Brunnen war daneben mit schneekaltem Wasser,
rundum war schöner grüner Wald. Der Wanderer kam
mit dem Mönch in eine Kirche, die so weit war, daß
er von der hintern Kirchthür kaum auf den Chor hinaufsehen
konnte. Dort beteten Beide, und der Mönch
hieß den Mann in einem Stuhle bleiben und sagte
ihm, daß die Kirche zweihundert Altäre habe und
über dreißig Orgeln. Als Lazarus in dem Stuhle saß,
kamen eine Treppe herunter mehr als dreihundert
Mönche, alte und junge, blickten ihn scharf an, gingen
auf den Chor und sangen die Horas andächtiglich.
Nun erklangen alle Glocken, und unzählbare Schaaren
Andächtiger, angethan mit herrlichen Kleidern, erfüllten
das unterirdische Gotteshaus. An allen Altären
wurde Messe gelesen und das Hochamt gesungen, und
alle Orgeln erdröhnten, und zahllose Instrumente wurden
laut mit himmlischer Musik. Dann verlor sich das
Volk und die Mönche wandelten wieder an dem Erstaunten
vorüber. Hernach führte der Mönch Jenen
eine Treppe von achtzig Staffeln hinauf in einen Speisesaal
voll hoher doch unverglaster Kirchenfenster zu
beiden Seiten, daraus man hinabsah auf die Wiese.
Daran stieß der Convent, oben gewölbt und mit schönen
Fenstern wohl versehen. Darinnen standen lange
Tische, und an einem derselben speiste der Mönch
den Lazarus Aigner mit üblicher Klosterkost und
einem Becher Wein. Zur Nonzeit (drei Uhr Nachmittags)
gingen Beide wieder in die Kirche, die wieder
voll Volkes war. Nach der Non gingen sie in die Bibliothek,
da sah Aigner viele Leute auf dem Anger hin
und her gehen, und auf Befragen, wer diese seien, antwortete
der Mönch: »Es sind alte Kaiser, Könige,
Fürsten, Bischöfe und andere Ritter, Herren und
Knechte, Edle und Unedle, auch Frauen, christliche
Leute, welche den christlichen Glauben zur letzten
Zeit Untergangs der Welt helfen erretten und vertheidigen.
«
Die Bücher in der Bibliothek waren uralt, aus
Baumrinden und Häuten und mit alten unbekannten
Buchstaben beschrieben. Vieles las und erklärte der
Mönch. Zur Vesperzeit gingen Beide abermals in die
Kirche, dann in den Convent zum Speisen, dann in
die Complet. Darauf ordnete sich ein langer Zug der
Mönche mit Büchern und Laternen, und gingen je
zwei und zwei nach dem hohen Thurme, durch welchen
Lazarus eingegangen war in den Untersberg. Da
sah man zu zweien Seiten sechs Thüren, und der
Mönch nannte zwölf verschiedene Kirchen in der Umgegend,
in welche man durch diese Thüren gelange,
nach Salzburg, Reichenhall und andere. Er sprach:
»Jetzt gehen wir nach St. Bartholomä bei Berchtesga-
den;« und so that sich die eine Thür auf, und sie gingen
in einem breiten und schönen Gange fort und fort.
Einmal sagte der Mönch: »Schau, Lazarus, jetzt
gehen wir tief unter dem See,« damit er den Königssee
meinte, an welchem St. Bartholomä gelegen ist. In
der Kirche sangen sie die Metten und gingen dann zurück.
Der folgende Tag wurde vollbracht, wie der erste,
nur daß sie zur Nacht in den Dom zu Salzburg gingen
und dort ihr Gebet verrichteten. Hernach lasen sie in
der Bibliothek die großen Bücher voll alter Geschichten
und zukünftiger Ereignisse, und der Mönch sprach
viele Weissagungen, wie es dermal einst in der Welt
sich zutragen werde. Als sie so lasen und mit einander
sprachen, ersahen sie einen Kaiser unter dem Volke,
mit Kron' und Scepter, der hatte einen grauen Bart
vom Haupte bis zum Gürtel, und der Mönch sagte:
»Das ist Kaiser Friederich, welcher einstens auf dem
Walserfelde ist verzuckt worden. Schau ihn wohl an,
er ist in solcher Gestalt, wie er ist, verloren gegangen.
