pfarrer gebeten, und so
haben sie's ehrlich begraben. Seine Mutter ist bald
nach ihm auch gestorben, und sein Vater ist weggezogen.
Man soll an unserm Herrgott nicht irre werden –
am allerwenigsten, wenn Einem ein Bösewicht bange
machen will.
294. Das Glöckchen der Stromfei.
Von L u d w i g K ö h l e r . – Deutsches Museum v. L.
B e c h s t e i n II., 194.
Das war der Graf von Klingenberg,
Der zog zum heil'gen Krieg.
Er sprach zu seiner Frauen:
»Ade, woll' Gott vertrauen
Und unsrer Jungfrau gnadenreich,
Die gibt uns schönen Sieg!«
Ein silbern Glöcklein gab er ihr.
»Nimm's in dein Kämmerlein;
So lang es stumm wird hangen,
Darfst du um mich nicht bangen,
Doch wenn es einstens läuten wird,
Werd' ich gestorben sein.
Und wenn du mir die Treue brichst,
Das Glöcklein sagt dir's an!
Ich starb zur selben Stunde
An tiefer Herzenswunde;
Das Glöcklein hat die Stromesfei
Geschenkt einst meinem Ahn!«
Die Fraue schwur ihm ew'ge Treu
Mit Herz und Hand und Mund
Der Graf zog drauf von dannen
Und Jahr' um Jahre rannen
Und aus dem Morgenlande kam
Noch immer keine Kund.
Es war ein junger Rittersmann
In Lieb zu ihr entbrannt,
Er sprach: »o Fraue minniglich,
Ich lieb' Euch so herzinniglich,
Mehr wohl als Euer Ehgemahl
Im fernen Morgenland!«
Ein artig Mährchen sann er Euch
Mit seinem Glöcklein aus,
Es wird wohl nie erklingen
Und von des Todes Schwingen
Ereilt, schläft er den langen Schlaf
Wohl längst im Grabeshaus.
Die Gräfin fühlte sich bestrickt
Von seiner Augen Strahl,
Er klopft' mit süßen Worten
An ihres Herzens Pforten
So lang, bis sie die Treue brach
Dem fernen Ehgemahl.
Und als die Treu gebrochen war,
Griff er zum Glöcklein schnell.
»Laßt uns das Angedenken
Im tiefen Main versenken!«
Horch, Wunder! da erklangen draus
Drei Schläge silberhell.
Da ward der schönen Sünderin
Zu Eis das warme Blut,
Sie sprang in lautem Jammer
Aus der entweihten Kammer
Hinauf zur höchsten Thurmeszinn'
Und stürzt sich in die Fluth.
Der Ritter stand wie Marmor bleich
Und schaudernd er entwich,
Als Mönch mit nackten Füßen
Die schwere Schuld zu büßen. –
Zur selben Stund' im Morgenland
Graf K l i n g e n b e r g erblich.
295. Die Kapelle im Haßlocher Thal.
L. B r a u n f e l s Mainufer S. 301.
Nicht weit von Wertheim am rechten Ufer des Maines
liegt das Dorf H a ß l o c h in einem reizenden Thale
an der Mündung des Hasselbaches. Verfolgt man das
Thal der Hassel aufwärts, so kömmt man an eine verfallene
Kapelle, die der Wertheimer Graf J o h a n n
m i t d e m B a r t e erbaut haben soll. Johann liebte
das Jagdvergnügen so leidenschaftlich, daß er sogar
den Tag des Herrn mit dem wilden Treiben des
Waidwerkes entheiligte. Selbst am Osterfeste ließ er
nicht ab davon; da sprang ein weißer Hirsch vor ihm
auf und lockte den verfolgenden Jägersmann immer
weiter und tiefer in den dichten Wald. Es wurde
Nacht; der Graf sank schier verschmachtend zur Erde.
Da gedachte er sehnsüchtig seiner lieben, frommen
Hausfrau, die ihn oft so flehentlich gewarnt vor dem
gottlosen Uebermaaß der Jagdlust. Und plötzlich, wie
innige Reue in ihm erwachte, hörte er neben sich ein
Brünnlein rauschen; und als er gelabt und gestärkt
nun weiter schritt, schallte ein Glöcklein vor ihm,
immer vor ihm her, bis ihn der fromme Klang wieder
auf seine Burg heimführte. Zum Dank für die wunderbare
Errettung baute der Graf an der Stätte, wo ihm
die Quelle geflossen, diese kleine Kapelle.
296. Die Frau Hulle.
A . v . H e r r l e i n S. 197.
Auf dem Schellenberge zwischen Haimbuchenthal
und Wintersbach stand vor Zeiten ein Schloß, und im
Schloßhof ein Lindenbaum. Der war sehr groß und
schön und es ging die Sage, so lange der Lindenbaum
stehe und grün sei, werde das Schloß auch stehen,
wenn er aber dürr und abgängig würde, würde das
Schloß verfallen und die Herrenleute würden in's Abwesen
gerathen.
In dem Schloß nun lebte einmal ein Schloßherr, der
hatte zwei Söhne. Der älteste war sehr groß und
schön, der jüngste aber war klein und häßlich. In seiner
Jugend hatte er einmal das Bein gebrochen, und
man nannte ihn darum nur den krummen Jakob. Wie
nun der Schloßherr sein Ende nahe fühlte, ließ er sie
beide vor sein Bett kommen, übergab dem Einen das
Schloß, als dem Erstgeborenen, und eine große Kiste
mit Geld und ermahnte ihn, den Jakob bei sich zu behalten,
Zeitlebens ihm brüderlich zu begegnen und an
nichts es ihm fehlen zu lassen. Das versprach nun der
Aelteste mit Hand und Mund, wie aber der Vater gestorben
war und er das Schloß überkommen hatte,
hielt er's nicht, vielmehr behandelte er den Bruder
schlechter, als den geringsten Taglöhner. Er ließ ihn
nicht mit sich am Tische essen und nicht in seinem
Schlosse wohnen, sondern er mußte im Stall bei den
Pferden schlafen und mit den Hunden aus einer
Schüssel essen. Da ging der Jakob, als er sah, daß der
Bruder kein brüderliches Herz gegen ihn habe, eines
Tages zu ihm und verlangte sein Erbe, denn er wollte
sein Glück weiter suchen; der Schloßherr aber gab
ihm nichts, sondern schlug ihn und ließ ihn zum
Schloß hinauswerfen.
Also geht der krumme Jakob traurig fort in den
Wald, immer zu, Berg auf Berg ab, und wie er in's
Thal kommt, wo heutzutage die Karthause steht und
die alte verfallene Kirche, ist's Abends, und er setzt
sich unter einen Baum, legt den Kopf in die Hände
und weint bitterlich. Wie er wieder aufstehen will,
sitzt gegenüber auf einem Stein eine alte Frau mit
grauen Haaren und runzlichtem Gesicht, die spinnt
und wie sie das Rad tritt, nickt sie in Einem fort dazu
mit dem Kopf, – das war die Frau Hulle. Sie hatte
eine kleine Platthaube auf dem Kopfe, wie sie die
alten Weiber sonst in die Kirche aufzusetzen pflegten,
und eben ein solches schwarzes wollenes Mützchen,
das nur bis knapp unter die Ellenbogen ging, und darunter
vom Ellenbogen bis an die Hände weiße Stauchen.
Sie fragt ihn, warum er so traurig sei? er aber
sagt: »Ihr könnt mir doch nicht helfen!« und will wei-
ter. »Du bist der krumme Jakob aus dem Schloß,«
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