« Auch andere verstorbene Fürsten und edle Herren
mehr erblickte Lazarus, auch seiner noch lebenden
Bekannten Etliche, und fragte den Mönch was diese
in dem Berge machten und ihr Thun und Lassen sei?
Da gab ihm der Mönch eine solche derbe Maulschelle,
daß er sie sein Lebelang empfand, und sprach zornig:
»Was bedarfst du Wissens und Forschens nach
den Geheimnissen Gottes?« –
So waren nun bereits sieben Tage vergangen, als
der Mönch sprach: »Lazarus, nun ist es Zeit, daß du
wiederum hingehest, oder willst du hierinnen verbleiben,
so magst du es auch thun.«
Aigner antwortete: »Ich will hinausgehen.«
So geleitete ihn der Mönch zu dem Thurme, versah
ihn mit Zehrung und guter Ermahnung, hinfort demüthig
zu leben, hieß ihn auch wieder auf die Uhr
schauen, deren Zeiger eben wieder auf sieben stand,
und den Hut aufsetzen, der noch dort lag. Dann redete
er noch Manches von künftigen jämmerlichen und
kümmerlichen Zeiten, so noch kommen würden, und
schlüßlich befahl er ihm, er solle Alles, was er gehört
und gesehen in dem wunderbaren Berge, fleißig merken
und beschreiben, doch nicht eher, als nach fünfunddreißig
Jahren. Zuletzt segnete er ihn und sprach:
»Nun gehe hin im Namen des Friedens, du wirst
schon dermal einst wieder zu mir kommen! Schaue
dich auch nicht um!«
Und so kam Lazarus Aigner mit Zittern wieder hervor
aus dem Schooße des Untersberges und herab
nach der Stadt Reichenhall, und war ganz stille.
6. Das Schloß der Zwerge.
Von S c h ö p p n e r . – S. Beschreibung vom
Untersberg, Brixen, 1850.
Ein Bauer hat erzählt: ich fuhr ein Fuder Wein
Am Untersberg vorbei von Salzburg nach Hallein.
Es war bei Niederalm am Brückenkopf gerade,
Als mir von ungefähr ein graues Männchen nahte.
»Grüß Gott! mein lieber Hans, wohin mit deinem
Wein?
Ei folge mir zum Berg, ich will dein Käufer sein.«
Ich schüttelte den Kopf, der Antrag schien mir Posse,
Und trieb mit hellem Knall zu rascher Fahrt die
Rosse.
Da springt der Zwerg mit Wut hervor und donnert:
halt!
Und zähmt der Rosse Mut mit riesiger Gewalt.
Mir gruselte vor Angst, es sträubten sich die Haare:
»In Gottes Namen denn! befehlet nur, ich fahre.«
Das Wichtlein ging voraus, ich fuhr bedenklich nach,
Da überkam mit Macht ein Schlaf mich allgemach.
Doch hielt der Schlaf nicht lang, und als ich jetzt
erwachte,
Ein wunderschönes Schloß vor meinen Augen lachte.
Auf einem Felsen hoch gebaut von Marmelstein,
Die Fenster von Krystall im Morgensonnenschein.
»Wolan, mein lieber Hans!« begann hierauf der
Kleine,
»Das ist der Markt, dahin du fährst mit deinem
Weine.«
So fuhr ich durch das Thor mit hellem Peitschenknall,
So daß des Hofes Raum erklang vom Wiederhall.
Da kamen wie geweckt viel hundert kleine Leute
Und hüpften auf mich zu und grüßten voller Freude.
»Willkommen lieber Hans! sei froh und wohlgemut,
Bei uns ist Ueberfluß und Küch' und Keller gut.«
Sie spannten hurtig dann die Rosse von dem Wagen
Und sorgten in dem Stall für deren leeren Magen.
Mich selber brachten sie in einen Speisesaal,
Darinnen duftete der Tisch vom besten Mahl.
Doch schmeckte leider mir kein Trinken und kein
Essen,
Ich konnte meinen Wein und Wagen nicht vergessen.
Und als ich nun gespeist, da zog der Zwerge Troß
Mit Ungestüm mich fort, zu zeigen mir das Schloß.
Ein Flügel that sich auf, da ward ein Saal betreten
Geschmückt mit Stickerei auf seidenen Tapeten.
Doch war ein zweiter Saal noch herrlicher an Pracht,
Die Decke und die Wand von purem Gold gemacht.
Die Fenster von Krystall und spiegelglatt der Boden
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